Nur noch mit Sondererlaubnis selbstständig…

Von Siegfried von Xanten

Kaum etwas hat den geografischen Raum so verändert und ist so tief in die Lebenswelt des Einzelnen eingedrungen, wie das Automobil. Und so beschränkte sich die gesellschaftliche Aneignung auch nicht auf den technologischen Gebrauchswert. Man entwarf mit dem Automobil eine „Projektionsfläche individueller wie auch gesellschaftlicher Hoffnungen und Ängste.“ Wobei die Verkehrserziehung in Richtung Zukunft nur noch auf Ängste setzt, was Verbrennungsmotoren angeht.

Das private Automobil ist vor allem ein Symbol für Unabhängigkeit und individuelle Freiheit. Und es ist „politisches Emanzipationsvehikel“. Und die Automobilindustrie ist „eine politische Industrie“. Das Automobil als private Fahrstube ist in Deutschland zum Abschuss freigegeben. Alternativlos. Zuerst der Diesel. Dann der Benziner.

Das eigene Automobil. Ein hehres Gut. Des Deutschen liebstes Kind. Das Automobil ist eine der letzten Bastionen der Privatsphäre. Doch die Jagdsaison ist lange eröffnet. Allem voran auf den Diesel: „Vom Welterfolg und Paradebeispiel deutscher Ingenieurskunst zum Fortschrittsbremser und ewigen Schmuddelkind“.

„Der zu erwartende Widerstand soll so fragmentiert und zerstückelt werden, um auf diese Art Teile der Bevölkerung gegeneinander ausspielen zu können. Diese Projekte werden bereits seit mehr als zehn Jahren still und mit beträchtlicher Arglist vorangetrieben.“

Und je länger öffentlich diskutiert wird, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass man beim Führer landet. „Aus Verzweiflung“. Sagt Mike Godwin. Godwins-Gesetz. Wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo der Führer her.

In zwei Jahrzehnten reicht der „Führer“-Schein nicht mehr aus. Die Bundeskanzlerin will keinen mehr fahren lassen. Selbstständig. Selbstverständlich.

„Wir werden in 20 Jahren nur noch mit Sondererlaubnis selbständig Auto fahren dürfen“.

Sagt die Bundeskanzlerin. Und ohne Sondererlaubnis gibt es nur noch autonomes Fahren. Womit wir wieder bei der Unabhängigkeit wären. Auf links gedreht und im Neusprech. Unabhängig vom Fahrer und vom „Führer“-Schein. Komplett abhängig von der Technologie:

„Beim eigentlichen autonomen Fahren ist kein Fahrer mehr erforderlich. Man braucht auch kein Lenkrad mehr oder sonstige Bedienelemente. Die Insassen werden zu Passagieren, die nur noch das Ziel angeben müssen. Damit ist also auch kein Eingriff mehr möglich und man benötigt nicht mal einen Führerschein.“

Sehr schön. Komplette Entmündigung. Kein Eingriff mehr möglich. Angriff statt Eingriff.

„Schon jetzt machen Hackerangriffe klar, mit welchen Szenarien die Entwickler in der Auto- und der IT-Branche rechnen müssen. In den USA gelang es Angreifern etwa, einen Jeep aus der Ferne unter ihre Kontrolle zu bringen. Sie schalteten sich per Laptop in zentrale Funktionen wie die Lenkradstellung, Bremsen und das Schaltgetriebe ein.“

Technologielücken. Und ein gläserner Fahrer. Ohne „Führer-Schein“.

In 20 Jahren. Nicht ganz 100 Jahre dann, nachdem der Führer als erster deutscher Kanzler überhaupt der Internationalen Automobilausstellung in Berlin die Ehre gegeben und eine Grundsatzrede gehalten hat.

