HPB – Zeitlinien auf dem Weg zur NWO (3)

Fortsetzung von Teil 2

5. Die Revolution in den Niederlanden
5.1 Die Niederlande bis zum Ende des ersten goldenen Zeitalters

Im 14. Jahrhundert galt Flandern als eine wohlhabende, nordfranzösische Region mit vielen fleißigen Handwerkern und Bauern. Von Brügge aus gelangten die Waren nach England im Norden und in die ile de France im Süden. Die Hanse-Koggen brachten sie in den Ostseeraum und bis nach Russland.

Die Zusammenfassung der später als burgundische Niederlande bezeichneten Gebiete begann 1384 mit der Eheschließung der Erbin des Grafen von Flandern und dem Erben des Hauses Valois-Burgund. Hinzu kamen Namur 1427, Holland, Friesland, Zeeland und Hennegau alle 1428, Brabant und Limburg 1430 und Luxemburg 1443. Im Jahr 1437 rief Herzog Philipp, der Gute (1419-1467), erstmals die Generalstaaten zusammen, um den Provinzen eine einheitliche Verfassung zu geben.

Die Bestrebungen zum engeren Zusammenschluss der Gebiete wurden vom wieder aufflammenden Krieg zwischen England und Frankreich, dem Hundertjährigen Krieg, begünstigt. Die reichen Städte Flanderns gehörten ebenso zu den englischen Kriegszielen, wie weite Gebiete des französischen Binnenlandes. Aber in erster Linie ging es um englische Ansprüche auf den französischen Thron.

Um die Besitzungen im Norden zu schützen, zogen es die Burgunder vor, 1415 ein Bündnis mit England einzugehen. Dafür sprachen auch die Streitereien der französischen Adelscliquen der Armagnacs und der Bourguignons und der Ausgang der Schlacht von Azincourt, in der die englischen Truppen das zahlenmäßig stärkere französische Heer besiegten.

Artois / Flandern, an dessen Nordzipfel die Stadt Calais als englisches Besitztum grenzte, galt als Durchzugsgebiet von englischen und französischen Truppen. Das mag der Grund für manchen wohlhabenden Kaufmann oder Handwerksmeister gewesen sein, seinen Sitz von Flandern ostwärts nach Amsterdam oder Rotterdam zu verlegen. Jedenfalls verlagerte sich die wirtschaftliche Aktivität mehr in die sichereren Gebiete an der Mündung des Rheins.

Handel, Handwerk, Schiffsbau und Fischfang gediehen dort in dem neuen Zusammenschluss der Generalstaaten. Doch die Handelsmonopole und Beschränkungen der Hanse erwiesen sich als ein ärgerliches Hemmnis für Exporte. Alles Bitten um Rechte oder Fordern blieb vergebens. Die Entscheidung wurde schließlich im Hansisch-Niederländischen Krieg von 1438 bis 1441 gewaltsam ausgefochten, in dem die mit Dänemark verbündeten Niederlande siegreich blieben und die Gleichstellung mit den Hanse-Kaufleuten durchsetzten. Von nun an stand ihnen der Nord- und Ostseeraum offen ebenso wie der Zugang zum Weltmeer.

Mit dem Ende des Hundertjährigen Krieges 1459 schwand zwar die Gefahr von Kriegszerstörungen und Kontributionen für Artois und Flandern, doch die Verschiebung der wirtschaftlichen Gewichte erwies sich als dauerhaft.

1477 fiel Karl der Kühne, der letzte Herzog aus dem Hause Valois-Burgund, in der Schlacht von Nancy ohne eine männlichen Erben zu hinterlassen. Seine Erbin Maria heiratete den Habsburger Maximilian von Österreich, wodurch das Herzogtum in den habsburgischen Hausbesitz gelangte.

Unruhen, die bis 1493 andauerten, erschütterten die vormundschaftliche Regierung unter Maximilian. Erst als Herzog Philipp selbst die Regierung übernahm, beruhigte sich die Lage. Philipp war 1492 mit der Infantin von Kastilien Johanna vermählt worden, die ihm sechs Kinder – darunter die Söhne Karl und Maximilian – gebar.

Am 12. Juli 1506 wurde er als König von Kastilien und Leon gekrönt, doch starb er überraschend drei Monate später. Die Nachfolge in Spanien und den Niederlanden ging auf den erst sechs Jahre alten Karl über. In den Niederlanden übernahm Karls Tante Margarethe von Österreich, die Schwester Philipps, die Regentschaft.Sie setzte alles daran, um ihrem geliebten Neffen ein blühendes Herzogtum zu übergeben.

