In der BRD werden nicht die Betrüger, sondern die Opfer drangsaliert

von Andreas Peter

Der Dieselskandal entwickelt sich immer mehr zum Demokratieskandal. Während die dreisten Betrüger, die deutschen Autobauer, ungeschoren davonkommen und die Kunden auf dem Schaden sitzen bleiben, will die Bundesregierung nun auch noch alle Autofahrer flächendeckend überwachen, um Fahrverbote durchzusetzen. Nicht nur Datenschützer sind fassungslos.

Es klingt so unglaublich und aberwitzig, dass man eigentlich an einen Aprilscherz glauben möchte. Aber wir haben November. Und im „Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes“ von CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer, im Kabinett am 7. November 2018 beschlossen und nun im Bundestag zur Beschlussfassung, steht schwarz auf weiß, dass ein neuer Paragraph 63c eingefügt werden soll. Der trägt die Überschrift

„Datenverarbeitung im Rahmen der Überwachung von Verkehrsbeschränkungen und Verkehrsverboten aufgrund immissionsschutzrechtlicher Vorschriften oder aufgrund straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften zum Schutz vor Abgasen“.

Im neuen Paragraphen 63c ist davon die Rede, dass im Falle eines Fahrverbotes „die nach Landesrecht zuständige Behörde im Rahmen von Kontrollen folgende Daten, auch automatisiert, erheben, speichern und verwenden“ darf: „Kennzeichen, Fahrzeugmerkmale, Bild des Fahrzeugs und des Fahrers, Ort und die Zeit“. Sogar verdeckte Datenerfassung ist grundsätzlich zugelassen, falls nötig. Begründet wird die Gesetzesänderung mit der Durchsetzung gerichtlich angeordneter Fahrverbote aufgrund der permanenten Überschreitung der Grenzwerte für Stickoxide im innerstädtischen Straßenverkehr.

Bundesregierung macht aus Opfern Täter

Tritt diese Gesetzesänderung in Kraft, wäre das ein weiterer Schritt in Richtung Operettendemokratie. Denn de facto werden damit Opfer zu Tätern erklärt. Nicht die Autokonzerne, die mit vorsätzlichem und hochkriminellem Betrug Tausende Autofahrer und die Behörden getäuscht haben, werden zur Verantwortung gezogen. Nein, stattdessen werden nun nicht nur die Betrogenen, sondern gleich alle Autofahrer unter kriminellen Generalverdacht gestellt und mit staatlichen Überwachungsmaßnahmen überzogen.

Und der Staat räumt sich auch noch ein sechsmonatiges Speicherrecht für diese Daten ein, von angedrohten Bußgeldern ganz abgesehen. Umgekehrt ist der gleiche Staat nach wie vor unerklärlich nachsichtig und gnädig mit den Betrügern. Weder zwingt er sie, die Betrugsware ohne Wenn und Aber zurückzunehmen, bei voller Preiserstattung oder aber wenigstens zur Nachbesserung der Betrugsware, auf Kosten der Betrüger, noch zwingt er die Betrüger, die Beute, die von den Betrügern in all den Jahren, in denen der Betrug lief, an sich genommen wurde, wieder einzuziehen und empfindliche Strafen zu verhängen.

Unlogische Argumentationen mit Grenzwerten

Tritt die Gesetzesänderung in Kraft, wäre das auch ein weiterer Beweis für die konsequente Unlogik der deutschen Politik und bestimmter Umweltverbände in der Argumentation mit Grenzwerten für Stickoxide. Denn die mitunter fanatische Hartnäckigkeit und der Alarmismus, mit denen die Einhaltung der Grenzwerte für Stickoxide und Feinstaub im Straßenverkehr verfolgt werden, stehen im krassen Gegensatz zu anderen Grenzwerten für Stickoxide und Feinstaub. Der Grenzwert für die Stickstoffdioxidkonzentration (häufig NO2 oder auch mit Stickstoffmonoxid NO zusammenfassend als NOX bezeichnet – Anm. d. Red.) in der Außenluft beträgt 40 Mikrogramm pro Kubikmeter. Das Umweltbundesamt (UBA) legte im Frühjahr 2018 eine Studie vor, die tatsächlich behauptete:

„Die NO2-Konzentrationen in der Atemluft in Deutschland führen zu erheblichen Gesundheitsbelastungen. Demnach lassen sich für das Jahr 2014 statistisch etwa 6000 vorzeitige Todesfälle aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf die NO2-Hintergrundbelastung im ländlichen und städtischen Raum zurückführen.“

