Kurt Eisner und die Lügen über die deutsche Kriegsschuld

von Angelika Eberl und Herbert Ludwig

Die alliierten Lügen über die Alleinschuld Deutschlands am Ersten Weltkrieg, die zum folgenreichen Versailler Diktat führten, wurden im November 1918 auch gezielt durch den damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner verbreitet, der den Siegermächten die Einsicht des revolutionären Deutschlands in die eigene Schuld beweisen und einen günstigeren Friedensvertrag für Bayern erreichen wollte.

Kurt Eisner starb heute vor 100 Jahren, am 21. Februar 1919, durch einen feigen Mordanschlag.

Wer war Kurt Eisner?

Kurt Eisner (1867-1919) studierte nach dem Abitur in Berlin Philosophie und Germanistik, gab das Studium aber nach 3 Jahren auf,

arbeitete als Journalist für eine Reihe von Zeitungen und Zeitschriften, unter anderem für die Frankfurter Zeitung und die Hessische Landeszeitung“ (Wikipedia)

und trat als Nietzsche-Kritiker hervor. Als Zeit-, insbesondere Monarchie-Kritiker wurde er 1897 wegen „Majestätsbeleidigung“ zu neun Monaten Gefängnis verurteilt.

1898 trat er in die SPD ein, trotz Bedenken gegen den dort vorherrschenden Marxismus, den er mit seinem durch die Philosophie Kants und die Aufklärung geprägten ethischen Sozialismus nicht in Einklang bringen konnte.

Er wurde ein führendes Redaktionsmitglied im Parteiorgan „Vorwärts“, das er jedoch 1905 im Konflikt mit Marxisten verließ. Er blieb aber Mitglied der Partei und arbeitete die folgenden Jahre als freier Schriftsteller, Journalist für verschiedene, z.T. auch sozialdemokratische Zeitungen und schließlich selbstständiger Herausgeber einer Pressekorrespondenz „Arbeiter-Feuilleton“, die Organe der Partei und zahlreiche kleinere Zeitungen mit Feuilleton-Artikeln versorgte.

„Am 27. Juli 1914 hielt Eisner die Rede bei der zentralen Friedenskundgebung der Münchner Sozialdemokratie. Darin betonte er, in der Politik des zaristischen Russlands liege die größte Gefahr für den Frieden. Er forderte Frankreich, England und Deutschland auf, gemeinsam „die Kriegsfurie“ zu „erwürgen“. Wenn der Krieg aber einmal ausgebrochen sei, so der von einer russischen Aggression überzeugte Eisner, müsse man das Vaterland verteidigen“ 1

In der Tat hatte Russland den lokalen österreichisch-serbischen Konflikt zu einem europäischen gemacht, indem es eine Teilmobilmachung anordnete, als Österreich wegen der jahrelangen serbischen Wühlarbeit gegen den Bestand Österreichs , die in den Morden von Sarajevo gipfelte, eine militärische Strafexpedition gegen Serbien plante, ohne den Bestand des Landes damit antasten zu wollen. Ein russisch-österreichischer Krieg musste aber auch den österreichischen Bündnispartner Deutschland mit in den Krieg ziehen und dies wiederum das mit Russland verbündete Frankreich.

Doch von diesen Tatsachen kam Eisner im Laufe des Krieges immer mehr ab und wandelte sich zum radikalen Pazifisten. Und ab Frühjahr 1915 war er davon überzeugt, dass es Deutschland gewesen sei, das den Weltkrieg vom Zaun gebrochen hätte. Damit stellte er sich gegen die Haltung der Mehrheit der SPD-Fraktion im Reichstag und im bayerischen Landtag. 1917 spaltete sich der Antikriegs-Flügel der Partei als Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) von der SPD ab. Eisner gehörte zu den führenden USPD-Begründern in Bayern und wurde die Leitfigur der von ihm aufgebauten Münchner USPD.

