Steinmeiers Stasi: Das Lauschen bei Anderen

von PPQ

Angriff der Rechtspopulisten auf unsere gemeinsamen Werte! Kaum ist der rechte Kanzler Kurz in Österreich ein paar Monate an der menschenverachtenden Macht, stellt Österreich den Bundesnachrichtendienst (BND) an den Pranger: Der deutsche Auslandsgeheimdienst habe zwischen 1999 und 2006 systematisch die Telekommunikation zentraler Einrichtungen in Österreich überwacht, meldeten das österreichische Nachrichtenmagazin „profil“ und die Wiener Zeitung „Der Standard“, was die Spatzen seit Jahrhunderten von den Dächern pfeifen. Ja, Auslandsgeheimdienste spitzeln im Ausland. Ja, auch deutsche tun das. Und nein, es ist nicht so, dass die bespitzelten Länder das nicht ganz genau wissen.

Merkels nächste Krise

Allerdings hatte die aktuelle Bundesregierung stets so getan, als sei sie seinerzeit von den Enthüllungen um die flächendeckende Überwachung Deutschlands durch die NSA völlig überrascht worden. Die Kanzlerin, selbst abgehört, sprach damals mit „Ausspähen unter Freunden geht gar nicht“ einen ihrer in Stein gemeißelten Sätze. Später, als herauskam, dass der ihr unterstellte BND den Amerikanern bei der Überwachung geholfen hatte, schwor die Kanzlerin im NSA-Untersuchungsausschuss, sie habe von nichts etwas gewusst und könne das alles immer noch nicht glauben.

So wird sie es auch mit der Spionagearbeit in Österreich halten können, die angeblich 2006 beendet wurde. Vor meiner Zeit. Schlimmt. Einem anderen Spitzenpolitiker aber dürfte seit der Enthüllung aus Wien der Geist der vorigen Weihnacht erscheinen: Walter Steinmeier war im fraglichen Zeitraum Kanzleramtsminister und als solcher oberster Koordinator der deutschen Geheimdienste, also auch des BND. Ein harter Hund an der richtigen Stelle: Steinmeier war Mitwisser und Taktgeber bei amerikanischen Folteraktionen, er unterzeichnete die Abkommen, die es der NSA gestatten, in Deutschland schrankenlos zu spionieren, und er vertuschte seine Beteiligung an Programmen wie Prism so erfolgeich, dass er heute hochgeachtet und aalglatt als Bundespräsident amtieren kann.

Steinmeiers Spitzel

Die BND-interne Datei, die profil und dem Standard zugespielt wurde, zeigt nun aber, wie der BND in Steinmeiers Zeit als oberster Geheimdienstchef österreichische Ziele ausspähte – obwohl Österreich damals offiziell noch zu Deutschlands Partnerstaaten zählte. Zwar hatte die EU nach der Übernahme der Regierungsgeschäfte durch die Rechtsregierung von ÖVP und FPÖ Ende der 90er Jahre kurzzeitig Sanktionen gegen die Alpenrepublik verhängt. Diese waren aber bereits im Jahr 2000 wieder aufgehoben worden.

Dennoch überwachte der BND weiterhin mehr als 2000 Festnetz-, Fax- und Mobilnummern sowie E-Mail-Adressen von Dutzenden österreichischen Unternehmen, von Ministerien, Universitäten, Polizeibehörden, Moscheen, Vereinen, Verbänden und Privatpersonen. Zudem spitzelten die deutschen Agenten mehr als 70 diplomatische Vertretungen in Wien aus, darunter die Vereinten Nationen, die OPEC, die OSZE und die Internationale Atomenergiebehörde IAEA. Und Walter Steinmeier, der heutige Bundespräsident, wusste es.

Eine Staatsaffäre, die das Grundproblem deutscher Bundesregierungen seit dem Ende der Ära Kohl aufzeigt: Sie behaupten, moralisch zu handeln und dazu ausschließlich saubere Mittel anzuwenden. Sie kritisieren, rechten und richten, prangen an und salbadern vom hohen Roß einer eingebildeten höheren Moral. Während sie in Wirklichkeit  dieselben Methoden benutzen wie alle anderen Staaten auch.

Sekundärtugenden für den Aufstieg

Doppelmoral, angemalt mit Hybris, die sich in der Figur des Pragmatikers Steinmeier personifiziert: Der ehemalige Außenminister, Vizekanzler und Kanzlerkandidat der SPD strebte stets nach Bedeutung, Macht und Ansehen, ein menschgewordener Fundus an Sekundärtugenden, der bereit war, alles zu tun, was ihm angewiesen wurde, wenn es nur seinem weiteren Aufstieg diente.

Immer hatte Steinmeier das Glück, dass er zwar erwischt wurde, die jeweilige Machtbalance in der Partei oder in der Koalition es aber nicht zuließ, dass er ernsthaft Schaden nahm. Statt wegen all der Affären, für die er eigentlich hätte Verantwortung übernehmen müssen, davongejagt zu werden, parkten Sigmar Gabriel und Angela Merkel den biegsamen Funktionär im Bundespräsidentenamt ab.

Und dort ist der 62-Jährige weiter sicher, auch wenn ihm seine Tätigkeit als Geheimdienstkoordinator der Regierung Schröder nun eigentlich mit einer gewaltigen Explosion um die Ohren fliegen müsste. Doch zu groß ist die Krise der Bundesregierung, zu gering das Interesse der Opposition an einem Sturz der Regierung und nicht vorhanden sind die Medien, die Steinmeiers Rolle bei der Bespitzelung Österreichs beleuchten.  

Ruhe ist jetzt auch erste Berichterstatterpflicht. Walter Steinmeier wird gebraucht, in den wackligsten Tagen der großen Koalition weiter Stabilität zu simulieren.


Quelle und Kommentare hier:
http://www.politplatschquatsch.com/2018/06/steinmeiers-stasi-das-lauschen-bei.html