Michael Winkler: Generation der Schlafwandler

Der Echo war einmal ein renommierter Musikpreis. Nun wurde er an zwei „Rapper“ verliehen, die „antisemitische“ und „frauenfeindliche“ Texte… vertont haben wäre wohl das falsche Wort. Verhackstückt, ja, das paßt besser zu Rap. Jedenfalls sind nun ein paar andere Künstler sauer und wollen „Zeichen setzen“, indem sie ihre Echos zurückgeben. Da soll wohl das Volk verhetzt werden? Der Fehler liegt nicht in den Texten, sondern darin, daß „Rap“ überhaupt als Musik angesehen wurde. Beethoven, Bach, Mozart – und dann Rap? Sprachgestottere zu Tönen, die vom Preßlufthammer stammen könnten? Ist dies die „jüdische“ Komponente des einst christlichen Abendlandes? Das Ende der Kultur?

„Darf man heute noch ‚Neger‘ sagen?“ Mit diesen Worten hat der mdr eine Ausgabe der Radiosendung „Dienstags direkt“ beworben. Das Ergebnis war ein „shitstorm“ der politisch Korrekten, die sich allesamt über das Wort „Neger“ aufgeregt haben. Offenbar darf man das heute nicht mehr sagen, es sei denn, man ist Neger, dann darf man sich gegenseitig sogar als „Nigger“ bezeichnen. Ist man jedoch Weißer (das darf man, soweit ich weiß, noch sagen), ist jenes Wort, das sich aus dem Schwarz der Hautfarbe ableitet, Rassismus. Andererseits, das Wort „Rassismus“ ist heute derart wohlfeil, daß es keine wirkliche Bedeutung mehr hat. Vielleicht sollte man rassisch neutrale Worte benutzen, wie beispielsweise Saupreiß. Das geht auch in „Saupreiß, japanischer!“ oder in „Mei Vota hot mi herg’haut, der Saupreiß, der elendige!“ Ganz nebenbei: Es ist auch Rassismus, wenn man vorschreibt, welche Worte für eine bestimmte Rasse nicht benutzt werden dürfen.

„Ich möchte nicht zu einer Generation der Schlafwandler gehören“, sagte Frankreichs Präsident Macron in Straßburg. „Ich möchte zu einer Generation gehören, die standhaft entschieden hat, ihre Demokratie zu verteidigen.“ Welche Demokratie möchte er da wohl verteidigen?

  • Jene, die es im totalen Merkelstaat schon längst nicht mehr gibt?
  • Ein deutsches Wahlrecht, das seit 1956 ungültig ist?
  • Eine Gewaltenteilung, die der Parteienfilz längst durchwuchert hat?
  • Den Obrigkeits-Willkürstaat, zu dem die BRD geworden ist?
  • Die Demokratie der Redeverbote, in der Meinungsäußerung mit Gefängnis geahndet wird?
  • Eine Presse, die nicht die Mächtigen kontrolliert, sondern die Meinungseinfalt fördert?

Zugegeben, ich sehe das von der anderen Rheinseite, mehr die deutschen als die französischen Demokratie-Defizite. Doch ich bin sicher, dieser Satz gilt für Frankreich ebenso wie für Merkeldeutschland:

Um eine Demokratie verteidigen zu können, müßten wir erst mal eine haben!


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https://michaelwinkler.de/Kommentar.html