Die bayerische Räterepublik

Nachdem er im Rahmen einer reichsweiten politischen Streikwelle im Januar 1918 den Streik der Münchner Munitionsarbeiter organisiert hatte, wurde er am 31. Januar 1918 in München verhaftet und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Das Gefängnis konnte er jedoch als Kandidat für eine Reichstagsnachwahl am 14. Oktober verlassen.

Nun wurde er der führende Kopf der revolutionären Umwälzungen in Bayern. Ausgehend von der Meuterei der Marine in Wilhelmshaven und dem Kieler Matrosenaufstand vom 4. November kippte die Lage am 7. November 1918 zuerst in München.

Gewerkschaften, SPD und USPD hatten zur gemeinsamen Massenkundgebung auf der Theresienwiese gerufen. Man forderte den sofortigen Waffenstillstand, die Abdankung des deutschen Kaisers, uneingeschränkte Redefreiheit und Demokratie – aber auch die Einführung einer Arbeitslosenversicherung und des Achtstundentages. Während der SPD-geführte Zug sich nach der Kundgebung auflöste, ergriffen radikale bayerische Bauern mit Eisners USPD die Initiative.

Die kriegsmüden Münchener Garnisonssoldaten schlossen sich den Aufständischen an. Am Abend gründete sich der Arbeiter- und Soldatenrat, der Eisner zum ersten bayerischen Ministerpräsidenten ernannte. Noch in der Nacht zum 8. November – und anderthalb Tage bevor Philipp Scheidemann in Berlin die Republik ausrief – verkündete Kurt Eisner das Ende der Monarchie und den Freien Volksstaat Bayern.“ 2

Eisner erklärte auch König Ludwig III. von Bayern und das Haus Wittelsbach für abgesetzt und nannte die neue bayerische Republik einen „Freistaat“. Er strebte an, eine sozialistische Gesellschaft auf der Basis von Gewaltlosigkeit und Freiheit des Einzelnen aufzubauen.

In Eisners rund 100-tägiger Amtszeit als Ministerpräsident Bayerns blieben weitere umstürzende Veränderungen aus, da die Regierung, besonders von den SPD-Ministern, nur als ein Provisorium bis zur angesetzten Landtagswahl betrachtet wurde und zudem verschiedene Vorstellungen über die genauen Strukturen des kommenden Staates zu Konflikten führten. Ein wesentlicher Streitpunkt dabei war die Auseinandersetzung um die Frage der Einführung einer parlamentarischen oder einer Rätedemokratie. Eisner selbst vertrat eine Zwischenposition. Er betrachtete die Räte als eine beratende und kontrollierende Instanz gegenüber einem noch zu wählenden Parlament, wollte ihnen jedoch auf Dauer keine legislative oder exekutive Gewalt übertragen. Die Macht der Räte zu Beginn der Revolution verteidigte er als ein Mittel der Erziehung der Bevölkerung zur Demokratie.“ 3

Eisner war Demokrat, das ganze Volk sollte gefragt werden. Es wurden daher Landtagswahlen auf den 12. Januar 1919 angesetzt. Zu seiner großen Enttäuschung erhielt die USPD aber nur 2,5 %, während auf die neu gegründete Bayerische Volkspartei (BVP) 35 % und auf die SPD 33 % der abgegebenen Stimmen fielen. Auf dem Weg zur konstituierenden Landtagssitzung am 21. Februar 1919, auf der er seinen Rücktritt erklären wollte, wurde Kurt Eisner von dem Studenten und zu dieser Zeit beurlaubten Leutnant im Königlich Bayerischen Infanterie-Leib-Regiment Anton Graf von Arco auf Valley aus unmittelbarer Nähe von hinten mit zwei Schüssen in Rücken und Kopf erschossen.