Gewiss verstand er ihr Bemühen zu schätzen, denn auch nach seiner Volljährigkeit 1515 überließ er Margarethe weiter die Statthalterschaft, die sie bis 1530 ausübte. Die Königs- und Kaiserwahl 1519 und vor allem die letzten Jahre, die von der Ausbreitung der Reformation in den Niederlanden geprägt waren, verlangten außerordentliches diplomatisches Geschick, um religiöse Konflikte zu vermeiden.

1521 und 1522 wurde in den Verträgen von Worms und Brüssel der habsburgische Besitzanspruch in die österreichische und die spanische Linie aufgeteilt. Die Niederlande fielen dabei an Spanien.

Margarethe folgte ab 1531 auf Bitten Karls V. seine Schwester Maria als Statthalterin nach. Maria war die Witwe des ungarischen Königs Stephan II., der nach der Schlacht gegen das Heer von Sultan Suleiman, dem Prächtigen, bei Mohacs den Tod gefunden hatte.

Maria erhielt schon als Kind unter der Obhut ihrer Tante Margarethe eine hervorragende Ausbildung, die sie später vervollkommnete. Sie besaß u. a. umfangreiches politisches, philosophisches und religiöses Wissen und eine große Rede-Gabe.

Noch am Königshof in Ofen widmete sie den kirchlichen Reformbestrebungen Martin Luthers wohlwollende Aufmerksamkeit, was in Wittenberg nicht unbemerkt blieb. Nach dem Tod ihres Gatten schickte der Reformator ihr tröstliche Zeilen, wofür sie ihm dankte. Der Briefwechsel sorgte im Haus Habsburg für heftige Verstimmungen. Erzherzog Maximilian nötigte seiner Schwester schließlich das Gelübde ab, den religiösen Zielen des Hauses treu zu bleiben.

In Ungarn blieb ihr kriegsbedingt keine Gelegenheit zur Entfaltung, doch dafür als Regentin der Niederlande um so mehr. Gerade die Kontroverse in der eigenen Familie hatte gezeigt, dass religiöser Übereifer den Staatsgeschäften eher abträglich sein konnte. Sollten die Untertanen doch selbst über ihre Religiosität bestimmen.

Folglich bemühte sie sich um Ausgleich und Toleranz, um die Gefahr des Religionskrieges von den Niederlanden fernzuhalten. Dennoch stand sie dem Kaiser stets loyal zur Seite, wenn er ihrer Hilfe bedurfte – sei es mit Geld, mit Rüstungen oder mit Heeresmacht. Und die prosperierenden, gut regierten Niederlande warfen ein immer größeres Gewicht in die Waagschale der Machtressourcen.

Wie sich rückblickend feststellen lässt, war die Wahl Marias als Statthalterin ein wahres Glücksgriff – sowohl für Karl als auch für die Untertanen. Politisch weitblickend und intelligent, brachte sie überragende Begabungen auf den Gebieten der Politik und Diplomatie, des Finanzwesens und der Kriegführung zur Geltung. Zwar standen stets die Interessen des Hause Habsburg im Zentrum ihrer Politik, doch verlor sie dabei nie die legitimen Interessen der von ihr regierten Provinzen aus dem Auge.

Es gelang Maria, die 17 einzelnen Provinzen zu einem zentral regierten, einheitlichen Staat zusammen zu führen. Sie reorganisierte die Landesverteidigung und ließ mehrere Forts als Grenzbefestigungen zu Frankreich errichten. Der Erfolg zeigte sich 1542, als sie mit ihrer Streitmacht überraschend das Heer des französischen Königs Franz I. in der Schlacht bei Luxemburg besiegte.

Marias Regierungszeit brachte die Niederlande wirtschaftlich und kulturell zur Blüte. Schon vorher hatten die wachsenden Heringsgründe in der Nordsee den Fang und die Verarbeitung der Fische begünstigt, so dass Holland das Herings-Monopol erwarb. Boots- und Schiffbau florierten um Amsterdam.

Mit der „Fluite“ entwickelten die Holländer ein hochseetaugliches Küstenschiff für die Handelsschifffahrt, das in großer Stückzahl mit genormten Bauteilen gebaut wurde. Für vergleichsweise wenig Geld bekam man in Holland viel Schiff. Die Küstenschifffahrt erschloss neue Seefahrtsrouten. Mit dem Kompass wurde die Hochsee befahrbar. Die Handelsrouten dehnten sich bis zu den spanischen Häfen von Sevilla und in die Ostsee aus.

