Kritische Studie über Englands Besatzungspolitik 1945-1950

Von Wolfgang Pfitzner

Patricia Meehan, A Strange Enemy People: Germans Under The British 1945-50, Peter Owen Publishers, 2001, 256 S., £17,99

Man versuche sich vorzustellen, England habe den Zweiten Weltkrieg verloren und sei von den Deutschen besetzt worden. Den herrschenden Schreckensvisionen vom Dritten Reich folgend wären folgende Bilder Teil dessen, was die meisten Menschen erwarten würden:

Ein kleiner Junge wird hingerichtet, weil er ein Bild von Churchill an dessen Geburtstag hochhielt.

Für Diebstahl gibt es die Todesstrafe, desgleichen für den Besitz von Waffen.

Da Erschießungskommandos teuer sind und das Hängen am Galgen zu viel Zeit kostet, bittet die NS-Strafgerichtsbarkeit um die Genehmigung von Enthauptungen mit der Guillotine, womit sich sechs Hinrichtungen in nur 14 Minuten durchführen lassen.

Inzwischen sind Internierungslager in England überall wie Pilze aus dem Boden geschossen. Fast 40.000 britische Zivilisten und Kriegsgefangene, Männer und Frauen im Alter zwischen 16 und 70 Jahren, werden in diesen Lagern ohne Anklage und ohne Erwartung eines Gerichtsverfahrens festgehalten. Darunter befinden sich nicht nur „Kriegsverbrecher“, Schwarzhändler und antideutsche Agitatoren, sondern jeder, der die deutsche Kultur „lächerlich macht oder zerstört“, sowie jeder, der „für die Besatzung oder deren Ziele als Gefahr“ angesehen wird, auch wenn sie keinerlei Verbrechen begangen haben.

Eine englische Mutter von vier Kindern wird ein Jahr lang eingesperrt, weil sie sich in einem Graben versteckte, um ein kurzes Wort mit ihrem Mann zu wechseln, der in einer Zwangsarbeiterkolonne arbeitete.

Die Bedingungen in den Internierungslagern sind brutal. Die Insassen schlafen in ihren Kleidern, zu fünf eng gepackt wie Sardinen in einem aus altem Holz zurecht gezimmerten Bett.

Es gibt dermaßen wenig zu essen, daß die meisten Insassen völlig entkräftet sind.

Familienbesuche sind auf einmal 30 Minuten im Vierteljahr begrenzt.

Die Häftlinge werden häufig in dunklen Kellern gehalten, um sie für Verhöre weichzuklopfen.

Einem Bericht eines mutigen deutschen Bischofs folgend sind sie „schrecklich verprügelt, getreten und dermaßen mißhandelt worden, daß man die Spuren davon noch Wochen danach sehen kann.

Die notorischen Verhörmethoden dritten Grades, bei denen die Opfer mit Licht geblendet und extrem hohen Temperaturen ausgesetzt werden, werden ebenfalls angewendet.“

All das ist wirklich geschehen – allerdings genau umgekehrt, nämlich als Deutschland den Krieg verlor und England den Nordwesten des Landes besetze.

Patricia Meehan, Historikerin und Dokumentarregisseurin der BBC, arbeitete 1945 in Deutschland. Sie hat nun ein Buch über die englische Besetzung Nordwestdeutschlands geschrieben. Was sie über die ersten Jahre der Besetzung schreibt, entspricht ziemlich genau dem Klischee, daß die meisten Menschen heute über die Nationalsozialisten haben.

Neben den oben erwähnten Internierungslagern und den Rückhaltelagern für zurückkehrende Kriegsgefangene gab es noch geheime Lager mit der internen Bezeichnung DIC – Direct Interrogation Centres (Direkte Vernehmungslager).

An einem Tag im Jahr 1947 wurden zwei Insassen des DIC Nr. 74 (Bad Nenndorf) in einem Häftlingskrankenhaus abgeliefert. Der eine Patient war bis aufs Skelett abgemagert, litt an Erfrierungen und war unfähig zu sprechen; der andere war bewußtlos, hatte keinen erkennbaren Puls, war unterkühlt, bis aufs Skelett abgemagert und bedeckt von »einer dicken Dreckschicht; Erfrierungen an Armen und Beinen«. Beide Männer starben innerhalb von Stunden. Ein dritter, der wegen Verdachts auf Drogenhandel verhaftet worden war, beging während einer Vernehmung Selbstmord. Die sich daran anschließende Untersuchung enthüllte die Schrecken von ungeheuerlichen Entbehrungen bis hin zur Folter.

