„Klapperschlangen zerquetschen“ – Wie die USA vor 75 Jahren den Kriegseintritt Deutschlands provozierten

von Jan von Flocken

Die deutsche Kriegserklärung an die USA vor 75 Jahren war das Ergebnis gezielter militärischer Provokationen durch Präsident Roosevelts Marine

Deutschlands Außenminister Joachim von Ribbentrop beorderte am Mittag des 11. Dezember 1941 den US-Geschäftsträger in Berlin, Leland B. Morris, ins Auswärtige Amt, Wil­helmstraße Nr. 75/76. Dort teilte er ihm offiziell mit:

„Nachdem die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika seit Ausbruch des durch die englische Kriegserklärung an Deutschland vom 3. September 1939 heraufbeschworenen europäischen Krieges alle Regeln der Neutralität in immer steigendem Maße zugunsten der Gegner Deutschlands auf das flagranteste verletzt, sich fortgesetzt der schwersten Provokationen gegenüber Deutschland schuldig ge­macht hat, ist sie schließlich zu offenen militärischen Angriffshandlungen übergegangen. […] Die Reichsregierung hebt deshalb die diplomatischen Bezie­hungen zu den Vereinigten Staaten von Amerika auf und erklärt, daß sich unter diesen durch den Präsidenten Roosevelt veranlaßten Umständen auch Deutsch­land von heute ab als im Kriegszustand mit den Vereinigten Staaten von Ameri­ka befindlich betrachtet.“

Ribbentrop verabschiedete den US-Diplomaten mit dem Satz:

„Ihr Präsident wollte den Krieg, jetzt hat er ihn!“

Am selben Tag trat um 15 Uhr Adolf Hitler vor die Abgeordneten des Deut­schen Reichstages und erläuterte die Hintergründe der Kriegserklärung. In seiner mehr als zweistündigen Rede lautete der Kernsatz:

„Deutschland und Italien haben demgegenüber sich nun­mehr endlich gezwungen gesehen, ge­treu den Bestimmungen des Dreimächtepaktes vom 27. September 1940 Seite an Seite mit Japan den Kampf zur Ver­teidigung und damit zur Erhaltung der Freiheit und Unabhängigkeit ihrer Völ­ker und Reiche gegen die Vereinigten Staaten von Amerika und England ge­meinsam zu führen.“

Für politisch interessierte Menschen kam dieser Schritt durchaus nicht über­raschend. Vier Tage zuvor war durch den japanischen Angriff auf die US-Festung Pearl Harbor in Hawaii der bis dahin weitgehend auf Europa beschränkte Konflikt endgültig zum Weltkrieg eskaliert. Davor hatte es allerdings schon eine unerklärte bewaffnete Kontroverse zwischen den USA und Deutschland gegeben.

„Seit Kriegsbeginn hat sich der amerikanische Präsident Roosevelt in steigendem Maße völkerrechtswidrige Verbrechen zuschulden kommen las­sen.“,

klagte Hitler in seiner Reichstags­rede vom 11. Dezember.

„Gesetzlose Übergriffe auf Schiffe und sonstiges Eigentum deutscher und italienischer Staatsbürger verbanden sich mit der Bedrohung, ja der willkürlichen Beraubung der persönlichen Freiheit der Betroffenen durch Internierung usw.“

Was aus Hitlers Mund wie blanke Propaganda klingt, besaß tatsächlich ei­nen wahren Hintergrund. Seit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs hatte sich die US-Regierung unmißverständlich hin­ter die Westalliierten gestellt. Vor allem Großbritannien wurden alle erdenklichen wirtschaftlichen und finanziellen Vorteile eingeräumt. Das bewegte sich noch im Rahmen der Neutralitätsgeset­ze des Landes. Da sich laut Meinungs­umfragen 80 bis 85 Prozent aller Bürger der USA gegen einen Kriegseintritt ihres Landes aussprachen, mußte Präsident Franklin D. Roosevelt zunächst noch vorsichtig agieren. Seine zweite Wieder­wahl Ende 1940 erreichte er nur durch das feierliche Versprechen an die Mütter Amerikas, niemals werde er ihre Söhne in einem Krieg verbluten lassen.

Nachdem die Wiederwahl perfekt war, arbeiteten Roosevelt und sein „Gehirntrust“ – eine Art unautorisierte Nebenregierung – zielstrebig auf einen bewaffneten Konflikt mit den Verbün­deten Japan, Deutschland und Italien hin. Während der ersten elf Monate 1941 eskalierte die Situation immer bedrohlicher. Am 31. Januar landeten US-Hilfstruppen und Marineflieger erstmals in Kanada, das als britisches Dominion mit Deutschland im Krieg lag. Am 11. März verkündete Roosevelt, US-amerikanische Kriegsschiffe wür­den künftig Handelskonvois der Briten über den westlichen Atlantik schützen. Drei Wochen später wurden 65 deut­sche und italienische Handelsschiffe in US-Häfen unter „protective custody“ (Schutzhaft) gestellt.

Am 3. April beorderte der US-Präsident ein Viertel der Pazifik-Flotte, darunter drei Schlachtschiffe und ein Flugzeugträger, in den Atlantischen Ozean. Hier begann eine Woche später der unerklärte Krieg zwischen den Ver­einigten Staaten und Deutschland. Er­stes Menetekel war am 11. April die Konfrontation des US-Zerstörers „Niblack“ mit einem deutschen U-Boot vor der isländischen Küste. Von beiden Seiten wurden Wasserbomben beziehungswei­se Torpedos abgefeuert, es kam aber zu keinen Schäden.

