Schlachtfeld Deutschland

von Valentin Falin

Die Einkreisung Russlands war nicht erst ein Projekt des 20. Jahrhunderts, sondern begann schon vor über 250 Jahren. Großbritannien war oft der Motor dieser Aggressionspolitik, ihre Frontlinie lief vielfach durch Mitteleuropa.

Der Siebenjährige Krieg (1756–1763) zwischen Russland und Preußen fand nicht nur zwischen den genannten Staaten statt, sondern war ein Weltkrieg. An Preußens Seite waren Großbritannien und einige italienische Fürsten, an Russlands  Seite war Frankreich. Und dieser Krieg war nicht entstanden, weil die Zarin Elisabeth Friedrich II. nicht mochte, sondern sie hatte Österreich gebeten, Russland gegen Preußen zu verteidigen, weil Preußen Schlesien von Österreich erobert hatte.

Der erste Eiserne Vorhang

Frankreich hat diesen Krieg und alle seine Besitzungen in Indien verloren, und was schrieb Ludwig XV. danach? Ich zitiere aus einem vertraulichen Papier:

«Einziges Ziel meiner Politik gegenüber Russland sei es, Russland soweit wie möglich von europäischen Angelegenheiten fernzuhalten. Alles, was Russland im Haus und im Dunkeln treibt, ist mir nützlich.»

So organisierte er eine Abmachung mit Schweden, Polen und dem Osmanischen Imperium; und dieses Projekt hieß: «Errichtung einer Ostbarriere», also eines «Cordon sanitaire» oder eines «Eisernen Vorhanges », und das war in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.

Man sieht den Eisernen Vorhang im Westen immer als «Initiative Sowjet-Moskaus». Dabei hat der französische Premier Georges Clemenceau 1919 vorgeschlagen, «einen Eisernen Vorhang rund um den Bolschewismus aufzuziehen, damit die Bolschewisten das zivilisierte Europa nicht stören». Zu dieser Zeit hat auch ein bekannter Demokrat, Winston Churchill, gefordert:

«Sowjetrussland muss von einem Ring wütender stürmischer Nachbarn umzingelt werden».

Ich könnte eine dicke Mappe solcher Äußerungen bringen, aber das spare ich mir.

Als Dank für unsere russische Hilfe im Siebenjährigen Krieg haben neben Österreich auch andere, vor allem die Türkei, versucht, die Interessen Russlands nicht nur zu beeinträchtigen, sondern gegen uns aggressiv vorzugehen. Aber alle Rekordehat Großbritannien gebrochen. Die Jakobiner waren noch nicht an der Macht, da versuchten die Briten schon, Polen, Schweden, die Türkei und Österreich zu bewegen, gegen Russland eine aggressive Position einzunehmen. Und in eben jener Zeit, 1787, waren in den gerade gegründeten Vereinigten Staaten auch schon die Federalist Papers [Föderalistenartikel, eine Art Verfassungserläuterung] in Kraft. Was hatten sie zum Inhalt? Ihre Autoren haben Folgendes geschrieben:

«Irgendwann werden die Vereinigten Staaten ökonomisch und militärisch so mächtig sein, dass sie die Alte und die Neue Welt beherrschen und regieren werden.»

Interessant, nicht wahr?

Zum Thema Napoleon und zu seinem Russland-Feldzug 1812 gestatten Sie mir ein paar Bemerkungen: In den napoleonischen Armeen bildeten Franzosen nur die Hälfte aller Streitkräfte, die andere bestand aus Österreichern, Preußen und Soldaten aus verschiedenen deutschen Teilstaaten. Das war also nicht nur eine französische, sondern eine europäische Invasion. Ich möchte nicht die Geschehnisse im Einzelnen erwähnen. Entscheidend ist der Beitrag Russlands für die Niederlage Napoleons, dieser wird heute kaum erwähnt, obwohl er von den Historikern mit Recht nicht in Frage gestellt wird. Und wie war die weitere Entwicklung?

Am 22. Dezember 1814 unterzeichnen Frankreich, Großbritannien und Österreich einen Vertrag über ihre Allianz mit dem Ziel, «Russland in seine Grenzen zurückzutreiben für die Ehre, Gerechtigkeit und Zukunft Europas».

Die russischen Revolutionen

Wer hat den Krieg Japans gegen Russland 1904/05 entfesselt? Großbritannien! Und es hat alle Schiffe für die japanische Kriegsmarine gebaut, dies Schiffe wurden von amerikanischen Banken finanziert. Im Rahmen dieses Krieges hat England versucht, Tibet unter seine Kontrolle zu bringen. Es geschah auch etwas in Bhutan und Nepal, diese zwei Staaten gerieten ebenfalls unter britische Vorherrschaft.

Im Kontext dieses Krieges haben die USA und Japan einige ihrer Angelegenheiten geregelt. So bekam Japan Korea unter Verletzung amerikanischer Garantien für Korea, und die USA bekamen die Philippinen. Die «Demokratisierung » dieser Inselgruppe brachte den Tod für ein Drittel der gesamten Bevölkerung. Deshalb ist die antiamerikanische Stimmung der Philippinos bis heute so stark.