Mediziner stellen Argumentationen mit Grenzwerten in Frage

Derlei dramatische Todesanzeigen einer Bundesbehörde ließen einem der führenden deutschen Experten für Atemwegserkrankungen die Haare zu Berge stehen. Prof. Dr. Dieter Köhler, ehemaliger Chef der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie, rechnete in der Tageszeitung „Welt“ kurz, aber sehr bündig vor, welchen hanebüchenen, aber folgenreichen Unsinn das UBA da veröffentlicht hatte. Denn das UBA hatte beispielsweise komplett ignoriert, ob die Menschen Raucher waren oder nicht. Für eine wissenschaftliche Vergleichsstudie, erst recht eine, die derart drastische Aussagen trifft, vollkommen inakzeptabel.

Ein Mensch hat ein normales Atemvolumen von durchschnittlich 500 ml pro Atemzug. Für die Inhalation einer Zigarette setzte Köhler 20 Atemzüge an, also insgesamt 10 Liter Atemvolumen. Und das bei einer durchschnittlichen Stickstoffdioxidbelastung pro Zigarette von 500 Mikrogramm. Prof. Köhler kam zu dem Ergebnis:

„So inhaliert man 50.000 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Bei einer Packung am Tag wäre das eine Million Mikrogramm. Selbst wenn nur die halbe Zigarette geraucht würde, hätte der Raucher im Vergleich zu einem Nichtraucher, der lebenslang die Grenzdosis von 40 Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter Luft einatmen würde, bereits nach wenigen Tagen die gleiche Dosis. Demnach müssten, so wie das UBA rechnet, nach ein bis zwei Monaten alle Raucher allein durch das NO2 gestorben sein. Das passiert aber nicht.“ (Aus: „Woran es Studien über die tödlichen Folgen des Diesel mangelt“, Welt, 8.3.2018)

Doch das sind nicht die einzigen Ungereimtheiten und Merkwürdigkeiten. Der NOX-Grenzwert für Innenräume liegt bei 60 Mikrogramm. Und ein Mensch hält sich deutlich mehr als die Hälfte des Tages in Innenräumen auf. Für Büroarbeiter bedeutet das sogar, dass sie beinahe den kompletten Tag in Innenräumen verbringen, also durchgängig 20 Mikrogramm mehr Stickstoffdioxid einatmen. Vollkommen absurd wird es, wenn man sich die NOX-Grenzwerte für andere Arbeitsplätze ansieht. Der entsprechende Grenzwert liegt in Deutschland bei maximal 950 Mikrogramm.

Der Logik des UBA zufolge hätte es seit Jahren zu einem Massensterben in deutschen Büroräumen und Werkhallen kommen müssen. Das UBA argumentiert unverdrossen, der Atemluft im Freien seien alle Menschen ausgesetzt. Außerdem würden die Grenzwerte für die Außenluft und Innenräume noch aus den 90er Jahren stammen und sollten dringend überarbeitet und – natürlich – weiter abgesenkt werden.

Prominenter Arbeitsmediziner beklagt Falschinterpretation seiner Aussagen

Diese seinerzeitigen Grenzwerte hat unter anderem der Münchener Toxikologe Helmut Greim mit zu verantworten. Greim hat 15 Jahre lang die sogenannte MAK-Kommission geleitet, die für die Grenzwerte an Arbeitsplätzen zuständig ist. Am 8. September 2016 wurde Greim vom sogenannten Abgas-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages befragt. Noch heute lässt sich dort nachlesen:

„Der Münchner Toxikologe Prof. Dr. med. Helmut Greim widersprach den Einschätzungen. NO2 habe eine relativ geringe Wirkintensität. Er zweifle nicht an den Grenzwerten.“

Was eine glatte Lüge ist, denn Greim empörte sich im September 2017 gegenüber dem Magazin „Focus“, dass er im Ausschuss vielmehr „deutlich“ darauf hingewiesen habe, dass „Epidemiologen der Weltgesundheitsorganisation WHO diese niedrigen Werte nur errechnet und festgelegt“ hätten. Aber diese seien nicht plausibel. Und schon gar nicht sei gerechtfertigt, zu behaupten, dass Überschreitungen des Grenzwertes von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter in der Atemluft im Freien automatisch mit Gesundheitsschäden verbunden seien.

Greim ist überdies nicht er einzige, der darauf verweist, dass sich die Belastung mit Stickoxiden seit jenen Tagen mehr als halbiert hat. Das UBA selbst teilt mit, dass die Belastung mit NO2 zwischen 1990 und 2014 von 3 Millionen auf 1,3 Millionen Tonnen abgenommen hat. Das UBA aber scheint das nicht zu bekümmern und verfährt offenbar nach der Methode, was kümmert mich mein Geschwätz von gestern.

