Merkels Bürgerdialog oder die Sendung mit der Kanzlermaus

von Andreas Richter

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat am Dienstag in Jena im Rahmen eines so genannten Bürgerdialogs Fragen ausgesuchter Bürger beantwortet. Etwa 90 Minuten lang stand sie Rede und Antwort.

Unterstützt von einem wohlwollenden Moderator diskutierte sie mit ebenfalls wohlwollenden Bürgern über die Themen „Europa“ (gemeint ist hierbei immer die EU), Pflege, Migration, Landwirtschaft und Demokratie.

Die etwa 60 Teilnehmer der Runde mussten sich im Vorfeld bewerben und wurden von der Ostthüringer Zeitung, der Thüringer Landeszeitung und dem die Veranstaltung übertragenden MDR ausgewählt. Der Bundeskanzlerin ging es nach eigener Aussage darum, zu erfahren, „wie Menschen etwas erleben“, sie wollte „zuhören, Fragen beantworten, Wünsche mitnehmen“.

Allzu augenfälliger Konsens zwischen Regierenden und Regierten

Wer sich den spielfilmlangen „Bürgerdialog“ ansieht, bekommt leicht einen anderen Eindruck. Es ist eine zähe Veranstaltung, aufgelockert nur manchmal, wenn Merkel etwa unfreiwillig komisch über Gurken und Bananen monologisiert.

Ansonsten nimmt sie die Fragen zum Anlass, ihre fertigen und seit langem bekannten Textbausteine an den Mann zu bringen. Merkel erklärt den Leuten ihre feststehenden Wahrheiten, andere gibt es nicht, eine wirkliche Debatte auch nicht. Es ist Merkels Erklärsendung, ein „Frag-doch-mal-die-Kanzlermaus“, wenn man so will, nur leider nicht so gut wie das Original.

Die Lücke zwischen dem von der Kanzlerin Gesagten und der Realität scheint den Teilnehmern nicht aufzufallen. Merkel lobt und verteidigt ihr „Europa“, verliert aber kein Wort darüber, dass sie erst mit ihrem Austeritätsdiktat und dann mit ihrer Flüchtlingspolitik die EU irreparabel beschädigt und übrigens auch den im Dialog beklagten Brexit mitverursacht hat.

Sie redet von Werten und Demokratie, die es zu schützen gelte. Kein Wort davon, dass sie selbst einen eher autoritären Regierungsstil pflegt und zentrale Entscheidungen ihrer Amtszeit wie beim Atomausstieg oder in der Flüchtlingspolitik praktisch über Nacht und ohne jede Debatte getroffen wurden. Zum Schaden der Demokratie, natürlich.

Kein Thüringer Dialekt zu hören

Und so ging es denn auch beim Jenaer Bürgerdialog nicht um irgendeine Art der Bürgerbeteiligung, sondern um die Simulation von Beteiligung und von Demokratie. Es ist eine PR-Veranstaltung. Als solche hat sie funktioniert. Das Heute-Journal und die Tagesthemen berichteten wohlwollend. Die Teilnehmer applaudierten am Anfang und am Ende. Beim Schlussapplaus sagte Merkel generös:

Der Applaus gehört Ihnen, dass Sie hierhergekommen sind und sich eingebracht haben!

Dann gab es, bitte das Logo nicht verdecken, die Großen nach rechts und nach links, noch ein schönes Selfie mit der Kanzlerin. Und Ende.

Noch ein Wort zu den Teilnehmern: Ich habe Thüringer früher immer so erlebt, dass sie gerne und mit Stolz in ihrem Dialekt gesprochen haben. Die Teilnehmer am sogenannten Bürgerdialog kamen, das war deutlich zu hören, zum Großteil zumindest nicht gebürtig aus Thüringen. Die Thüringer, die dabei waren, bemühten sich, ihren Dialekt zu verstecken oder haben ihn sich vielleicht schon abtrainiert.

Man fragt sich: Sind das nun die Leute, die die Thüringer Medien eines Treffens mit Merkel für würdig erachten? Oder haben die anderen Thüringer an solchen Veranstaltungen kein Interesse mehr?

Das nur nebenbei, als Anmerkung zum Stand der deutschen Einheit.


Quelle und Kommentare hier:
https://deutsch.rt.com/meinung/74532-merkels-buergerdialog-oder-sendung-mit/