Einige Bemerkungen [zu Fakten], die Ihnen nicht bekannt sein dürften, zur russischen Revolution. Die erste Revolution 1905 bis 1907 wurde von Japanern finanziert, sie hatte auch Unterstützung von Briten und Franzosen. Vor dem Sturz von Zar Nikolaus II. 1917 bekommt der britische Botschafter in Sankt Petersburg die Instruktion, dass die oppositionelle Gruppe gegen den Zaren zu unterstützen und zu finanzieren sei. Das Ergebnis war die Abdankung von Zar Nikolaus II. Eines der Ziele des Ersten Weltkrieges war erreicht. Russland sollte nie wieder so erstehen, dass es für das britische Königreich eine Gefahr werden kann. Wer waren die Ausführenden dieser Entscheidung? Wer hat den Schuss auf den Zaren-Berater Grigori Rasputin abgegeben? Ein Agent des amerikanischen Geheimdienstes!

Stalin und Deutschland

Wir registrieren meist, dies oder das hat Russland oder die Sowjetunion nicht getan. Man versteht kaum Josef Stalins Politik vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg. Dazu eine Tatsache, die Ihnen unbekannt ist: Vor dem Verlassen der Münchner Konferenz [zur Sudetenfrage] hat der britische Premier Neville Chamberlain am 30. September 1938 noch ein Treffen mit Adolf Hitler gehabt und zu ihm gesagt:

«Sie haben genug Bomber, um Russland anzugreifen, besonders jetzt nach dem Münchner Abkommen, weil sowjetische Flugzeuge nicht auf tschechoslowakischen Flugplätzen platziert werden können.»

Unsere Aufklärung hat all diese Dokumente an Stalin weitergeleitet…

Stalin hat nach unserem unglücklichen Krieg mit Finnland 1939/40 angefangen, die sowjetische Armee durchgreifend zu reformieren, und seine Pläne sollten in groben Zügen bis Herbst 1942 vollendet werden. Die Reaktion Hitlers war dieselbe wie die Reaktion von Wilhelm II. vor dem Ersten Weltkrieg. Zar Nikolaus II. plante 1913 eine Reform seiner Armee, die 1914 beginnen und 1917 beendet werden sollte. Die Reaktion von Wilhelm II. war:

«Warum sollen wir warten, bis Russland stark wird, wir sollten sofort handeln.»

Genauso war es mit dem Angriff Hitlers auf Russland. All die Legenden des Buchautors Viktor Suworow lassen Sie beiseite, aber Folgendes ist wichtig: Als die Wehrmacht vor den Toren Moskaus steht, sagt Stalin in seiner Rede am 6. November 1941:

«Die Hitlers kommen und gehen, Deutschland und das deutsche Volk bleiben bestehen.»

Das war in einer für die Sowjetunion schlimmen Situation, denn wenn Moskau gefallen wäre, hätte ihr sofort Japan den Krieg erklärt, die Türkei hätte sie mit ihren 27 Divisionen attackiert und Schweden hätte sich der Hitler-Allianz angegliedert.

Nun zur Konferenz von Teheran, 1943: Franklin D. Roosevelt und Winston Churchill entwickeln Ideen, in wie viele Staaten Deutschland gespalten werden sollte. Reaktion von Stalin:

«Ich werde mir darüber Gedanken machen.»

Dann in Jalta wieder die Frage nach Deutschlands Spaltung. Stalin sagt:

«Im Prinzip nicht ausgeschlossen.»

Zwei Wochen später erhält unser Botschafter in Großbritannien die Instruktion:

»Keine Gespräche über Spaltung oder Zerstückelung Deutschlands!»

– Das war eine Warnung an die Deutschen gewesen: Wenn Sie die Kapitulationsbedingungen nicht akzeptieren, nur dann kommt das in Frage. Auf der Potsdamer Konferenz 1945 hatte der Westen wieder verschiedene Modelle zur Spaltung Deutschlands in seiner Mappe. Reaktion Stalins:

«Keine Spaltung, keine wirtschaftliche und politische Spaltung, Deutschland soll ein einheitlicher Staat bleiben.»

Ich könnte Ihnen noch zwei oder drei Stunden vieles aus dem Gedächtnis erzählen. Wir haben nach dem Krieg vorgeschlagen: gesamtdeutsche Gewerkschaften, Parteien und freie Medien, die Kirche darf ungestört in ganz Deutschland aktiv bleiben. Alles wurde total abgelehnt.

Warum sprechen viele Zeitgenossen von verpassten Chancen bezüglich der Stalin-Note von 1952?

Warum erwähnen sie nicht die Angebote Stalins 1950 an Bundeskanzler Konrad Adenauer, die Rückkehr der Kriegsgefangenen über das Rote Kreuz zu beraten?

Die Reaktion Adenauers gegenüber dem Deutschen Roten Kreuz war ein totales Verbot von Kontakten. Das ist in einer zynischen Resolution Adenauers im Archiv nachzulesen. Schon 1946 wurde während der Vier-Mächte-Verhandlungen von uns angeboten: freie demokratische Wahlen, Regierungsbildung, Friedensvertrag, nach zwei Jahren Abzug aller Besatzungstruppen. 1947, Antwort der USA:

«Wir haben keinen Grund, dem demokratischen Willen der Deutschen zu glauben. Wir werden den Deutschen den Friedensvertrag dann aufzwingen, wenn es für die amerikanischen Interessen richtig ist.»


Quelle und Kommentare hier:
https://www.compact-online.de/schlachtfeld-deutschland/