Bei Verletzungen wurden die Männer ohne Betäubung behandelt.
Nach acht Tagen Isolationshaft wurde ein Gefangener in eine ungeheizte Zelle gesteckt, mitten im Winter. Eimer voll kalten Wassers wurden in die Zelle gekippt, das der Gefangene
mit einem Tuch aufwischen mußte. Man nahm ihm seine Jacke und Stiefel weg, und er wurde gezwungen, mit blutenden nackten Füßen zehn Stunden lang auf dem kalten Betonboden zu stehen. Schließlich mußte er auf Händen und Knien zur Vernehmung kriechen.

Der Lagerkommandant und der Chefarzt wurden vom Dienst enthoben und angeklagt. Die ursprünglichen Anklagen wurden allerdings fallengelassen und durch den Vorwurf der unterlassenen Hilfeleistung ersetzt. Alle diese Verfahren verliefen im Sande, und alle Angeklagten konnten die Armee in allen Ehren verlassen.

Das Schlagzeilen machende Lager von Bad Nenndorf war sicherlich ein extremer Fall. Für den Revisionismus ist dieses Lager aber von nicht zu unterschätzender Wichtigkeit, denn hier wurden die Geständnisse wichtiger „Kronzeugen“ für den Holocaust erprügelt und erfoltert, wie zum Beispiel von Oswald Pohl, ehemals Chef des SS Wirtschafts-Verwaltungshauptamtes, verantwortlich für die Konzentrationslager des Dritten Reiches.

Rudolf Höß, der ehemalige Lagerkommandant von Auschwitz, wurde von den Briten in Minden „behandelt“, nachdem er schon bei seiner Gefangennahme schwer gefoltert worden war.

Es ist begrüßenswert, daß die bisher nur von Revisionisten vorgelegten Beweise über dieses Folterlager nun von einer britischen Historikerin des dortigen Staatsfernsehens bestätigt werden.

Die britische Besatzungszone war womöglich die am schwersten geprüfte westliche Zone nach dem Krieg, denn sie hatte am meisten unter den alliierten Fliegerangriffen gelitten und mußte nach Kriegsende die meisten Flüchtlinge aus Ost- und Mitteldeutschland aufnehmen.

Meehan beschreibt den langsamen Wandel der britischen Besatzungspolitik. Angesichts des Elends der deutschen Zivilbevölkerung hätte der durchschnittliche Tommy womöglich mit Sympathie reagiert, aber seiner Majestät Regierung schob dem einen Riegel vor. Auf Befehl aus London ordnete Feldmarschall Montgomery eine strickte Politik der „Nicht-Fraternisierung“ an. Er instruierte:

»Halte dich vom Deutschen fern – Männern, Frauen, Kindern – es sei denn, deine Pflicht macht einen Kontakt unerläßlich. Du darfst weder mit ihnen gehen, ihre Hand schütteln oder sie besuchen.«

Man durfte Kinder weder anlächeln noch mit ihnen Spielen.

Soldaten, die Kinder auf ihre Fahrzeuge klettern ließen, wurden angeklagt.

Montgomery brauchte drei Monate, um London vom Unsinn dieses Befehls zu überzeugen, und weitere drei Monate, bevor das Kabinett den Befehl aufhob. Die Beziehungen zwischen den Eroberern und den Eroberten entspannten sich danach umgehend, ein System der Apartheid bleibt allerdings bestehen. Briten und Deutsche reisten in unterschiedlichen Waggons. Sie besuchten je andere Kirchen und saßen in verschiedenen Kinos und Konzerthallen. Die Ehefrauen der Offiziere wurden im voraus gewarnt, wenn Deutsche bei Tanzveranstaltungen anwesend waren.

All dies war unnatürlich und behinderte jeden Aspekt der Verwaltung in Deutschland. Im November 1945 gab das britische Außenministerium Richtlinien heraus, denen die Besatzer Folge zu leisten hatten:

»Der primäre Zweck der SPRINGERSTIEFEL-Besetzung ist Zerstörung und Vorbeugung, und unsere Maßnahmen der Zerstörung und Vorbeugung werden nur von folgenden Überlegungen begrenzt:

(1) die Sicherheit und das Wohl der Besatzungstruppen,

(2) die Vermeidung von Unruhen im deutschen Volk,

(3) allgemeine menschliche Überlegungen.«

Als Folge dessen wurden alle Deutschen in den ersten Jahren kollektiv als schuldig angesehen, mit der Ausnahme einiger weniger deutscher Experten. Die Ignoranz begann an der Spitze. Englands neuer Premierminister Clement Attlee hatte seine Zeit als Infanterieoffizier in den Schützengräben des Ersten Weltkrieges nicht vergessen. Er vertraute einst dem verstorbenen Lord Longford an, daß er die Deutschen schon immer verachtet habe. Sein Außenminister Ernest Bevin erklärte:

»Ich versuche, ihnen gegenüber fair zu sein, aber ich hasse sie, wirklich.«

Keiner von beiden hat die britische Besatzungszone je besucht. Die britische Einstellung gegenüber den Deutschen hatte sich seit Ausbruch des Krieges stetig verhärtet. Schon zur Vorkriegszeit hatte die Maxime gelautet:

»Alle Deutschen sind intelligent, ehrbar und für Hitler, aber niemals alles drei zugleich.«

Die Feindschaft der Medien spielte und spielt immer noch eine wichtige Rolle. Die Zeitungskorrespondenten in Deutschland arbeiteten unter der stillschweigenden Anweisung, keine Berichte zu übermitteln, die die Deutschen in ein gutes Licht rückten. Dies ist eine Generallinie, die sich erst mit dem Besuch der Königin in Deutschland anno 1965 etwas gelockert hat.

Drei Faktoren trugen dazu bei, daß der Versuch der britischen Verwaltung, die Lage in ihrer Verwaltungszone in den Griff zu bekommen, fehlschlug, und zwar trotz des Kooperationswillens der einheimischen Bevölkerung.

Da war zunächst das von Roosevelt initiierte Dogma, daß kein ehemaliges NS-Mitglied eine öffentliche Anstellung oder eine wichtige Stellung in der Wirtschaft einnehmen durfte, was dazu führte, das Wirtschaft wie Verwaltung weitgehend lahmgelegt wurden.

Der zweite Grund war die Tatsache, daß die Briten nicht zur Kenntnis nahmen, daß Teile der deutschen Bevölkerung den Nationalsozialisten durchaus kritisch oder ablehnend gegenübergestanden hatten. Die britische Propaganda zog es vor, die Deutschen als einheitlichen feindlichen Block darzustellen, gegen den man das eigene Volk leichter in den Krieg hetzen konnte. Als Ergebnis dessen hatte auch die Besatzungsverwaltung kein differenziertes Bild von den Deutschen.

So wurde zum Beispiel allen britischen Ankömmlingen eine Schrift des Titels The German Charakter (Der deutsche Charakter) ausgehändigt, in dem die Deutschen pauschal als mit

»fanatischer Willenskraft, fanatischem Arbeitseifer und Opfermut«

beseelt beschrieben wurden und worin deren angeblicher Sadismus, Fatalismus und angebliche Sentimentalität hervorgehoben wurde mit der Warnung, jeder

»Versuch, freundlich und versöhnlich zu sein, wird als Schwäche ausgelegt werden«.

Nachdenkliche Briten mögen angesichts dessen die Stirn gerunzelt haben, aber die in der britischen Zentralverwaltung eingesetzten Rekruten bestanden vornehmlich aus Männern mangelhaften Kalibers. Es waren dies demobilisierte Soldaten und Offiziere ohne Aussichten im Zivilleben; mit den Worten eines Memos des britischen Außenministeriums

»pensionierte Gullyinspektoren, erfolglose Geschäftsleute und arbeitslose ehemalige Polizisten«.

Kaum einer von ihnen sprach deutsch, und da ihnen eingeredet worden war, daß alle Deutschen gleich gefährlich seien, hielten sie alle Deutschen auf Abstand. Dieser miserable Standard war der dritte Grund, warum die Besatzung keine der anstehenden Probleme lösen konnte.

Unter diesen Umständen wurde das Entnazifizierungsprogramm zu einem Alptraum nicht nur für die Deutschen, sondern auch für die britischen Besatzer, die die Entnazifizierungsbögen der Deutschen kaum verstehen konnten und keinerlei Ahnung von den Realitäten des Lebens im Dritten Reich hatten.

Die Deutschen witzelten in diesem Zusammenhang über Hitlers Tausendjähriges Reich – 12 Jahre Nationalsozialismus und 988 Jahre Entnazifizierung. Die britische Verwaltung gab dann auch bald nach und konzentrierte sich nur auf die Angestellten im mittleren und höheren öffentlichen Dienst.

Im Oktober 1947 schließlich übergab es die Entnazifizierung in die Hände der neu eingerichteten deutschen Landesverwaltungen. Schließlich hatte man auch ohne die Entnazifizierung alle Hände voll zu tun, so etwa bei der Demontage der deutschen Industrie und bei der größten Zensurwelle, die die Welt je gesehen hatte. So legten die Briten Hand an Dinge, von denen selbst die Nationalsozialisten die Finger gelassen hatten, etwa bei der kritischen Durchsicht des deutschen Liedguts.

