Vom Global Player zum Bankrotteur Deutsche Bank kurz vor der Verstaatlichung

Von DR. VIKTOR HEESE

Die Fusion der vormals „Größenwahnsinnigen“ (Spiegel) mit der maroden Commerzbank naht. De facto wäre das eine Verstaatlichung. Was zwei Weltkriege und viele Wirtschafts- und Börsenkrisen nicht schafften, gelang dem globalen Investmentbanking in knapp 30 Jahren.

Der Bank-Ruin ist kein leider Schicksalsschlag, – die vorsichtige Allianz steht heute blendend da! – sondern ein klassisches Verschulden des arroganten Managements. Eins ist klar: Je länger mit der Fusion gezögert wird, desto teurer wird sie.

1989 Beginn des unsichtbaren Abstiegs

Vor dem Kauf der drittklassigen Investmentadresse Morgan Grenfell war der 1870 gegründete deutsche Branchenprimus kerngesund und führend im Kredit-, Börsen- und Außenhandelsgeschäft. Man sprach Deutsch, Risiken waren weitgehend unbekannt. Als der Autor 1981 in die Dienste des Instituts trat, hieß es noch stolz:

„Es ist eine besondere Ehre, bei der Deutschen Bank arbeiten zu dürfen“.

Auch die höheren Gebühren konnten die Kollegen gut verteidigen:

„Es war schon immer etwas teurer, einen guten Geschmack zu haben“.

Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall. In der KBAJ-Ära (Kopper, Breuer, Ackermann, Jain) glaubten die Frankfurter plötzlich in einer anderen Liga spielen zu müssen. Sie globalisierten heftig, gingen bis heute nachwirkende Risiken ein, waren so gut wie bei jeder Strafzahlung, Affäre, Täuschung und Trickserei dabei. Selbstverständlich vergaßen sie auch nicht, ihre Taschen voll zu füllen.

Dauersünden bringen selbst einen Felsen zu Bruch

Möglich wurde diese Selbstherrlichkeit, weil den Aspiranten niemand bremste und das große Geld und der Ruhm reizten. Gelegenheit macht Diebe! – lautet eine alte Volksweisheit. Die seit Dekaden im riskanten Investmentgeschäft aktiven Angelsachsen (USA & Co.) lockten die reichen unbedarften Deutschen zum Mitmachen. Warum wohl?

So begann man in den obersten Vorstandsetagen und nicht nur dort ab 1989 zu sündigen. Der Sündenkatalog ist lang, die Hauptsünden gravierend. Eine dauerhafte Verletzung der Bank- und Börsenregel bringt allerdings irgendwann auch jeden Bankriesen zu Fall.

Sünde Nr. 1: Vom akkuraten Banker zum rücksichtslosen Renditejäger (Sünder Deutsche Bank)

Kreditgeschäft ist langweilig, das Investmentbanking sexy. Hier lässt sich vieles gewinnen und auch alles verlieren. Wer als Manager das letzte nicht fürchten muss, wird die Sparte hemmungslos fördern. In der Endphase zählte bei den Banken nur noch die Rendite, in Neudeutsch return on equity. Josef Ackermann verlangte hier 25 Prozent bei einem Marktzins von damals fünf Prozent. Konnte so etwas mit rechten Dingen zugehen?

Sünde Nr. 2: Der Traum von üppigen US-Gewinnen wurde zum Verhängnis (Sünder Deutsche Bank)

Wer träumt nicht von Amerika! Wer dort mit den eigenen Niederlassungen nicht präsent war, zählte nicht zum Global Player, zum Weltstar. So schnell wie die Investment-Neulinge aus ganz Kontinentaleuropa Ende des Jahrtausends dorthin wollten, so schnell kamen sie von dort nicht heraus. Den Rückzug läuteten die deftigen Strafen der US-Aufsicht wegen „krummer“ Geschäfte ein, die ihre US-Vorbilder besser beherrschten. In den USA dürften noch so manche „Leichen im Keller“ liegen.

Sünde Nr. 3: Den gierigen Aktionär mit Anglizismen ausgetrickst (Sünder deutscher Kleinaktionär)

Deutsche Bank-Kleinaktionäre sind nicht nur Opfer, sondern auch Täter. Ihnen ist Gier und mangelnder Informationswille vorzuwerfen. Als es mit dem Kurs nach oben ging, jubelten alle, besonders die Analysten. Als es bergab ging, behielten alle stur die Aktien im Depot – übrigens auch die von anderen „Big Five“ wie der Telekom, Siemens, Daimler und Allianz (hier lagen sie ausnahmsweise richtig). Es kommen bessere Zeiten! Was ihre Deutsche Bank da so in der weiten Welt trieb, verstand niemand. Übrigens, die Anglizismen in dem 400 starken Geschäftsbericht (Fair Value & Co.) waren auch für mich als Bankanalysten oft unklar.

Sünde Nr. 4: Zugesehen – Aufsicht nichts mehr als ein Papiertiger (Sünder der Staat)

Der handlungsunwillige Staat ließ die „Märkte“ gewähren. Die lahme Aufsicht BaFin kann leider nicht viel. Sie lässt Prospekte prüfen (nur formal, nicht auf Realitätsinhalt), das Banken-Eigenkapital kontrollieren (haben die genug Mittel zum Zocken?) und Stresstests anordnen (Was passiert, wenn die Börse um X Prozent fällt?). Die Behörde interessiert nicht, ob riskante Finanzprodukte die Gefahr des Totalverlustes bergen oder krude Handelspraktiken (Leerverkäufe) vorliegen, die zu verbieten wären.

Sünde Nr. 5: Zugelassen – Privatisierung der Gewinne, Sozialisierung der Verluste (Sünder der Staat)

Auch die fehlende Haftung reizte zum Spekulieren. Deutschlandweit wurde kein Investmentbanker wegen angerichteter Milliardenschäden verurteilt. Auch die nicht, die nachweislich Controlling-Regeln brachen. Im Gegenteil, ihre Millionen-Boni durften die „Anlegerprofis“ behalten. Mehr noch: die von eigenen Arbeitgebern gezahlten Prämien für Managerhaftung verschafften den Zockern erst die gesuchte Sicherheit.

Nur noch eine Staatsübernahme hilft

Wenn Münteferings berühmte „Heuschrecken“ (Hedgefonds) in ein Unternehmen ein- und aussteigen, naht das Ende. Berlin wird letztendlich auch bei unserem Pleitier einsteigen müssen und eine Fusion mit der Commerzbank durchsetzen. Sonst werden die Gläubiger unkontrollierte Ansprüche an die Dahinderbende anmelden und im Insolvenzfall sie physisch demontieren (Verkauf von Filialen usw.).

Immenser Rufschaden des „Finanzplatzes Deutschland“ und eine Massenentlassung von 40.000 inländischer Angestellten wären die Folge. Warum Berlin zögert, ist unverständlich.

So wie es aussieht, hat die letzte DAX-Bank mit 60 Milliarden Euro noch viel Eigenkapital, das wegen „stiller Lasten“ nicht vollwertig ist. Börsianer wollen beim Kurs von acht Euro je Aktie für den „lahmen Laden“ nur noch 16 Milliarden Euro zahlen.

Den Steuerzahler würde erfreulicherweise die reine Fusion heute wohl nichts kosten. Andererseits sind langfristig Verluste vorprogrammiert. Alles im allen, für Berlin keine rentable, aber notwendige Investition.


Quelle und Kommentare hier:
http://www.pi-news.net/2019/03/deutsche-bank-kurz-vor-der-verstaatlichung/