Gehandelt wurde u. a. gesalzener Hering gegen Holz aus Skandinavien für den Schiffsbau, Salz vom Atlantik gegen holländische Heringe und andere Waren usw.. Amsterdam entwickelte sich zur Drehscheibe für osteuropäisches Getreide mit der Aussicht Europas zentraler Getreidespeicher zu werden. Auch Eisenverhüttung und Metallurgie legten zu. Die Niederlande produzierten nicht nur metallische Gebrauchsgegenstände (vor allem für die Schifffahrt) sondern zunehmend auch Rüstungsgüter. Später- im 17. Jahrhundert – stiegen sie zur „europäischen Waffenschmiede“ auf.

Börsen und Banken wurden etabliert. So die Börsen in Brügge 1409 und Antwerpen 1460 sowie die Medici-Bank in Brügge 1472. Handwerk und Gewerbe gediehen. Als Tor zur Welt und Teil des spanischen Imperiums wuchs der Außenhandel. Antwerpens Hafen als reiner Handelsplatz schlug damals die Hälfte des Welthandels nach Europa um, während in den holländischen Häfen um Amsterdam und Rotterdam große Flotten und Warenspeicher aufgebaut wurden, die später Antwerpen den Rang ablaufen sollten.

Kunst und Kultur gewannen neue Inhalte und Formen. In Malerei und bildender Kunst traten Hieronymos Bosch, Simon Bening, Jacob van Utrecht, Lucas Gassel und Pieter Brueghel d. Ä. hervor. Sogar italienische Meister wie Tizian machten sich auf den Weg nach Brüssel. Der Humanismus, vertreten durch Erasmus von Rotterdam, fand Eingang in das geistig-kulturelle Leben und stellte die Schranken der katholischen Kirche infrage.

Die von Martin Luther ausgehende Reformation fand in den Niederlanden ihren besonderen Niederschlag. Um 1530 erstarkte dort die Täuferbewegung. Jan Matthys predigte zunächst in Rotterdam und Amsterdam. Im Januar 1534 sandte er Jan van Leiden nach Münster, wo nach Ankunft von Matthys im Februar 1534 das „Täuferreich“ entstand, das im Sommer 1535 gewaltsam zerstört wurde.

Die Abwanderung von Täufern ins Münsterland und die Nachrichten von dort über Gütergemeinschaft und Polygamie – allein der „König der Täufer“, Jan van Leiden, nahm in vierzehn Monaten 16 Weiber zu Ehefrauen – und über den Untergang des Täuferreiches schreckten die wohlhabenden Niederländer von solch radikalen religiösen Ideen ab und erleichterten es der Statthalterin, der Täuferbewegung in den Niederlanden Herr zu werden.

In die Endphase von Marias Statthalterschaft fiel der burgundische Vertrag vom Juni 1548. In diesem wurden dem burgundischen Reichskreis einige Territorien des niederrheinisch-westfälischen Reichskreises zugeschlagen, um die siebzehn niederländischen Provinzen zu einer staatsrechtlichen Einheit zu erheben.

Der burgundische Reichskreis wurde der Jurisdiktion des erst kürzlich gebildeten Reichskammergerichtes gegen die fortwährende Verpflichtung des Reiches zum Schutz der Niederlande enthoben. Im Gegenzug übernahmen die Niederlande wesentlich höhere Zahlungen an Reichsumlagen für die Staatskasse als die Kurfürsten.

Der Krieg im Reich und gegen den neuen französischen König Heinrich II. ab Februar 1552 brachte noch einmal hohe Anspannungen für die finanziellen und militärischen Ressourcen der Niederlande. Zum Höhepunkt der Kämpfe um Artois und Flandern wurde die Schlacht bei Renty vom August 1554, für die sowohl der König von Frankreich als auch der Kaiser den Sieg reklamierten.

Nichtsdestotrotz gelang es dem Kaiser, die französischen Streitkräfte zu vertreiben und den Schutz der Niederlande zu gewährleisten. Die Rückgewinnung der Bistümer Metz, Toul und Verdun, welche französischen Truppen Anfang 1552 besetzt hatten, wurde jedoch ein kolossaler Fehlschlag. Die militärischen Ausgaben allein dafür beliefen sich auf 2,5 Millionen Golddukaten, dem Doppelten der jährlichen Einnahmen Spaniens, was eine hohe Kreditaufnahme nötig machte.

