Stasi Millionen sind aufgetaucht – das verschwundene SED-Vermögen war auf zwei Privatbanken in Österreich und der Schweiz deponiert

von Dan Godan

Der Wirtschaftskrimi um verschwundene SED-Millionen bekommt ein neues, bizarres Kapitel!

Am Mittwoch den 6. Februar 2019 wurde bekannt, dass das Schweizer Bundesgericht in Lausanne die Privatbank Julius Bär verurteilt hat, rund 88 Millionen Euro an die Bundesrepublik zu überweisen – plus Zinsen seit 1994!

Vorher wurde schon die österreichische Austria Bank verurteilt 128 Mio Euro zuzüglich 5 % Zinsen seit 1994 an die Bundesrepublik Deutschland zu überweisen.

Damit sind 216 Millionen des verschwundenen SED-Vermögens wieder aufgetaucht. Rund 130 Millionen Euro bleiben verschwunden.

Die Meldung ist Teil einer unglaublichen Geschichte – an deren Ende sich rund 130 Millionen Euro einfach in Luft aufgelöst haben.

Und es ist die Geschichte einer Frau, die mit Milliarden jongliert hat und das Geheimnis ihres Mega-Betruges 2012 mit ins Grab genommen hat: Rudolfine Steindling, genannt die „Rote Fini“.

Rudolfine Steindling arbeitete nach dem Zweiten Weltkrieg als Sekretärin in der Wiener Dependance der ungarischen Central Wechsel- und Creditbank. Dort lernte sie ihren Ehemann, den jüdischen Holocaust-Überlebenden und Résistance-Kämpfer Adolf Dolly Steindling (1918–1983) kennen,[3] der ab 1974 Generaldirektor der Bank war.[4]

Rudolfine Steindling verließ das Bankhaus 1966 und begann ihren Aufstieg im Firmenimperium der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ),[3] in der sie von 1959 bis 1969 Mitglied war.[5] Sie galt als gut vernetzt mit der österreichischen Wirtschaft sowie mit der politischen Elite der DDR.[6] Auch nach ihrem Austritt aus der KPÖ verwaltete sie als am Wiener Kohlmarkt ansässige Treuhänderin nicht nur Vermögen der KPÖ, sondern auch Gelder der DDR, sprich der SED und STASI.

Ab 1973 war sie Geschäftsführerin der Novum GmbH, über die die DDR Außenhandelsbeziehungen in den Westen unterhielt.[7] Die Gesellschaft vertrat als Teil des Bereichs Kommerzielle Koordinierung Firmen wie Bosch, Ciba-Geigy, Voest-Alpine und Steyr Daimler Puch in der DDR und brachte es so auf beträchtliche Provisionseinnahmen.[8] Steinling übernahm 1978 die Hälfte und 1983 sämtliche Geschäftsanteile der Novum,[6] die nie in einen Organisationseigenen Betrieb der SED überführt worden war, sondern die Rechtsform einer GmbH beibehalten hatte.[9] Die Novum GmbH verfügte zur Wende 1990 über ein Vermögen von rund einer halben Milliarde DM auf Konten in Österreich und der Schweiz.[10]

Aufgrund von Treuhandvereinbarungen zugunsten der SED-Firma VOB Zentrag übernahm ab 1992 die Treuhandanstalt die Verwaltung der Novum GmbH. Daraufhin verklagte Steinling die Treuhand-Nachfolgerin Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) vor dem Verwaltungsgericht Berlin. Sie gab an, seit April 1983 Alleingesellschafterin der Novum im Auftrag der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) gewesen zu sein und erhielt zunächst in erster Instanz Recht.[9] Das Oberverwaltungsgericht Berlin entschied in zweiter Instanz jedoch, dass die Novum GmbH ab 1983 nur zum Schein von Steindling geführt wurde, um SED-Vermögen ins Ausland zu transferieren, und darum als eine mit der SED verbundene juristische Person anzusehen war.[11]

Noch vor endgültiger juristischer Klärung des Falles hob Frau Steindling rund die Hälfte des Guthabens von den Novum-Konten ab, deren weiterer Verbleib zum Teil ungeklärt blieb.[12] Die Bank Austria, die als Steindlings Hausbank der Komplizenschaft mit der Geschäftsfrau beschuldigt worden war, wurde im März 2010 vom Obergericht des Kantons Zürich zur Zahlung von insgesamt 245 Millionen Euro Schadenersatz verurteilt, von der Berufungsinstanz wurde das Urteil jedoch zunächst aufgehoben und das Verfahren an das erstinstanzliche Gericht zurückverwiesen.[8] Ein erneutes Urteil des Zürcher Obergerichts[13] wurde nach Zurückweisung einer Beschwerde durch das Schweizer Bundesgericht 2013 rechtskräftig, so dass die Bank Austria 128 Mio Euro zuzüglich 5 % Zinsen seit 1994 an die Bundesrepublik Deutschland zahlen musste.[14]

Am 21. August 2014 reichte die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) als Treuhänderin für das Vermögen der ehemaligen DDR beim Bezirksgericht Zürich Klage gegen die schweizerische Bank Julius Bär & Co. AG auf Schadenersatz für verschwundenes DDR-Staatsvermögen in Höhe von umgerechnet 135 Millionen Euro ein.[15] Diese Summe soll über die Novum GmbH durch Rudolfine Steindling auf Schweizer Konten transferiert worden sein.