„Nach einer rhetorischen Verbeugung vor der Genialität deutscher Autokonstrukteure kündigte er die ‚Inangriffnahme und Durchführung eines großzügigen Straßenbauplans‘ an. Zudem sicherte er den Autobauern zu, die Straßenverkehrspolitik aus dem eisenbahnfreundlichen, autokritischen Verkehrsministerium herauszulösen und die starke steuerliche Belastung von Kfz-Besitzern zu mindern.“

Ein reichsweites Autobahnnetz. Und die Befreiung neu zugelassener Pkws von der Kfz-Steuer.

Das hörten die Verantwortlichen von Daimler-Benz, BMW und Auto-Union gern. So gern, dass der Vorsitzende der Arbeitnehmervertretung Zentrum Automobil – die beim Autobauer Daimler in Stuttgart Untertürkheim im Betriebsrat sitzt – unlängst „per Mail ein Foto verschickt haben [soll], das ein Hakenkreuz zeigt und die Inschrift: ‚Der deutsche Gruß heißt Heil Hitler‘.“ Sagt das ARD-Magazin Report.

Den Führergruß fuhr in Österreich auch ein älterer Mann mit seinem VW-Bus spazieren. Um auf Missstände in der Justiz aufmerksam zu machen.

„Der 65-jährige Mann hatte ein Transparent über die Heckscheibe gespannt, darauf stand, für alle nachfahrenden Fahrzeuge lesbar, in riesigen Lettern: ‚Heil Hitler‘. Und, in kleinerer Schrift, eine Adresse für eine Homepage.“

Der Führer selbst fährt Mercedes. Von seinem 1939er Mercedes 770 wurden 88 Exemplare gebaut.

Die Vision einer automobilen Gesellschaft. Nach dem Volksempfänger der Volkswagen. „Und da Pkw in Deutschland Luxusartikel waren, die sich nur einige wenige leisten konnten, befahl Hitler einfach die Konstruktion eines billigen, technisch fortschrittlichen, für die Massenfertigung geeigneten Autos.“ Kraft durch Freude.

„[…] In Kürze wird der Führer sein großes Netz gerader Autobahnstraßen mit Tausenden und Abertausenden von glänzenden kleinen Käfern zupflastern, die dann von der Ostsee bis zur Schweiz und von Polen bis Frankreich vor sich her summen werden, und damit Vater, Mutter und bis zu drei in den Innenraum gepackten Kindern erstmals erlauben werden, ihr Vaterland durch die eigene Windschutzscheibe zu sehen.“

Schrieb die New York Times am 3. Juli 1938. Ende 38 wurde eine Vorserie des KdF-Wagens gefertigt. Vorführwagen. Die eigentliche Erfolgsgeschichte des Käfers begann erst nach 45. KdF. Kraft durch Freude.

80 Jahre später hat sich das automobile Klima ziemlich verschlechtert. Klar, eine entschieden wirre und demagogische Klimadebatte ist da wenig zuträglich. SdA. Schwäche durch Angst. Ganz oben auf der Abschussliste der Diesel. Und der verbraucht weniger Kraftstoff und stößt deshalb weniger CO2 aus. 20 bis 30 Prozent.

Klar, dass da eine neue Studie her muss.

„Diesel produzieren während ihrer gesamten Lebensdauer spürbar mehr klimaschädliches CO2 als Benziner.“

Sagt der Lobbyverband Transport & Environment. Und Studien sind gut bezahlte Auftragsarbeiten von Experten. Und Experten, das sind bekanntlich die Spezialisten, die auch schon mal zeigen, dass die Wahrheit gerade nicht auffindbar ist, wenn es sich rechnet.

Es wird immer wärmer. Wegen Kohlenstoffdioxid. Sagen die Statistiken der Spottdrossel. Immer da, wo man gerade nicht ist. Und für Statistiken gilt: Was nicht passt, wird passend gemacht.

„Klar ist zugleich, dass wir uns bis 2050 sehr ehrgeizige Klimaziele gesetzt haben, nämlich 80 bis 95 Prozent CO2-Reduzierung, die nur zu schaffen sind, wenn auch im Verkehr deutlich weniger CO2 ausgestoßen wird.“

Sagt die Bundeskanzlerin. Alles für die Zukunft. Und was ist Zukunft?