Während die Fürstenrebellion mit dem Passauer Vertrag und dem Augsburger Religionsfrieden 1555 endete, ging der Kampf gegen Frankreich weiter. Karl V. hatte die Friedensverhandlungen im Heiligen Römischen Reich notgedrungen und meistenteils seinem kompromissbereiten Bruder Maximilian überlassen.

Der Reichstag zu Augsburg erkannte im September 1555 schließlich die lutherische Form des Protestantismus als Religion an und gewährte die freie Wahl und Ausübung der Religion. Der fernab in Brüssel weilende Kaiser, dem die Verkündung des Friedens in seinem Namen widerstrebte, ließ darauf hin seine Bereitschaft zum Amtsverzicht mitteilen.

Im Juli 1554 ehelichte Philipp II. die katholische Majestät Englands, Maria Tudor. Beide Gatten hofften (vergeblich) auf die Geburt eines Thronfolgers. Einerseits unterstützte Philipp rege die von Maria betriebene und auf Widerstand stoßende Rekatholisierung Englands, andererseits erwuchs daraus ein militärisches Bündnis für den weiteren Kampf gegen Frankreich. (Maria Tudor starb im November 1558 und ging wegen der Verfolgung anglikanischer Christen als die „Blutige“ in die englische Geschichte ein. Ihre evangelische Halbschwester Elisabeth schlug Philipps Heiratsangebot aus. Sie wurde im Januar 1559 als neue englische Königin gekrönt.)

Am 25. Oktober 1555 übergab Karl V. seinem Sohn Philipp in Brüssel die Herrschaft über die Niederlande. Die Abschiedsrede des Kaisers hinterließ bei den Zeitgenossen tiefen Eindruck und sollte noch heute jedem Politiker zur Mahnung gereichen. Auch seine beiden Testamente sind des Studiums wert. Im geheimen zweiten Testament hinterließ Karl dem Sohn das Herrschaftswissen aus 40 Jahren, u. a. die Prinzipien, die er seinen Entscheidungsprozessen zugrunde legen solle und eine präzise Charakteristik aller hohen Ratgeber hinsichtlich ihrer Neigungen, Stärken und Schwächen zur sorgfältigen Beachtung.

Am 12. September 1556 ließ der Kaiser allen Kurfürsten seine förmliche Abdankungsurkunde zustellen. Maria von Ungarn legte gleichfalls ihr Amt als Regentin nieder, um gemeinsam mit dem Bruder im September 1556 nach Spanien abzureisen.

Mit Marias Amtsniederlegung ging eine 50-jährige Zeit zu Ende, in der zwei hochgebildete und befähigte Frauen der habsburgischen Dynastie die Geschicke der Niederlande gelenkt hatten. Unter ihrer Obhut gedieh das Land in wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht und gelangte zu großem Reichtum. Auch die kirchliche Reformation hatte erste Wurzeln geschlagen, ohne dass es dabei zu extremen Ausbrüchen religiöser Leidenschaften gekommen war.

Nach der osmanischen Eroberung Ägyptens 1517 und des venezianischen Rhodos 1522 sowie der freiwilligen Anerkennung der Oberhoheit des Sultans durch die maghrebinischen Korsaren um Khair ad-Din Barbarossa 1519 war es um die Handelswege in den Orient schlecht bestellt. Um so größere Bedeutung gewannen die Handelsverbindungen der Niederlande nach Portugal und Spanien, von denen Kolonial-Routen um Afrika nach Osten und westwärts nach Amerika ausgingen.

Fast unmerklich ballte sich dort ein bedeutendes Handels- und Finanzkapital zusammen – akkumuliert durch aktive Gewerbe und steten Zufluss von außen, in Form von Schiffsflotten, Warenbeständen, Speichern und Geld. Aber auch als produktives Kapital in Form von Werften, Mühlen, Sägewerken, Werkstätten und Manufakturen – weit über die bisherigen Handwerker-Zünfte und -Gilden hinaus. Der Umfang der Geschäfte verlangte nach großen Beschaffungs- und Absatzmärkten – auch außerhalb des Heiligen Römischen Reiches und des spanischen Imperiums – und sicheren Verbindungen dorthin.

Würde die politische Konstitution des Reiches den Niederlanden den nötigen Schutz dafür bieten? Würde die enge Bindung an Spanien weiter wirtschaftlicher Wohlfahrt und regem Erfindergeist der Niederländer genügend Raum geben? Was würde die Zukunft ihnen nun bringen?

