Lasst sie nicht gewinnen!

von Whitney Webb

Mit der Verhaftung von Julian Assange sind wir an einem Wendepunkt angekommen und unser Handeln wird wichtiger denn je.

Werden wir warten, bis sie kommen, um uns zu holen, weil unsere Häuser auf Ressourcen gebaut wurden, die sie plündern möchten; weil wir online Informationen ausgetauscht haben, die sie als störend empfanden; weil wir zu fragen gewagt haben, warum Verrückte unser Land und weite Teile der Welt beherrschen?

Heute Vormittag (der Artikel stammt vom 11. April; Anmerkung der Übersetzerin) hat der in London ansässige Zweig des Imperiums seine Drohung wahr gemacht und hat ganz unverschämt damit begonnen, die letzten Überreste von Demokratie und Pressefreiheit abzubauen, die noch verbleiben, Überreste, die es den Menschen in der gesamten westlichen Welt erlauben, so zu tun, als ob ihre Regierung und die Politiker noch ihre Rechte und das Gesetz respektierten.

Julian Assange, der Mann, der dazu beigetragen hat, eine Litanei an Verbrechen und die rotzfreche Korruption der mächtigsten Menschen und Regierungen der Welt aufzudecken, wurde aus der Botschaft des Landes gezerrt, dessen Staatsbürgerschaft er hatte und von dem er sogar Asyl erhalten hatte. Der gefährliche Präzedenzfall, den Assanges Verhaftung darstellt – nicht nur für den Journalismus, sondern auch für die nationale Souveränität und das Völkerrecht – ist erschütternd.

Jetzt, wo Assange sich in britischer Haft befindet, wird sein Schicksal unser eigenes widerspiegeln, da Assanges Schicksal und das von Journalisten auf der ganzen Welt sowie der Öffentlichkeit selbst zunehmend miteinander verflochten sind. Schließlich haben es diejenigen, die hinter Assange her sind und ihn seiner Freiheit berauben wollen – das US-Imperium, der „tiefe Staat“, die Schattenregierung, die globale Elite und so weiter – auch auf unsere Freiheit abgesehen.

Wenn wir schweigen, während sie diesen Mann gefangen nehmen, ausliefern, foltern oder sogar töten, können wir ein ähnliches Schicksal erwarten. Nicht morgen, nicht nächste Woche. Es könnte Jahre dauern. Aber verlassen Sie sich drauf: Das weltumspannende Imperium, dessen Kern die US-Regierung ist, wird jetzt dazu ermächtigt sein, jeden anzuklagen und einzusperren, den es als Bedrohung für sein Schalten und Walten ansieht.

Bei diesen Operationen, einschließlich derer, an deren Enthüllung Assange mitgewirkt hat, handelt es sich häufig um Massenmorde an unschuldigen Zivilisten – darunter unzählige Kinder -, die sterben mussten, damit man die Ressourcen anderer souveräner Nationen plündern konnte. Dazu zählt oft auch die Errichtung von Marionettenregierungen, entweder durch verdeckte Methoden – zum Beispiel durch Einmischung in die Wahlen – oder offene Maßnahmen wie Regime-Change-Kriege.

Diejenigen, die für die ungeheuerlichsten Verstöße gegen das Völkerrecht, für Kriegsverbrechen und für das Dahinschlachten unschuldiger Menschen verantwortlich sind, werden nicht eingesperrt, herabgewürdigt oder gefoltert. Sie werden belohnt und gefördert. Wie wir heute – und in den letzten Wochen, insbesondere nach der Gefangennahme von Chelsea Manning – gesehen haben, werden diejenigen, die diese Verbrechen aufdecken wollen, bedroht, gefoltert und bestraft.

Ob wir es wollen oder nicht – wir sind bereits Teil dieses Krieges

Die Welt weiß schon seit Jahren, dass Assanges Schicksal besiegelt ist. Wenig wurde dagegen unternommen. Nun ist der Wendepunkt erreicht. Werden wir weiterhin fliehen – in die falsche Wirklichkeit von Fernsehen, Kino, Videospielen und was auch immer wir nutzen, um uns abzulenken und den Schmerz zu betäuben -, während sich die wirkliche Welt, in der wir leben, in eine technokratische, imperiale Diktatur verwandelt? Werden wir weiterhin die offensichtlichen Gefahren für unser Leben und das unserer Kinder ignorieren, weil es unbequem und manchmal auch schwer fällt, diesen Bedrohungen ins Auge zu sehen?