Die Deutsche Umwelthilfe auf einem Kreuzzug?

Einer aber kümmert sich darum. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Die 1975 gegründete Organisation hat sich in der Dieselaffäre zu einem der wahrscheinlich wichtigsten, aber auch zu einem der wahrscheinlich umstrittensten Akteure entwickelt. Durch eine regelrechte Klagewelle hat die DUH es tatsächlich geschafft, die mächtige deutsche Automobilwirtschaft im wahrsten Wortsinn das Fürchten zu lehren.

Ganz unzweifelhaft leistet die DUH verdienstvolle und unverzichtbare Arbeit auf dem Gebiet des Umweltschutzes. Allerdings balanciert diese Organisation in den letzten Jahren auch auf einem schmalen Grat, der sie immer wieder in den Verdacht geraten ließ und lässt, eben keinesfalls so „politisch unabhängig“ und „gemeinnützig“ zu sein, wie die DUH nicht müde wird, zu behaupten.

Schon die angebliche politische Unabhängigkeit ist in hohem Maße fraglich, wenn man weiß, welche personellen Verquickungen es zwischen DUH und der Partei Bündnis90/Die Grünen, dem Bundesumweltministerium und dem Umweltbundesamt gab und gibt, um nur die wichtigsten zu nennen, denn die DUH verfügt auch über engste Verflechtungen in Landesregierungen. Rainer Baake und Jochen Flasbarth sind nur zwei Namen aus diesem Lobbynetzwerk, beide sowohl DUH-Präsidenten und Staatssekretäre im Bundesumweltministerium.

Den pensionierten langjährigen Beamten des UBA, Dr. Axel Friedrich, der dort die Abteilung Verkehr und Lärm leitete, machte die DUH zum wissenschaftlichen Leiter ihres „Emissions-Kontroll-Instituts“ (EKI). Eine eigene Internetseite für das seit 2016 existierende Institut gibt es nicht. Einzige Kontaktmöglichkeit: die DUH-Referentin für Verkehr und Luftreinhaltung, Dorothee Saar. Nur in den auf der DUH-Internetseite veröffentlichten Berichten des EKI erfährt man von der Existenz des wissenschaftlichen Leiters. Sucht man auf der DUH-Internetseite nach Axel Friedrich, stellt man fest, dass er mit der DUH seit über einem Jahrzehnt als „internationaler Verkehrsexperte“ oder „internationaler Verkehrsberater“ auf das Engste verbandelt ist. Dass er auf Tageshonorarbasis für die DUH arbeitet, wissen wir nur, weil DUH-Chef Jürgen Resch dies auf Journalistennachfrage mitteilen musste.

Missverhältnisse zwischen Anspruch und Wirklichkeit bei der Deutschen Umwelthilfe

Überhaupt klaffen bei der DUH Lücken zwischen Anspruch und Wirklichkeit, was die Transparenz betrifft. Zum einen befand es die DUH nicht für nötig, darauf hinzuweisen, dass sie Geld vom japanischen Autokonzern Toyota erhält, während sie zum selben Zeitpunkt die erklärten deutschen Konkurrenten des japanischen Autoriesen mit Klagen überzog. Und natürlich ist die Tatsache, dass Toyota seine Fabriken vornehmlich mit Atomstrom betreibt, für die Hohepriesterin des Umweltschutzes scheinbar eine zu vernachlässigende Größe. Erst im aktuellen Jahresbericht für 2017 räumt DUH-Chef Resch ein, dass es diese Zahlungen gibt. Seit 19 Jahren. Warum er erst jetzt damit rausrückt, erklärt der DUH-Geschäftsführer natürlich nicht. Vielleicht erfahren wir das ja im Jahresbericht 2038.

Im Raum steht in diesem Zusammenhang auch ein anderer Verdacht. Nicht nur, dass die DUH seit Jahren Geld von ausländischer Konkurrenz deutscher Autounternehmen annimmt. Merkwürdigerweise wurde die Lawine wegen des Dieselskandals von der US-amerikanischen Umweltbehörde EPA losgetreten, auf die sich die DUH auch immer wieder beruft. Und natürlich sind US-amerikanische Autobauer, aber auch andere daran interessiert, dass die Marktmacht deutscher Automarken im wichtigen Markt USA gebrochen wird.