Eisner und die „deutsche Kriegsschuld“

Wesentlich zu Eisners Wahlniederlage trugen seine Ansichten über die deutsche Kriegsschuld bei und insbesondere seine Veröffentlichungen von geheimen Gesandtschaftsberichten der bayerischen Gesandtschaft in Berlin, die die angebliche deutsche Schuld beweisen sollten. Die Veröffentlichungen hatten aber einen manipulativ verkürzten Charakter.

Eisner war stark beeinflusst von dem Münchner Philosophen und Pazifisten Prof. Friedrich Wilhelm Foerster, der ein heftiger Kritiker der deutschen Kriegspolitik war und den er zum bayerischen Gesandten in Bern ernannte. Die Historikerin Annette Meinke schreibt in ihrer Habilitationsschrift dazu:

Foerster … stand seit Kriegsende in nachrichtendienstlichem Kontakt mit einem Mitarbeiter des amerikanischen Außenministeriums. Dieser hatte ihm Hoffnung gemacht, dass sich die harten Waffenstillstandsbedingungen durch ´Schritte zu einem vollen und offenen Bekenntnis der Schuld und Untaten der deutschen Regierung am Anfang des Krieges und an den Grausamkeiten der Kriegsführung` unter Umständen abmildern ließen.

Eisner selbst, der von der Verantwortung der wilhelminischen Reichsregierung für den Kriegsausbruch zutiefst überzeugt war, … ließ daraufhin am 23. November 1918 einige ausgewählte Berichte der königlich-bayerischen Gesandtschaft vom Juli/August 1914 auszugsweise publizieren.

Von ihrer Machart ähnelten diese Publikationen der aus Kriegszeiten bekannten regierungsamtlichen ´instant history`: Ebenso wie bei den Farbbüchern handelte es sich dabei um eine entkontextualisierte Form der Geschichtspräsentation.

Im Stil einer gerichtlichen Beweismittelsammlung wurden darin vor allem Dokumente präsentiert, welche die Haltung der wilhelminischen Reichsregierung und vor allem die Reichskanzler Bethmann-Hollwegs während der Juli-Krise in einem ausgesprochen schlechten Licht dastehen ließen.“ 4

Bereits Rudolf Steiner sprach 1919 davon, dass Eisners Publikationen „Fälschungen durch Auslassungen“ seien. Steiner versuchte in einem persönlichen Gespräch mit Kurt Eisner und Prof. Wilhelm Foerster, das am 6. oder 7. Februar 1919 in Bern, wo beide jeweils zu Vorträgen weilten, durch Vermittlung des Anthroposophen Hans Kühn zustande kam, Eisner

von seiner Meinung abzubringen, indem ich ihm davon sprach, daß Moltkes Memoiren das Gegenteil von seiner Meinung beweisen.“

Steiner äußerte auch die Erwartung, dass Eisner manche Dokumente bekanntmache, die ebenfalls den Friedenswillen Deutschlands belegen konnten, so z. B. die Tatsache, dass kurz vor Ausbruch des Krieges große Munitionsbestellungen annulliert worden waren, was einen deutschen Kriegswillen ausschließe.5

Was Steiner mit „Moltkes Memoiren“ meinte, waren „Betrachtungen und Erinnerungen“ des deutschen Generalstabchefs Helmuth von Moltke vom November 1914, die nur für seine Frau bestimmt waren, deren Inhalt er aber auch Steiner, den er sehr schätzte, in einem persönlichen Gespräch mitgeteilt hatte. Sie sind inzwischen veröffentlicht.6

Moltkes Erinnerungen an die Tage vor dem Kriegsausbruch

Darin beschreibt Moltke aus seiner genauen Kenntnis der politischen und militärischen Konstellationen in Europa die Haltung des Kaisers und des Reichskanzler Bethmann Hollweg in den letzten Tagen vor dem Kriegsausbruch, wie er sie in Gesprächen selbst erlebt hatte.