Im Krieg gegen Frankreich wurde im Februar 1556 der Waffenstillstand von Vaucelles vereinbart, der Frankreich im Besitz der Bistümer Metz, Toul und Verdun sowie des italienischen Piemonts beließ. Karl V. nutzte die Atempause, um seine Nachfolge zu regeln.

Philipp II. entschied in Anbetracht des angehäuften Schuldenberges, sich dessen durch Erklärung des Staatsbankrotts für Spanien zu entledigen und durch nochmals hohe finanzielle Beanspruchung seiner Länder, insbesondere Zugeständnisse an die Niederlande, den Krieg wieder aufzunehmen. Im August 1557 gelangen Philipp II. mit der Eroberung des Kirchenstaates und in der Schlacht von St Quentin in Nordfrankreich zwei strategische Erfolge.

Die französische Niederlage wurde in der Schlacht von Grevelingen bei Calais im Juli 1558 endgültig besiegelt, bei der ein spanisches Heer und die englische Flotte zusammenwirkten. Im Ergebnis des Friedens musste Frankreich die besetzten Gebiete von Piemont und Savoyen in Norditalien räumen.

Nach dem Ende der Statthalterschaft Marias von Ungarn hatte Philipp II. den Herzog Emanuel Philibert von Savoyen als Statthalter der Habsburgischen Niederlande eingesetzt. Der Statthalter war ein erfolgreicher Heerführer und erzielte gemeinsam mit Graf Egmont entscheidende Siege in der letzten Kriegsetappe. Nach der Rückgabe Piemonts und Savoyens kehrte er in sein Herzogtum zurück. Philipp II. berief seine Halbschwester Margarethe von Parma zu dessen Nachfolgerin, jedoch mit eingeschränkten Vollmachten.

5.2 Die Niederlande in der Krise

Bei der Abreise nach Spanien hinterließ Philipp II. seiner Statthalterin ein politisches, religiöses und steuerliches Auflagen-Paket. Es zielte u. a. auf die Rücknahme früher gewährter Zugeständnisse und die Einrichtung neuer Bistümer, um die Herrschaft der katholischen Kirche abzusichern. Geheime Instruktionen verpflichteten sie zur engen Zusammenarbeit mit dem Bischof von Arras, Granvelle, der maßgeblichen Einfluss auf die Regierungsarbeit nahm und mit Ausnahme des Staatsrates, der vom niederländischen Hochadel beherrscht wurde, den Geheimen wie auch den Finanzrat kontrollierte.

Doch es waren nicht diese Restriktionen, die zum Auslöser für das spanisch-niederländische Ungemach wurden. Die Niederländer hatten geduldig alle Kriegslasten im Interesse ihrer eigenen Sicherheit ertragen und dem Herrscherhaus die Treue gehalten. Aber jetzt – im Moment des Triumphes und des Friedens gingen plötzlich die üblichen Getreidelieferungen aus dem Osten zurück. Ab 1563 blieben sie sogar zeitweise gänzlich aus. Die Speicher leerten sich. Hungersnot war die Folge.

Auf einem Schauplatz, wo weder das Heilige Römische Reich noch der spanische König den Niederländern direkt helfen konnten, herrschte Krieg und schnitt sie von wichtigen Beschaffungs- und Absatzmärkten ab.

Dieser Krieg, der später als der erste Nordische Krieg in die Geschichte einging, hatte 1558 mit einem Angriff des russischen Heeres von Iwan IV. auf den livländischen Ordensstaat und mit der Einnahme von Dorpat begonnen. Nachfolgend eroberten die Russen weitere Bastionen wie Marienburg 1560. Ab 1561 machten sich alle Regionalmächte daran, die Erbmasse Livlands unter sich aufzuteilen und gegenseitig streitig zu machen.

Weil zudem Schweden den Fernhandel mit Livland blockierte, begann 1563 der siebenjährige Krieg zwischen Dänemark und der Hanse einerseits und Schweden andererseits, in dem zahlreiche Schlachten zu Lande und zur See geschlagen wurden. Der Friedensschluss kam schließlich auf Initiative und Vermittlung von Kaiser Maximilian II. zustande und stellte den Niederlanden Linderung der wirtschaftlichen Misere in Aussicht.

Zur gleichen Zeit kämpften von 1563 bis 1570 Russland und Litauen um Besitztümer und regionalen Einfluss. Der starke militärische Druck Russlands führte 1569 zum staatlichen Zusammenschluss Polens und Litauens, die bisher nur in Personal-Union der Herrscherhäuser verbunden waren.