„Alles, was noch nicht gewesen ist, ist Zukunft, wenn es nicht gerade jetzt ist.“

Alles nicht so einfach, denn: „Überall stoßen wir auf ein Denken, das kein Morgen kennt.“ Morgen ist aber Vergangenheit, wenn man übermorgen zurückschaut.

Das Denken betrügt uns also sowohl um unsere Vergangenheit, als auch um unsere Zukunft. Und unsere Vergangenheit ist unsere Geschichte. Und um die sind wir betrogen worden? Da wird einem ganz schwindelig.

Was ist eigentlich CO2?

„CO2 ist die chemische Summenformel für das aus Kohlenstoff und Sauerstoff bestehende Element Kohlenstoffdioxid, auch als Kohlendioxid bekannt. Das Gas Kohlenstoffdioxid ist farblos, gut in Wasser löslich, nicht brennbar, geruchlos und ungiftig. Es ist neben Stickstoff, Sauerstoff und sogenannten Edelgasen ein natürlicher Bestandteil der Luft […]“.

0,038 Prozent. Pflanzen brauchen CO2. Mittels Fotosynthese „wandeln sie Kohlendioxid mithilfe des Blattgrüns Chlorophyll und mit Sonnenlicht und Wasser in Zucker um – mit dem Pflanzen ihre Zellen bilden.“

Die Welt ist in den vergangenen Jahrzehnten erheblich grüner geworden. Eine Grünfläche von der Größe der USA ist in den letzten 30 Jahren hinzugekommen. Gut, aber das scheint nicht gut zu sein. 80 bis 95 Prozent CO2 Reduzierung. Hundertprozentige Reduktion des gesunden Menschenverstandes.

Und bei der angestrebten Quote werden dann die meisten Grünflächen zu Braunflächen. Braun. Ohne dass erst lange diskutiert wird. Die Verallgemeinerung von Godwins Gesetz. Auch ohne dass lange diskutiert wird, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man wieder beim Führer landet.

Und der gesunde Menschenverstand? Macht verdächtig, die falsche Gesinnung zu haben. Eine „Form historischer Dummheit“ und ein „Instrument der herrschenden Klasse“. Sagte Karl Marx. Und verkaufte die Menschheit und Millionen von Toten für dumm.

Auch Papst Franziskus betet für eine Befreiung von „der Versuchung des gesunden Menschenverstands.“ Das Recht auf Dummheit. Politisch korrekt. Befreiung durch eine Politik des Hinschubsens. Durch Vorschriften und Unbequemlichkeiten.

Unbequem ist auch ein unstetiger Verkehrsfluss. Durch Straßenverengungen, die Verringerung von Fahrspuren, Dauerbaustellen, abenteuerliche Ampelschaltungen, Tempo 30 auch bei Durchgangsstraßen und das Herausziehen von Bushaltestellen, damit der stehende Bus den gesamten Verkehr blockiert. Das treibt die Abgasemissionen in die Höhe. Verkehrserziehung. In Richtung Zukunft.

„Das mag jetzt unter Schadstoffgesichtspunkten an der einen individuellen Stelle nachteilig sein, aber insgesamt geht es natürlich darum, die Menschen zu motivieren, die Bahn zu benutzen eher als das Auto …“.

Sagt der Oberbürgermeister der Stadt Düsseldorf. Kultivierte Verkehrsbehinderung. Ambitionierte Arglist.

Und die Emissionsdaten leitet man „zu einem geradezu grotesk überproportionalen Anteil aus Daten“ her, die an entsprechend gestalteten verkehrserzieherischen Brennpunkten erhoben wurden. Und dann gelangt man „auf vielleicht 0,01 – 0,02 % der Gesamtbevölkerung, die überhaupt von über dem Grenzwert liegenden NO2-Gehalten direkt vor ihren Fenstern betroffen sind“.