Ende 1946 bestand die britische Zentralverwaltung aus 24.785 Angestellten: Die Amerikaner hatten dagegen nur 5.008. Diese Überbesetzung brachte Langeweile, Trunkenheit und Korruption mit sich. Schließlich lebten die Briten in einem Land, in dem sie alles auf dem Schwarzmarkt bekommen konnten.

Die Deutschen dagegen lebten am Existenzminimum. Im Durchschnitt hatten sie 1.500 Kalorien pro Tag. Zuviel zum Sterben und zuwenig zum Leben. Zigaretten waren die einzige funktionierende Währung, und der Handel fand auf dem Schwarzmarkt statt.

Sogar junge Frauen aus guten Familien hatten nichts mehr anzubieten als ihren Körper – falls sie sich nicht den Trümmerfrauen anzuschließen vermochten, die die Ruinen der deutschen Städte langsam aufräumten und ungezählte Tausende halbverwester Leichen bargen.

Auf einen jungen Mann kamen drei junge Frauen. Im Dezember 1946 boten 500.000 Frauen ihren Körper als Zahlung für westliche Waren an.

In der britischen Zone, wo eine Zigarette fünf Reichsmark kostete, litten 80% aller jungen Frauen an Geschlechtskrankheiten, so daß man Penicillin aus England einfliegen mußte. Mit
der Begründung, daß der moralische Standard deutscher Frauen so niedrig sei, vereinbarte die britische Armee mit seiner Majestät Regierung, daß die britischen Soldaten von jeder Unterhaltspflicht für gezeugte Kinder befreit seien.

Diese Gefühlskälte wurde durch die Greuelpropaganda verstärkt, die die Alliierten mit jenen Schreckensbildern betrieben, die sie in den befreiten Konzentrationslagern aufnahmen. Die objektiven Hintergründe für das Massensterben in den deutschen Lagern bei Kriegsende wurden freilich unterschlagen, und auch die Autorin dieses Buches verfällt mangels besseren Wissens leider dieser Propaganda.

Im Mai 1947 wurde eine neue Anweisung erlassen:

»Wir sollten uns den Deutschen gegenüber so verhalten, wie sich ein christliches Volk einem anderen gegenüber und eine zivilisierte Rasse einer anderen gegenüber verhält, deren Interessen in vielerlei Hinsicht mit den unseren übereinstimmen und für die wir keine Mißgunst mehr verspüren.«

Das Problem war allerdings, daß dem britischen Personal in Deutschland über viele Jahre hinweg eingetrichtert worden war, die Deutschen seien eine Rasse von Untermenschen.

Das Verhalten der Besatzer änderte sich daher nur langsam. Erst im Juli 1951, sechs Jahre nach Kriegsende, erfolgt die formale Erklärung des Endes des Kriegszustandes mit Deutschland. Die Besatzung war damit zwar beendet, aber die Armee blieb.

Patricia Meehans Buch bringt den britischen Lesern ein unangenehmes Kapitel nahe. „Selbstverständlich“ wird es dem britischen Leser dadurch schmackhaft gemacht, indem erwartungsgemäß festgestellt wird, daß angesichts der „Nazi-Greuel“ das Fehlverhalten der Briten verständlich sei, daß man weit weniger grausam gewesen sei, als es die Deutschen gewesen wären, wenn sie denn gewonnen hätten (woher Meehan das weiß, bleibt unerfindlich), und daß die Osteuropäer nach Kriegsende ja viel grausamer gewesen seien als man selbst. Als Ausgleich dafür waren die Briten allerdings während des Krieges viel grausamer. Wenn man von diesen Verzerrungen einmal absieht, so kann man dieses Buch nur willkommen heißen.

Anmerkungen
1 O. Pohl, »Letzte Aufzeichnungen«, in U. Walendy, Historische Tatsachen Nr. 47, Verlag für Volkstum und Zeitgeschichtsforschung, Vlotho 1991, S. 35ff.

2 Robert Faurisson, »Wie die Briten zu dem Geständnis von Rudolf Höss, Kommandant von Auschwitz, gekommen sind«, Deutschland in Geschichte und Gegenwart 35(1) (1987), S. 12-17.

3 Erstmalig vom IMT-Verteidiger Rudolf Aschenauer, Macht gegen Recht, Arbeitsgemeinschaft für Recht und Wirtschaft, München 1952, S. 72.


Quelle und Kommentare hier:
http://de.scribd.com/doc/33457838/1-02