Er sah in der Einmischung Russlands in den lokalen serbisch-österreichischen Konflikt eine zwangsläufige europäische Kettenreaktion voraus:

„Es war sicher, dass Deutschland aktiv an einem Krieg teilnehmen werde, der die Existenz der österreichisch-ungarischen Monarchie ernsthaft bedrohte und ebenso sicher, dass Frankreich
(durch vertragliche Bindung) an der Seite Russlands stehen werde. (…)

Die englische Diplomatie hatte es verstanden, sich von bindenden Verträgen freizuhalten, sich die Politik der freien Hand zu wahren. Es waren allerdings Verabredungen zwischen England, Frankreich und Belgien für den eventuellen Fall einer Kooperation getroffen. (…)

Blieb somit die Haltung Englands bei Ausbruch des Krieges zweifelhaft, so sprach doch alle Wahrscheinlichkeit dafür, dass es auf Seiten der Gegner Deutschlands zu finden sein werde, wenn der Krieg zwischen Deutschland und Frankreich ausbrechen sollte.

Die Gelegenheit, den unbequemen Konkurrenten auf dem Weltmarkt aus dem Weg zu räumen, mit einzugreifen, wo die Aussicht vorlag, im Verein mit Russland und Frankreich Deutschland mit Übermacht zu erdrücken; die langjährige, von König Edward VII. eingeleitete Wühlarbeit zur Einkreisung Deutschlands, die Hoffnung, die gefürchtete deutsche Flotte zu vernichten und damit die unbeschränkte Herrschaft der Weltmeere, die Weltherrschaft kurzhin zu erlangen, machten es von vorneherein wahrscheinlich, dass England in der Reihe unserer Feinde zu finden sein werde.

Die Hoffnung unserer Diplomatie, ein gutes Verhältnis zu England anbahnen zu können, die jahrelang die Magnetnadel war, nach der unsere Politik eingerichtet wurde, musste sich als verfehlt erweisen, sobald die brutalen englischen Interessen Gelegenheit finden konnten, sich durchzusetzen. – England hat es immer verstanden, seinen selbstsüchtigen Handlungen ein moralisches Mäntelchen umzuhängen.

So musste auch hier die Verletzung der belgischen Neutralität durch Deutschland (die für dieses wegen des Zwei- bzw. drohenden Dreifrontenkrieges militärisch unumgänglich war, hl) als Vorwand dienen, um Letzterem den Krieg zu erklären. Es mag dahingestellt bleiben, ob England sofort aktiv in den Krieg gegen uns eingetreten sein würde, wenn diese Neutralitätsverletzung nicht erfolgt wäre. Jedenfalls würde es eingegriffen haben, sobald Gefahr sich zeigte, dass Frankreich von uns überwältigt werde.“ 7

„Deutschland hat den Krieg nicht herbeigeführt, es ist nicht in ihn eingetreten aus Eroberungslust oder aus aggressiven Absichten gegen seine Nachbarn. Der Krieg ist ihm von seinen Gegnern aufgezwungen worden, und wir kämpfen um unsere nationale Existenz, um das Fortbestehen unseres Volkes, unseres nationalen Lebens. Damit kämpfen wir um ideale Güter, während unsere Gegner es offen aussprechen, dass ihr Ziel die Vernichtung Deutschlands ist. Nie ist von einem Staat ein gerechterer Krieg geführt worden, und nie hat er ein mehr von idealen Empfindungen bewegtes Volk getroffen.“ 8

Die folgenden Schilderungen Moltkes zeigen, wie die deutschen maßgebenden Persönlichkeiten völlig unfähig waren, sachgemäß aus wirklicher Erkenntnis zu handeln, sich in Bezug auf die Sachlage weitgehend in Illusionen bewegten und mit der Situation restlos überfordert waren:

„Auf die am 30. Juli eintreffende Nachricht, dass in Russland die allgemeine Mobilmachung befohlen sei, hatte der Kaiser die Erklärung: drohende Kriegsgefahr erlassen. Am 1. August befahl Se. Majestät der Kaiser nachmittags 5 Uhr die Mobilmachung für Deutschland. Der 2. August war zweiter Mobilmachungstag.