Später soll Frau Steindling das Geld abgehoben und in Banksafes gelagert haben, wobei der endgültige Verbleib bislang unbekannt ist.

Rudolfine Steindling lebte zuletzt in Wien und Tel Aviv, wo sie als großzügige Spenderin und Mäzenin in Erscheinung trat. Unter anderem unterstützte sie die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem und errichtete zu Ehren ihres verstorbenen Mannes den Dolly Steindling Fund.[16] Frau Steindling pflegte einen extravaganten Lebensstil und hatte größere Vermögenswerte – wie ihre Villa in Döbling – bereits zu Lebzeiten auf ihre Tochter überschrieben.[17] Rudolfine Steindling verstarb am 27. Oktober 2012 in Tel Aviv.[12]

Für den Job als Novum-Chefin war Rudolfine Steindling, genannt die Rote Fini aus DDR-Sicht prädestiniert: eine Österreicherin, verheiratet mit einem jüdischen Holocaust Überlebenden und Geschäftsfrau, gut vernetzt in ihrem Land. Außerdem Kommunistin: Sie kannte die Richtigen, sie glaubte das Richtige.

Nach der Wende 1990 lag auf Konten der Novum eine halbe Milliarde D-Mark. Geld, das nach den Regeln des Einigungsvertrages nun der Bundesrepublik hätte zufallen müssen. Geld, das Frau Steindling aber nicht der BRD überlassen wollte. Sie übertrug riesige Summen auf Zürcher Konten, ließ sie bar auszahlen, legte sie dann anonym wieder an.

Das Geld war fort. Waigels Truppen begannen die Jagd auf eine moderne Bankräuberin mit ergrautem Haar und Perlenkette.

Die Novum war eine SED-Firma, die halbe Milliarde D-Mark auf ihren Konten – eine Viertelmilliarde Euro – stünden der Bundesrepublik Deutschland zu. Ging das Geld dann auf den deutschen Konten ein? Natürlich nicht. Da hatte man die Rechnung ohne Fini gemacht.

Denn von der Viertelmilliarde Euro waren, als in Berlin die letzten Urteile fielen, nur noch 100 Millionen Euro aufzutreiben. Den Rest hatte Steindling längst verschoben. Im Mai 1991 eröffnete sie zwei Zürcher Konten für das Novum-Vermögen, überwies die Summen dorthin, ließ sie dann in 51 Tranchen bar auszahlen.

„Wie Getreidespeicher“, notierte ein Jurist, habe Steindling die Konten „sturzartig“ geleert. Sie trug die Geldscheine nicht in Koffern davon, sondern ließ sie direkt im Banksafe verwahren, um sie dann, so stellte ein Gericht fest, „größtenteils in anonymen Sparbüchern und sogenannten Juxtenbons“ – anonymen Wertpapierdepots – unauffindbar anzulegen. Und da verliert sich die Spur des Geldes.

So wie sich die Spur der Fini immer wieder verloren hat: Eigentlich ist die Frau ein Phantom, was über sie bekannt ist, bleibt ein großes Raunen. Ihre Laufbahn, berichtete einst der Wiener Standard , habe sie als Sekretärin einer Bank begonnen, dort habe sie auch ihren späteren Mann kennengelernt, den Holocaust-Überlebenden Adolf Steindling. Der verstarb bereits in den achtziger Jahren.

Fini gab nie größere Interviews. Unscheinbar hat sie gewirkt auf jene, die sie trafen und kennenlernten. Wer sie zum ersten Mal sah, erstarrte kaum in Ehrfurcht. Der Spiegel will einmal zumindest ihre Lebensmaxime herausgefunden haben.

„Ich mach nix, wo kein Geld rausspringt“, habe Fini gesagt.

Nun hat zum Schluss die Gerechtigkeit gesiegt.

Die österreichische Bank Austria wurde letztinstanzlich verurteilt 128 Mio Euro zuzüglich 5 % Zinsen seit 1994 an die Bundesrepublik Deutschland zu überweisen.

Und die Schweizer Privatbank Julius Bär wurde ebenfalls letztinstanzlich verurteilt, rund 88 Millionen Euro an die Bundesrepublik zu überweisen – plus Zinsen seit 1994!


Quelle und Kommentare hier:
https://dangodanakakaratetiger.wordpress.com/2019/02/10/stasi-millionen-sind-aufgetaucht-das-verschwundene-sed-vermoegen-war-auf-zwei-privatbanken-in-oesterreich-und-der-schweiz-deponiert/