Deutsche Umwelthilfe beleidigt über den Vorwurf des „Abmahnvereins“

Aber da sind wir schon im Reich der Spekulationen. Bleiben wir bei der Deutschen Umwelthilfe. Die trinkt seit Jahren auch in anderer Hinsicht öffentlich Wasser, während sie, wenn die Scheinwerfer aus sind, den Wein entkorkt. Und auch in diesem Punkt musste Jürgen Resch, der ansonsten ja keine Gelegenheit und keine Kamera und kein Mikrofon auslässt, um sich über intransparente Autokonzerne und staatliche Behörden zu echauffieren, (absolut zu Recht übrigens), mehr oder weniger zum Jagen getragen werden, um etwas zuzugeben, was bislang sorgfältig hinter vernebelnden Begriffen versteckt wurde.

Der Vorwurf und die Debatte darüber sind offenbar so massiv, dass die DUH sich genötigt sah, darauf zu reagieren. Allerdings reagiert sie eben auch nicht anders als die Autokonzerne, die sie beim Betrügen ertappt hat. Jahrelang listete die DUH in ihren Jahresberichten unter „Erträge“ einen Einnahmeposten auf, der sich „Verbraucherschutz“ nannte, zuletzt im Jahresbericht 2016.

Unter dieser Chiffre verbarg sich die Tatsache, dass die DUH seit Jahren als Abmahnverein auftritt, so wie vor Jahren diverse schmierige Anwaltskanzleien, die Menschen abzockten, die urheberrechtlich geschützte Inhalte auf ihren privaten Internetseiten anboten. Die DUH verklagt Unternehmen, die gesetzliche Bestimmungen nicht einhalten und kassiert dann Geld, wenn man sich vor Gericht vergleicht. Das ist absolut legal, immerhin besitzt die DUH Klagerecht. Warum sie mit diesem Recht aber nicht offensiv in der Kommunikation umgegangen ist, erfahren wir nicht.

Seit diese Praxis durch die Medien geht und die DUH als Abmahnverein gebrandmarkt wird, nennt die DUH diesen Einnahmeposten „ökologische Marktüberwachung“ und ist schwer beleidigt. Im bereits erwähnten Jahresbericht 2017 kann man nicht nur nachlesen, dass die Einnahme aus Abmahnungen inzwischen 30 Prozent der Gesamterträge der DUH ausmachen, sondern auch, wie sich Jürgen Resch von seiner Presseabteilung scheinheilig fragen lässt:

„Googelt man DUH, kommt gleich nach dem Zusammenhang mit Diesel das Wort Abmahnverein.“

Und auf einmal wird der sonst so angriffslustige Resch dünnhäutig:

„Wir überwachen als klageberechtigte Verbraucherschutzorganisation seit 2004 stichprobenhaft die Einhaltung von umweltbezogenen Verbraucherschutzvorschriften durch Handel und Industrie. Das machen wir, weil die zuständigen Behörden die Kontrollen verweigern. In über 1.000 Gerichtsverfahren widersprachen die Gerichte dem immer wieder neu begründeten Vorwurf, wir seien ein Abmahnverein.“

Besser hätte eine Pressestelle eines von der DUH angegriffenen Autokonzerns auch nicht ausweichend antworten können. Denn die Antwort von Jürgen Resch beinhaltet keine Auskunft darüber, warum die Deutsche Umwelthilfe seit 2004 nicht ohne Wenn und Aber und in klaren Worten die Öffentlichkeit über ihr Vorgehen informierte, wenn man doch nichts zu verbergen hat. Stattdessen ein beleidigt klingender Verweis auf Gerichtsurteile.

Aber weil selbst das Jürgen Resch noch nicht überzeugend genug zu klingen scheint, lässt er seine Presseabteilung noch eine weitere Frage stellen und macht es damit nicht besser:

„Was unterscheidet die DUH von einem Abmahnverein?

Wir sind vom Bundesamt für Justiz in der Liste der klageberechtigten Verbände gelistet und werden regelmäßig geprüft, übrigens in den vergangenen zwölf Jahren ohne jegliche Kritik der Behörde.“

Gleiches können die allermeisten Inkassounternehmen und selbst die auf Abmahnung spezialisierten Rechtsanwaltskanzleien von sich behaupten. Tun sie auch. Also, dass sie auf einer ordentlichen Rechtsgrundlage arbeiten. Und sie verteidigen sich deshalb auch im gleichen beleidigten Tonfall wie Jürgen Resch. Im Deutschen gibt es für das Verhalten der Deutschen Umwelthilfe ein Sprichwort: Getroffene Hunde bellen.

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Quelle und Kommentare hier:
https://de.sputniknews.com/politik/20181121323048539-diesel-affaere-ermittlung/