Ich war auf dem Rückweg vom Schloss nach dem Generalstab, als ich den Befehl erhielt, sofort ins Schloss zurückzukehren, es sei eine wichtige Nachricht eingetroffen. Ich drehte sofort um. Im Schloss fand ich außer Sr. Majestät den Reichskanzler, den Kriegsminister und noch einige andere Herren.

Der Reichskanzler, der, wie schon angedeutet, das wichtigste Ziel seiner Politik darin sah, ein gutes Verhältnis mit England herzustellen, und der merkwürdigerweise bis zu diesem Tage immer noch geglaubt hat, dass sich der allgemeine Krieg, zum mindesten die Teilnahme Englands an demselben vermeiden lassen würde, war augenscheinlich über den Inhalt einer soeben von dem deutschen Botschafter in London, Fürsten Lichnowsky, eingetroffene Depesche freudig erregt. Ebenso Se. Majestät der Kaiser. –

Die Depesche teilte mit, dass der Staatssekretär Grey (Minister des Auswärtigen) dem Botschafter mitgeteilt habe, England wolle die Verpflichtung übernehmen, dass Frankreich nicht in den Krieg gegen uns eintreten werde, wenn Deutschland sich seinerseits verpflichte, keine feindselige Handlung gegen Deutschland zu unternehmen.

Ich muss dabei bemerken, dass auch in Frankreich am selben Tage wie bei uns die Mobilmachung befohlen und dies auch bekannt war. – Es herrschte, wie gesagt, eine freudige Stimmung.

Nun brauchten wir nur den Krieg gegen Russland zu führen! Der Kaiser sagte mir: ´Also wir marschieren einfach mit der ganzen Armee im Osten auf!` – Ich erwiderte, Sr. Majestät, dass das unmöglich sei. Der Aufmarsch eines Millionenheeres lasse sich nicht improvisieren, es sei das Ergebnis einer vollen, mühsamen Jahresarbeit und könne, einmal festgelegt, nicht geändert werden.

Wenn S. Majestät darauf bestehen, das gesamte Heer nach dem Osten zu führen, so würden dieselben kein schlagfertiges Heer, sondern einen wüsten Haufen ungeordneter bewaffneter Menschen ohne Verpflegung haben. – Der Kaiser bestand auf seiner Forderung und wurde sehr ungehalten. (…) Daran, dass es für uns eine Katastrophe herbeiführen müsste, wenn wir mit unserer gesamten Armee nach Russland hineinmarschiert wären, mit einem mobilen Frankreich im Rücken, daran schien kein Mensch zu denken.

Wie hätte England es jemals – selbst den guten Willen vorausgesetzt – verhindern können, dass Frankreich uns in den Rücken fiel! – Auch meine Einwendung, dass Frankreich bereits in der Mobilmachung begriffen sei und dass es unmöglich sei, dass ein mobiles Deutschland und ein mobiles Frankreich sich friedlich darauf einigen würden, sich gegenseitig nichts zu tun, blieb erfolglos.

Die Stimmung wurde immer erregter, und ich stand ganz allein da. Schließlich gelang es mir, Se. Majestät davon zu überzeugen, dass unser Aufmarsch, der mit starken Kräften gegen Frankreich, mit schwachen Defensivkräften gegen Russland gedacht war, planmäßig auslaufen müsste, wenn nicht die unheilvollste Verwirrung entstehen solle. Ich sagte dem Kaiser, dass es nach vollendetem Aufmarsch möglich sein werde, beliebig starke Teile des Heeres nach dem Osten zu überführen.“ 9

All das zeigt jedenfalls, dass die Kriegsschuld-These, die deutsche Politik habe seit Jahren ziel- und planvoll und kaltblütig einen großen Krieg herbeigelotst, nicht stimmen kann.