Bei 80 Millionen Einwohnern sind das 8000. Und der Heilige Vater betet für die Befreiung von der „Versuchung des gesunden Menschenverstandes“. Wohl nicht ganz unerfolgreich.

Und für alle, die der SdA-Kampagne nicht erliegen, gibt es ja auch noch die Zulassungsämter. Dort erledigt man den Rest, indem man beinahe alle Kennzeichen auf den Index setzt. Denn irgendwie fährt der Führer immer mit.

Als Anspielungen auf all das Sollen und Müssen, das die Erwachsenen so erleben, ließ Edeka unsensiblerweise in einem Werbespot zwei Fahrzeuge mit den Kennzeichen „MU-SS 420“ und „SO-LL 3849“ vorfahren. Da muSS man natürlich an Führers Geburtstag denken. Aber SO-LL 3848? Was sagen die Experten?

„Im zweiten Kennzeichen findet man die Zahl 84, in rechten Kreisen für „Heil Deutschland“ verwendet, eingerahmt von 3 und 9, was, sagen Experten, für die rechte Bewegung ‚Christian Identity‘ stehen könnte – die Zahlen bezeichnen jeweils die Buchstaben im Alphabet.“

Und das ist noch nicht alles. Der Werbespot strotzt nur so von braunem Gedankengut, wie die Expertin weiß:

„Sowieso vermittelt der Spot besonders am Anfang eine heile Welt und transportiert Werte, die auch für die Neue Rechte stehen. Die Kinder spielen zum Beispiel auch eine altmodische Version von ‚Mensch ärgere dich nicht’“.

Verdächtig sind aber auch auf den ersten Blick unscheinbare Zahlen wie 70 (88 – 18) oder 106 (88 + 18). Oder 54 (3 x 18). Oder 264 (3 x 88). Oder 36 (18 + 18). Je mehr man rechnet, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass man beim Führer landet. Godwins Gesetz ins Zahlenuniversum extrapoliert.

Und die deutsche Automobilindustrie wird beerdigt. Die „Zukunftsaussichten von Deutschlands wichtigstem Industriezweig mit rund einer Million Beschäftigten [malt die Bundeskanzlerin] in düsteren Farben. Jeder wisse, dass die Autoindustrie in ihrer heutigen Form nicht überleben werde“. Starker Tobak. Da wird einem schon wieder schwindelig.

Die deutsche Automobilindustrie. Eine Metapher für den Zustand des Landes, wie die Berliner Zeitung in dreißiger Jahren meinte:

„‘Das Leben eines Staates und Volkes bildet eben eine große organische Einheit. Schäden und Schwächen im Staatswesen führen zu Schäden und Schwächen, zu krankhaften Symptomen auch an Stellen, die scheinbar fernab von aller Politik liegen‘ […]. Und so wie das Automobil die Krise Deutschlands verbildlicht.“

So kann es eben auch symbolisieren, dass man sich politisch wieder auf dem richtigen Wege befindet. Wenn man sich vor der Genialität deutscher Autokonstrukteure wieder verbeugt und den Diesel als das gelten lässt, was er ist: ein Paradebeispiel deutscher Ingenieurskunst.

Und was sagt der Führer?

„Meine Liebe gehört dem Automobil. Das Auto hat mir die schönsten Stunden meines Lebens geschenkt, das muss ich wirklich sagen: Menschen, Landschaften und Denkmäler.“ Und: „Nicht der Fahrplan, sondern der Wille des Menschen bedient sich des ihm ununterbrochen gehorchenden Verkehrsinstrumentes.“

Außerdem hat

„der Mensch den Verstand bekommen, um sich seiner zu bedienen, und ich glaube nicht, daß auf die Dauer etwas bestehen kann, das sich versündigt gegen die dem Menschen gegebene Einsicht.“


Quelle und Kommentare hier:
http://n8waechter.info/2018/04/von-xantens-kolumne-nur-noch-mit-sondererlaubnis-selbststaendig/