Gleichfalls ab 1570 trat Schweden in den Krieg gegen Russland im Baltikum ein. 1579 bis 1581 folgte ein Krieg unter Polens neuem König Stephan Bathory gegen Russland. Unter dem Eindruck der letzten schwedischen und polnischen Erfolge bat Iwan IV. den Papst um Friedensvermittlung mit seinen Gegnern, die in den Frieden von Pleskau im Januar 1582 – nach insgesamt fast 24 Jahren Krieg – mündete.

Elisabeth I. von England strebte nach dem Friedensschluss mit Frankreich nach der Entschuldung der Krone und der Gesundung der Wirtschaft. Sie erließ daher verschiedene Edikte, die sich speziell gegen Importwaren aus Frankreich und den Niederlanden richteten und den wohlhabenden Engländern einheimische Produkte vorschrieben. Diese Regelungen entfachten alsbald einen regelrechten Handelskrieg mit den Niederlanden.

Nordischer Krieg und Handelskrieg mit England, dazu Knappheit an finanziellen Mitteln aufgrund der voran gegangenen Kriegsfinanzierung verursachten eine eigenartige Wirtschaftskrise der Niederlande. Auf der einen Seite Knappheit an Nahrungsmitteln infolge Getreidemangel mit inflationärem Preisauftrieb.

Auf der anderen Seite Stilllegung von Teilen der Handelsflotte, zwangsweise Abmusterung der Mannschaften, Reduzierung des Schiffbaus und aller Zulieferungen usw. Beide Faktoren bewirkten eine sonderbare Kontraktion des inneren Marktes der Niederlande, die von den Akteuren so noch niemand erlebt hatte geschweige denn erklären konnte.

Lag es da nicht nahe, alle Schuld bei der „grauen Eminenz“ hinter der Statthalterin, dem inzwischen zum Kardinal aufgestiegenen Granvelle, zu suchen? Granvelle hatte sich mit der Kirchenreform von 1560, bei der die Anzahl der Bistümer von vier auf achtzehn erhöht wurde und zudem drei neue Kirchenprovinzen gebildet wurden, beim niederländischen Adel und Klerus viele Feinde gemacht, da die neuen Stellen und Pfründe vorwiegend an die Gefolgsleute des Kardinals gingen. Obendrein wurde ihm die Absicht unterstellt im Kampf gegen die Ketzerei die Inquisition wie in Spanien einführen zu wollen.

In dieser unheilschwangeren Situation reisten immer mehr evangelische Missionare, insbesondere Calvinisten, in die Niederlande, um dort ihr christliches Heilsverständnis zu predigen. Im Volk griff die Idee um sich, die katholische Kirche mit ihrem Streben nach Macht und Reichtum und die katholische Majestät samt ihrer Regierung seien an den Nöten schuld.

Statthalterin Margarethe von Parma – obgleich eine gemäßigte Katholikin – sah sich gezwungen, der Ausbreitung des Protestantismus wirksam entgegenzutreten und auch drastische Ketzerstrafen verhängen zu lassen. 1562 verlangte Philipp II. die Bereitstellung niederländischer Truppen für den französischen König, um den Hugenotten-Aufstand in Frankreich niederzuschlagen, einer Spätfolge des Militärbündnisses Heinrichs II. mit der evangelischen Fürsten-Opposition im Heiligen Römischen Reich.

Inzwischen waren aber die Miss-Stimmungen in Adel und Volk der Niederlande schon so weit fortgeschritten, dass Margarethe eine offene Rebellion befürchten musste. So kam sie mit den Vertretern des niederländischen Hochadels überein, die französische Monarchie nur finanziell zu unterstützen.

1563 verlangte die Adels-Opposition um Wilhelm von Oranien und Graf von Egmont die Entlassung des 1. Ministers Granvelle und boykottierte deswegen fortan den Staatsrat. Die Statthalterin sah sich schließlich gezwungen, bei Philipp II. um Granvelles Entlassung zu bitten, was Ende 1563 gewährt wurde.

Im Winter 1564/1565 verschärfte eine Missernte den Nahrungsmangel und die Wirtschaftskrise, was den calvinistischen Predigern weiteren Zulauf bescherte und eine größere Zahl von Ketzer-Verurteilungen zur Folge hatte. Die niederländischen Gesandten, die bei Philipp II. um Milderung der Ketzerverfolgung nachsuchten, missdeuteten die Signale des Königs.