Verbindung Eisners mit Agenten des US-Außenministeriums

Oben wurde die Historikerin Annette Meinke zitiert, dass der Eisner-Vertraute Prof. Friedrich Wilhelm Foerster in nachrichtendienstlichem Kontakt mit einem Mitarbeiter des amerikanischen Außenministeriums gestanden habe. Dies galt auch für Kurt Eisner.

In der linken „Revolutions-Zeitung“ heißt es zu Kurt Eisner und den Ereignissen im November 1918:

„12.11.1918
Bitte um Milderung der Waffenstillstandsbedingungen an die USA
, München – Bern – Washington * Professor Dr. Friedrich Wilhelm Foerster wird von Ministerpräsident Kurt Eisner zum bayerischen Gesandten in Bern berufen.

Der international anerkannte Pazifist nimmt umgehend Kontakt zum amerikanischen Pazifisten (!!!) George D. Herron auf. Dieser leitet Eisners Bitte um Milderung der Waffenstillstandsbedingungen umgehend an den US-Präsidenten Woodrow Wilson weiter.“ 

*

 „17.11.1918
Die Vertrauenswürdigkeit der bayerischen Regierung herausgestellt, Washington – München * Der amerikanische Pazifist George D. Herron berichtet Kurt Eisner: „Ich habe mein möglichstes getan, um den Präsidenten Wilson und die Entente-Regierungen zu überzeugen, dass Ihre Regierung vertrauenswürdig ist“.

Herron drängt Eisner zu einem „vollen und offenen Bekenntnis der Schuld und Untaten der deutschen Regierung am Anfang des Krieges und an den Grausamkeiten der Kriegsführung. […] Die moralische Wirkung einer solchen Handlung wäre gewaltig und entscheidend“. 10

Im Archiv „Bayerische Dokumente zum Kriegsausbruch und zum Versailler Schuldspruch, im Auftrage des Bayerischen Landtages“ findet sich zum 17. November 1918 das vollständige Telegramm des George D. Herron an Eisner und Jaffé (Finanzminister), aus dem die Revolutions-Zeitung Teile zitiert hat, leider in schlechter Digitalisierung:

„Oeorge D« Herron in Genf an Eisner und JaW
Nr. 12:
Telegramm Gent, den 17. November 191 8; 3^^ nachm.

Ich habe mein möglichstes getan, den Präsidenten Wilson und die Entente-Regierungen zu überzeugen, dass Ihre Regierung vertrauenswürdig ist Ihre beiden Telegramme mit meinen Begleitworten versehen wurden unverzüglich an den Präsidenten und an die Entente-Regierungen telegraphiert.

Vor allem rate ich Ihnen dringend, möglichst viele deutsche Staaten zu überzeugen, Ihrer Führung zu folgen, zweitens die ersten Schritte zu einem vollen und offenen Bekenntnis der Schuld und Untaten der deutschen Regierung am Anfang des Krieges und an den Grausamkeiten der Kriegführung zu unternehmen. Die moralische Wirkung einer solchen Handlung wäre gewaltig und entscheidend.

Drittens unternehmen Sie die ersten Schritte zur Berufung einer bayerischen oder deutschen Kommission, die die verheerten Gebiete Frankreichs und Belgiens besuchen und Ihrem Ministerium imverzüglich darüber Bericht erstatten solle. Ich bitte Sie, kühn, offen und unverzüglich zu handeln, nicht nur Deutschlands sondern der Zivilisation und der Menschheit wegen.

George D. Herron“11

Das klingt wie eine Anweisung!

Edgar Jaffé, Eisners Finanzminister, war also G. D. Herron ebenfalls bekannt, worauf auch Franz J. Bauer hinweist:

Edgar Jaffé war ein „Sachverständiger für Bankfragen“, der im Krieg „in einem positiven Verhältnis mit den belgischen Finanz- und Handelskreisen“ stand!