4.000 US-Marineinfanteristen lan­deten am 7. Juli 1941 auf Island. Sie lösten dort britische Truppen ab, die die Insel unter Bruch ihrer Neutralität ein Jahr zuvor besetzt hatten. Von islän­dischen Stützpunkten aus beobachteten die Amerikaner deutsche U-Boote und leiteten deren exakte Fahrtrouten an die britische Marine weiter.

Die Kette unfreundlicher Akte ließ nicht mehr ab. „Roosevelt brauchte den japanischen Angriff“, konstatiert Ha­milton S. Fish, langjähriger Abgeordne­ter der Republikaner im US-Kongreß, in seinem Buch The Other Side of the Coin (deutsch: Der zerbrochene Mythos).

„Zunächst versuchte der Präsident dadurch weiterzukommen, daß er auf jede nur erdenkliche Weise Deutsch­land provozierte.“

Am 14. Juni 1941 wurden sämtliche deutschen und italie­nischen Vermögenswerte in den USA beschlagnahmt. Zwei Tage danach muß­ten alle deutschen Konsulate schließen, ihre Diplomaten wurden ausgewiesen. Roosevelt erklärte den Nordatlantik zum „amerikanischen Interessengebiet“. Dort wuchs die Gefahr militärischer Zusammenstöße.

Dennoch befahl Hit­ler am 21. Juni dem Führer der U-Boote, Admiral Karl Dönitz, er solle seinen Kommandanten streng verbieten, auf US-Schiffe zu schießen – nur wenn sie direkt angegriffen würden, sei Gegen­wehr gestattet. Kurz vor dem Einmarsch in die Sowjetunion wollte die deutsche Führung auf keinen Fall einen kriegerischen Konflikt mit den USA riskieren, deren gewaltiges militärisches Potential man durchaus realistisch ein­schätzte.

Auf dem Atlantischen Ozean tobte der Konflikt weiter. Am 4. September 1941 kam es vor Island zum Kampf zwischen dem US-Zerstörer „Greer“ und dem deutschen U-Boot U 657. Weil der Kommandant die „Greer“ für ein englisches Schiff hielt, feuerte er zwei Torpedos ab. Der Amerikaner konnte ihnen ausweichen und verfolgte das U-Boot mit Wasserbombenbeschuß. Daraufhin erließ Roosevelt am 11. September einen Schießbefehl an alle Ein­heiten der US-Kriegsmarine („shoot on sight order“) gegen deutsche U-Boote. Der Präsident drohte, seine Navy werde „die Klapperschlangen des Atlantiks zerquetschen“. Der unerklärte Krieg hatte unwiderruflich begonnen.

Die ersten Todesopfer folgten rasch. Am 17. Oktober (…)

Auch im Südatlantik spitzte sich die Lage zu. Am 6. November wurde das deutsche Handelsschiff „Odenwald“ mit einer Kautschuk-Ladung vor der Küste von Brasilien durch den US-Kreuzer „Omaha“ gekapert und in einen Hafen verschleppt.

Diese Vorfälle wurden von beiden Seiten nach Kräften propagandistisch ausgeschlachtet. Die von Joseph Goeb­bels gelenkte Presse berichtete in gro­ßer Aufmachung. Daher hielt sich die Beunruhigung vieler Deutscher über den nun realen Konflikt mit der Groß­macht USA sehr in Grenzen. Eine Mel­dung des Sicherheitsdienstes (SD) der SS vom 15. Dezember stellte fest:

„Die Kriegserklärung an die USA kam keinesfalls überraschend und wurde viel­fach als offizielle Bestätigung eines in Wirklichkeit bereits bestehenden Zu­standes gewertet.“

Die Bevölkerung war sich darüber im klaren,

„daß Deutschland den USA nie das geringste in den Weg gelegt habe und die Kriegs­schuld somit einzig und allein auf sei­ten der USA liege, die […] den Krieg vom Zaun gebrochen haben“.

Dafür spricht auch eine heute weit­gehend unbekannte Tatsache. Am Mor­gen des 4. Dezember 1941, drei Tage vor dem Angriff auf Pearl Harbor, ver­öffentlichten mehrere Tageszeitungen in den USA (Chicago Tribune, Washing­ton Times-Herald und New York Daily News) unter der Schlagzeile „Roosevelts Kriegspläne“ ein geheimes Dokument, das von einem Hauptmann aus der Planungsabteilung des Kriegsministe­riums (War Plans Division) zugespielt worden war. Darin hieß es unter anderem,

„daß Washington beabsichtigt, eine Expeditionsstreitmacht von fünf Millionen Soldaten für eine endgültige Invasion gegen Deutschland und die anderen Achsenmächte zusammenzuziehen“.

Ein Extrakt dieses Artikels ging von der deutschen Botschaft so­fort telegraphisch an das Oberkom­mando der Wehrmacht.

Man war in Berlin somit gewarnt. Daß die deutsche Kriegserklärung zu einem Zeitpunkt kam, als an der Ost­front eine gewaltige Offensive der Roten Armee losbrach, ist sicherlich Zufall. Einen kleinen innenpolitischen Vorteil brachte es dennoch: Alle Aufmerksam­keit der deutschen Bevölkerung wurde auf den fernöstlichen Kampfschauplatz gerichtet, wo die Japaner einen Erfolg nach dem anderen erzielten, und gleich­zeitig konnte man vom Scheitern der Wehrmacht im Osten ablenken. So meldete der SS-Sicherheitsdienst am 18. Dezember 1941:

„Das Interesse an den Kampfhandlungen im Osten ist in­folge Ausbleibens größerer Erfolgsmel­dungen auch weiterhin nur gering.“


Quelle und Kommentare hier:
http://zuerst.de/2016/12/25/klapperschlangen-zerquetschen-wie-die-usa-vor-75-jahren-den-kriegseintritt-deutschlands-provozierten/