Um so mehr waren sie bestürzt, als der König mitteilen ließ, dass er die Ausweitung der Inquisition und die Beibehaltung der Bestrafungen wünsche (05.11.1565). In Verkennung des Ernstes der Lage richtete Margarethe am 11.11.1565 ihrem Sohn, Alexander Farnese, in Brüssel eine prunkvolle Hochzeit aus, was sie dem Volk und dem Adel weiter entfremdete.

Circa 400 zum Calvinismus neigende Vertreter des niederen Adels schlossen sich im Dezember 1565 zu einem Bund zusammen, der die Abschaffung der Inquisition und der Ketzerbestrafungen verlangte. Am 05. April 1566 überreichte eine bewaffnete Abordnung des Hochadels Margarethe von Parma eine Petition, in der die Aussetzung der Ketzerverfolgung und die Einberufung des Staatsrates verlangt wurde, um Gesetze zu erlassen, die eine gewaltfreie Lösung religiöser Konflikte ermöglichen sollten.

Die Statthalterin musste notgedrungen nachgeben. Erneut reiste eine Abordnung nach Spanien zu Philipp II., um einen Kompromiss auszuhandeln, während die Opposition Ruhe zu halten versprach.

In der Zwischenzeit kehrten jedoch viele aus den Niederlanden verbannte Protestanten, von Hoffnung auf Besserung getrieben, in die Heimat zurück. Die in calvinistischen Predigten geweckten Erwartungen wurden immer größer. Die Ungeduld der Menschen stieg, bis sie den „Siedepunkt des Aufstandes“ erreichte.

Während die niederländische Abordnung mit der Botschaft auf der Heimreise war, dass Philipp in den Kompromiss eingewilligt hatte, die Statthalterin zur Senkung der Strafen für Ketzerei nach eigenem Ermessen zu ermächtigen, brach in den Niederlanden im August der Bildersturm aus.

Ein „Funke“ hatte als Auslöser genügt, dass sich der religiöse Hass wie ein Lauffeuer im ganzen Lande gegen katholische Kirchen und Klöster ausbreitete. Überall drangen radikale Calvinisten in die Gotteshäuser ein, um Bildnisse und Statuen zu zerstören oder Zierat und Geld zu stehlen. Sie jagten sogar Prozessionen zu Maria Himmelfahrt auseinander.

Der spontane, calvinistisch motivierte Ausbruch von Gewalt und Zerstörung erschütterte nicht nur Margarethe von Parma sondern auch den niederländischen Hochadel. Kein halbwegs vernünftiger Mensch hatte mit solcher Raserei gerechnet. Nur zu verständlich wirkte das eher abschreckend von der protestantischen Sache, weshalb der hohe Adel und auch das verständige Bürgertum dazu neigten, sich für Ruhe und Ordnung sowie die Erregung mildernde Kompromisse einzusetzen.

Niemand konnte ahnen, dass sich fast auf den Tag genau 264 Jahre spätet, im August 1830, Ähnliches in und um Brüssel zutragen würde. Nur dass diesmal die Rasenden – anstatt Kirchen zu schänden – Dampfmaschinen und Webstühle zerschlagen und Lebensmitteldepots plündern würden.

Die Statthalterin dachte angesichts des Chaos‘ an Flucht aus Brüssel, doch verweigerten die Zuständigen den Abtransport ihrer Bagage. Notgedrungen de-eskalierte Margarethe, indem sie die bisher heimlichen calvinistischen Predigten und Gebete erlaubte. Wie in Frankreich für die Hugenotten sollte das künftig auch an bestimmten Plätzen gestattet sein, wenn die öffentliche Ordnung gewahrt bliebe. Dies trug dazu bei, die Gemüter und die Lage zu beruhigen.

Die Statthalterin glaubte nun, mit Unterstützung des niederländischen Adels die Zügel wieder straffen zu können, indem sie militärisch für Ordnung sorgte und die Rädelsführer der Unruhen ermitteln ließ. Radikale ausländische Prediger wurden ausgewiesen; sogar die Rücknahme der religiösen Zugeständnisse wurde erwogen. Philipp II. schickte der Statthalterin Geld für ausstehenden Sold und die Anwerbung neuer Truppen. Ab Herbst 1566 wurden alle niederländischen Städte genötigt, Garnisonen aufzunehmen.