1915, im Krieg, war Jaffé gelegentlich im Auftrag der OHL im Ausland tätig, „so vor allem in der Schweiz, wo er mit dem amerikanischen Vermittler George D. Herron in Verbindung trat.“

Wie Jaffé dazu kam, als Minister in die Regierung Eisner berufen zu  werden, läßt sich nicht eindeutig klären.“ 12

Fazit

Kurt Eisner hat wesentlich dazu beigetragen, dass bis heute die These von der deutschen Kriegsschuld am Ersten Weltkrieg von vielen Menschen geglaubt wird.

Durch die Behauptung, die deutsche Politik habe planvoll den Ersten Weltkrieg herbeigeführt, wurde auch die Kriegsschuld-Klausel innerhalb des Versailler Vertrags von Millionen Menschen akzeptiert und die irrsinnig hohen Reparationszahlungen für berechtigt gehalten.

Diese Reparationszahlungen mit ihren Folgen, z. B. der galoppierenden Inflation von 1923, haben vor allem der deutschen Arbeiterschaft und den kleinen Angestellten am meisten geschadet – also gerade der Gesellschaftsschicht, die Eisner doch schützen und deren Interessen vertreten wollte.

Aus Eisners Verhalten spricht schon eine merkwürdige Naivität. Rudolf Steiner, der Eisners Nietzsche-Kritik durchaus wohlwollend rezensiert hatte, hielt ihn in gewisser Weise doch intellektuell für beschränkt.

„Aber er war ein Mensch aus einem Guss, wie es auch Fanatiker sind, die dann solche Sachen machen, wie sie der Fehrenbach-Prozeß zu Tage gefördert hat.“ 13

Letzteres bezieht sich offenbar auf Felix Fehrenbach, Eisners Privatsekretär, der kurz nach Eisner in einer französischen Zeitschrift ein weiteres Dokument zur angeblichen deutschen Kriegsschuld veröffentlichte und deswegen 1922 von einem „bayerischen „Volksgericht“ zu einer elfjährigen Zuchthausstrafe verurteilt wurde.14

Letztlich ist ja mit dem Versailler Diktat dem Nationalsozialismus der Weg bereitet und der Zweite Weltkrieg veranlagt worden.

Hinweis:
Über die Kriegstreibende Rolle, die einflussreiche Kreise in England im Vorfeld des Ersten Weltkrieges und dann im britischen Kabinett gespielt haben, siehe:

https://fassadenkratzer.wordpress.com/2014/08/04/wie-einflussreiche-kreise-in-england-zum-ersten-weltkrieg-trieben/


1    Wikipedia
2    deutschlandfunkkultur.de
3    Wikipedia
4    Annette Weinke: Gewalt, Geschichte, Gerechtigkeit, S. 70
5    „Doppelheft 24/25 Ostern 1969“: „Die Kernpunkte der sozialen Frage“ der
„Nachrichten der Rudolf-Steiner-Nachlassverwaltung“, S. 24, 23
6    Andreas Bracher/Thomas Meyer (Hrsg.): Helmuth von Moltke 1848-1916.
Dokumente zu seinem Leben und Wirken, Basel 2005, S. 397 ff.
7    a.a.O. S. 398, 399
8    a.a.O. S. 401
9    a.a.O. S. 404-405
10  revolutionszeitung.de
11  archive.org
12  Franz J. Bauer: Die Regierung Eisner 1918/19 – Ministerratsprotokolle
und Dokumente. Band 10  der Reihe: Quellen zur Geschichte des
Parlamentarismus und der politischen Parteien. Düsseldorf , 1987., S. XLIV
13  Anm. 5, S. 24

 

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Quelle und Kommentare hier:
https://fassadenkratzer.wordpress.com/2019/02/21/kurt-eisner-und-die-luegen-ueber-die-deutsche-kriegsschuld/