Werden wir warten, bis sie kommen, um uns zu holen, weil unsere Häuser auf Ressourcen gebaut wurden, die sie plündern möchten; weil wir online Informationen ausgetauscht haben, die sie als störend empfanden; weil wir uns zu fragen gewagt haben, warum Verrückte unser Land und weite Teile der Welt beherrschen?

Eine solche Möglichkeit mag für einige lachhaft wirken, doch diese Tage liegen nicht mehr in weiter Ferne. Für viele Menschen auf der Erde, selbst im Westen, sind sie bereits gekommen. Assanges Verhaftung ist der erste Schuss in einem Krieg, in den wir bereits alle, ob wir das wollen nicht, hineingezogen wurden, weil es ein Krieg für die Welt ist, in der wir leben, ein Krieg für unsere Gesellschaft, unseren Planeten, unsere Lebensgrundlage, unser Recht auf Selbstbestimmung. Wir können versuchen, bis ans Ende der Welt zu fliehen, tausende Meilen „vom Westen“ entfernt, so wie ich es tat – nur um herauszufinden, dass es nirgends ein Land gibt, das derzeit nicht belagert wird.

Noch nie zuvor war die globale Oligarchie mächtiger als heute. Die Konzentration von Macht und Reichtum in den Händen weniger ist beispiellos in der Geschichte, schlimmer noch als im Goldenen Zeitalter und in den letzten Tagen des Römischen Imperiums. Diese Menschen haben nicht vor, auch nur einen Bruchteil ihrer Macht an uns abzutreten. Sie wollen nicht, dass wir über unser eigenes Leben bestimmen dürfen. Für sie sind wir Sklaven. Und diejenigen, die schweigen, gerade jetzt schweigen, signalisieren den Eliten, dass sie diese Knechtschaft annehmen.

Die Revolution wird nicht im Fernsehen übertragen, sie wird auch nicht in den Sozialen Medien ihren Sieg feiern

Viel zu lange schon haben sich Aktionen zur Verteidigung von Assange – und ganz allgemein Protestaktionen gegen das Imperium -, auf die virtuelle Sphäre konzentriert, also auf das Internet und die Sozialen Medien. Auch wenn Internet und Soziale Medien wichtige Instrumente zur Verbreitung von Informationen sind, wird ihre diesbezügliche Nutzung so heftig wie noch nie unterdrückt, und es wird nicht mehr lange dauern, bis die Sozialen Medien komplett zensiert und keinerlei abweichende Meinungen mehr enthalten werden. Wenn wir bis zu diesem Tag warten und all unsere Hoffnungen auf die Sozialen Medien setzen, schneiden wir uns ins eigene Fleisch – und dies könnte sich durchaus als tödlich erweisen.

Wir können nicht weiter vor der Welt fliehen und uns in die uns – vor allem online – verbliebenen Annehmlichkeiten zurückziehen, während die Welt in Flammen aufgeht. Assange mag der erste Journalist sein, der unter diesen Umständen verhaftet und ausgeliefert wird, aber er wird nicht der letzte sein. Was wir jetzt tun, wird darüber bestimmen, wie weit sie gehen werden.

Die USA und ihre Bündnispartner bereiten sich auf mehrere Kriege vor – viele davon gegen viel größere Länder als den Irak – und diese Kriege könnten Irak und Afghanistan wie kleine Scharmützel aussehen lassen. Den Menschen hinter Assanges Verhaftung und hinter den ewigen imperialen Kriegen sind unsere Tweets oder Facebook-Kommentare egal. Sie wollen, dass wir uns weiter auf die virtuelle und nicht auf die reale Welt konzentrieren, in der sie gerade ihre Macht konsolidieren.

Jetzt ist es an der Zeit, Widerstand zu leisten. Jetzt ist es an der Zeit zu beharren. Jetzt ist es an der Zeit, auf die Straße zu gehen, mit unseren Nachbarn, unserer Familie, unseren Mitarbeitern über die Gefahren zu sprechen, denen wir ausgesetzt sind. Je länger wir warten, desto schlimmer werden die Zustände werden. Wir sind an einem Wendepunkt angekommen. Lassen wir sie nicht gewinnen.


Whitney Webb lebt in Chile und schreibt unter anderem für MintPress News, Global Research, EcoWatch, the Ron Paul Institute und 21st Century Wire. Sie hat 2019 den Serena Shim Award für kompromisslose Integrität im Journalismus gewonnen.


Quelle und Kommentare hier:
https://www.rubikon.news/artikel/lasst-sie-nicht-gewinnen