Im November 1566 verweigerten die Städte Tournai und Valenciennes das und leisteten unter Führung protestantischer Adliger militärischen Widerstand. Viele Vertreter des Hochadels wie Graf von Egmont unterstützten die Statthalterin bei der Niederwerfung der bewaffneten Rebellion. Im März 1567 erlitten die Rebellen vor Antwerpen eine schwere Niederlage. Ende April wurde die letzte Hochburg der Opposition zur Kapitulation gezwungen, womit der bewaffnete Aufstand endete. Oppositionelle wie Wilhelm von Oranien verließen die Niederlande.

Anstatt selbst in die Niederlande zu reisen um das Vertrauen der Untertanen in seine Regierung zu festigen, entschied Philipp II., den Herzog von Alba mit beträchtlicher Heeresmacht (15.000 vorwiegend spanischen Soldaten) in die Niederlande zu entsenden, um für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Im Juni 1567 – als in den Niederlanden die öffentliche Ordnung wieder hergestellt war – brach der Herzog von Alba mit seiner Armee in Italien auf, zog durch Savoyen, Burgund und Lothringen und erreichte am 22. August Brüssel.

Margarethe hatte Philipps Order als die Schlechteste aller möglichen Entscheidungen kritisiert und ihre Demissionierung als Statthalterin angeboten. Sie empfahl dem Herzog von Alba nun, auf Truppenstationierungen in Städten zu verzichten, die während des Aufruhrs loyal zur Regierung gestanden hatten. Doch dieser schlug den Rat aus und ließ sich allein von militärischen Erwägungen leiten.

De Facto wurde die Statthalterin kalt gestellt und fungierte nur noch als Marionette des spanischen Militärs. Im Herbst 1567 entsprach der König ihrem wiederholten Drängen auf Abberufung: im Dezember verließ Margarethe von Parma die Niederlande.

In Jahren des wirtschaftlichen Niedergangs und wachsender religiöser Opposition hatte Margarethe versucht, den Wünschen der Untertanen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Sie hatte sich- den wechselvollen Um- und Widerständen gemäß – bemüht, umsichtig und ohne übermäßige Härte zu regieren.

In der kritischen Endphase ihrer Regierung erwiesen sich die langen Wege und Fristen zur Übermittlung von Nachrichten und Entscheidungen an/von Philipp II. als besonders nachteilig. Mangels Kenntnis der sich schnell wandelnden Lage in den Niederlanden führte das zu der krassen Fehlentscheidung, den Herzog von Alba mir seiner Armee dorthin zu beordern.

Als klar denkende Politikerin sah Margarethe von Parma mit prophetischer Gabe voraus, welches Unglück diese Entscheidung sowohl über die Niederlande als auch über Spanien bringen würde.

Verliefen die Konflikte bisher mehr in zivilen und religiösen Formen, so wurde nunmehr das Militärische maßgebend. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich der Wille zur Selbstbestimmung in Politik und Staat bei der Mehrheit der Niederländer (im engeren Sinne) zeigen und durchsetzen würde.

Kurz zu Wilhelm von Oranien: Dieser gehörte in den letzten Regierungsjahren Karls V. zu den engsten Vertrauten des Kaisers. Wilhelm war der Einzige, der allen persönlichen Gesprächen des Kaisers mit auswärtigen Diplomaten beiwohnen durfte. Ihm wurde nach der kaiserlichen Abdankung die Aufgabe anvertraut, die Reichs-Kleinodien nach Frankfurt am Main zu überbringen.

1559 setzte ihn Philipp II. als Statthalter der Grafschaften Holland, Zeeland und Utrecht ein, während Margarethe von Parma die Regierung aller anderen niederländischen Provinzen übernahm.

In religiöser Hinsicht galt er manchem Zeitgenossen als Opportunist. Um seine weltliche Stellung zu wahren, bekannte er sich offen als Katholik, während er heimlich protestantischen Boten zu verstehen gab, der hugenottisch-protestantischen Sache zuzuneigen, um deren Unterstützung zu gewinnen.

1563 forderte Wilhelm ebenso wie andere die Entlassung des verhassten ersten Ministers Granvelle und nahm am Boykott des Staatsrates teil.

Als 1567 der Herzog von Alba in Brüssel eintraf und die Statthalterschaft antrat, befand sich Wilhelm bereits außer Landes in Dillenburg/Hessen. Gleiches hatte er den Grafen Hoorn und Egmont empfohlen, die jedoch glaubten, dass an ihrer Loyalität zu Philipp II. und dem Haus Habsburg kein Zweifel bestünde und deshalb im Lande blieben.


Quelle und Kommentare hier:
http://vineyardsaker.de/2018/12/21/hpb-zeitlinien-auf-dem-weg-zur-nwo-3/