Kashoggi – Ein Gruselschocker aus der Kopf-Ab-Dynastie

“Räuberpistole” ist als Genre-Bezeichnung wohl zu schwach für die Story um den verschwundenen saudischen Journalisten Jamal Kashoggi, der einen Besuch in der Botschaft in Istanbul nicht überlebte, weil Fachkräfte des saudischen Geheimdiensts ihn dort ermodet und in Einzelteile zerlegt außer Haus geschafft haben sollen. 

Das klingt wie der Einstieg zu einem James Bond Film, wobei aber noch ziemlich unklar ist, welche Motive die “Bösen” für diese Metzgerei hatten und wie die “Guten” darauf reagieren, dass Saudi-Arabien eine der letzten Feudaldiktaturen auf Erden ist hat die “Guten” –  unsere “Werte”-Regierungen in Washington, London und Berlin – bis dato ja nicht davon abgehalten, glänzende Waffengeschäfte mit dem Königreich zu machen.

Und wir dürfen gespannt sein mit welchem Spin jetzt dafür gesorgt wird, dass auch eine solche Schlächterei nicht zu geschäftsschädigenden Verstimmungen führt. Nachdem die Prinzen sauer waren, weil ihnen Außenminister Sigmar Gabriel “politisches Abenteurertum” vorgeworfen hatte, hat sich sein Nachfolger Heiko Mass dafür Ende September untertänigst entschuldigt.

Und als im Mai die Kanzlerin in Jeddah einschwebte, tönte die “Tagessschau”, dass die saudische Kopf-Ab-Dynastie unter Kronprinz Mohamed Bin Salman (MBS) ja viel besser sei als ihr Ruf.

Mit dem guten Ruf scheint es jetzt vorbei zu sein und die saudische Erklärung, dass Kashoggi bei einem Verhör “versehentlich” gefoltert und getötet wurde, klingt zu grotesk, als dass sie von den westlichen Regierungen oder von Erdogan einfach angenommen werden könnte.

Da die türkische Regierung behauptet, im Besitz von Videomaterial über den Mord zu sein, stellt sich nunmehr die Frage, was MBS für diese Videos bezahlen und wieviel Waffen er in den USA kaufen muss, um weitere Investigationen und Sanktionen zu verhindern.

Donald Trump hat einstweilen mögliche “rogue killers” ins Spiel gebracht, also wie so oft gar nichts gesagt – auf die “Russen”, “Chinesen” oder den “Iran” läßt sich der Fall ja auch schlecht schieben. Und auch die lancierte Motivlage, dass es sich bei dem in USA lebenden Kolumnisten der “Washington Post” um einen dissidenten Journalisten handelt, der dem Kronprinzen in die Quere kam und beseitigt werden musste, läßt Zweifel offen – denn Jamal Kashoggi war kein normaler “Journalist” und auch kein Kritiker des Regimes.

Als Neffe des vor zwei Jahren verstorbenen Waffenhändlers und CIA-Frontmanns Adnan Kashoggi, der von Iran-Contra bis 9/11 in nahezu jeden Großskandal der letzten Jahrzehnte verwickelt war, war Jamal jahrelang der Sprecher und Berater des saudischen Geheimdienstchefs Prinz Turki, den er in die USA begleitete, nachdem Turki nach 23 Jahren am 1.9.2001 überraschend und kommentarlos von seinem Posten zurückgetreten war.

Zehn Tage später wurden 15 seiner Agenten, die trotz mangelhafter Visa über das als CIA-Schleuse bekannte US-Konsulat in Jeddah nach Amerika  gekommen waren, als “Hijacker” und als ihr Rädelsführer Osama Bin Laden identifiziert- ein alter Kumpel von Prinz Turki und Jamal Kashoggi, der mit ihm als Mujahedin in Afghanistan auf Fotos posierte.

Dass MBS Kashoggi beseitigen lies, weil er 9/11-Geheimnisse ausplaudern könnte, scheint allerdings unwahrscheinlich, denn sie würden eher auf ihn selbst als auf den amtierenden Herrscher zurückfallen.

Nach dem Blitzbesuch des US-Außenministers Pompeo hat MBS nur versprochen, den Fall “zu untersuchen” – was zwar leicht fallen sollte, weil die Namen der nach Istanbul eingeflogenen “Fachkräfte” (inkl. eines Forensikers und eines Generals) bekannt sind, aber vermutlich  ergebnislos verlaufen wird.

Auf dem geopolitischen Schachbrett ist MBS eine wichtige und willige Figur für den “Werte”-Westen, er kauft nicht nur Waffen en masse um die yementischen Ölfelder unter Kontrolle zu bekommen, sondern finanziert auch die “moderaten” Terroristen in Syrien sowie die kurdische Proxi-Armee und mischt bei der Aggression gegen Iran gerne mit.

Zudem kann er jederzeit an der Ölschraube und am Petrodollar drehen. So einen serviert man nicht einfach ab, selbst wenn er sich als martialischer Killer herausstellt. Aber irgendetwas Bessers als ein aus Versehen zerstückeltes Folteropfer müssen sich die Spindoktoren schon einfallen lassen müssen, um beiderseits das Gesicht zu wahren…


Quelle und Kommentare hier:
https://www.broeckers.com/2018/10/17/kashoggi-ein-gruselschocker-aus-der-kopf-ab-dynastie/