Henry Kissingers geheimer Plan: Aus Russland die Ukraine machen!

von Iwan Danilow

 US-Medien diskutieren dieser Tage die sogenannte Kissinger-Strategie, die kürzlich publik gemacht wurde. Laut der Online-Zeitung „The Daily Beast“ ist es dem 95-jährigen Ex-Außenminister gelungen, diese Konzeption zum Schlüsselelement der Außenpolitik Donald Trumps zu machen.

Gleich fünf Quellen im Weißen Haus sollen bestätigt haben, dass der Plan des „Patriarchen“ der US-Diplomatie, Henry Kissinger, darin bestünde, Russland als eine Art „Rammbock“ gegen China zu nutzen, das die globale Hegemonie der USA hemme. Laut amerikanischen Journalisten wurde diese Vorgehensweise vom Trump-Team positiv aufgenommen, und eben darauf lasse sich die jüngste, teilweise positive Entwicklung in Bezug auf Russland zurückführen.

In diesem Schema sollte Russland die Rolle eines Instruments spielen, damit China „in eine Kiste“ getrieben würde, aus der es nicht mehr hinauskommen könnte. Im Grunde wäre Moskaus Rolle dabei dieselbe wie die der Ukraine gegenüber Russland selbst, wie die US-amerikanischen Strategen meinen: Es wäre ein Spannungsherd, mit dem viele Risiken für Peking verbunden wären, und zudem ein aktiver Teilnehmer der möglichen wirtschaftlichen oder logistischen Blockade der Volksrepublik.

Gerüchte, dass der russischen Führung in dieser oder jener Weise ein Anti-China-Deal angeboten werden könnte, gab es schon seit langem. Doch jetzt hat diese Idee den konkreten „Autor“, und für Trumps Russland-Politik wurde ein quasi-offizielles Ziel bestimmt. Übrigens haben weder das Weiße Haus noch Henry Kissingers Büro die Behauptungen von „The Daily Beast“ dementiert, und das macht sie noch pikanter und sogar gewissermaßen glaubwürdig.

Sehr unwahrscheinlich ist, dass die Öffentlichkeit irgendwann die Wahrheit über Kissingers konkrete Vorschläge erfahren wird, die er Präsident Trump und seinem Schwiegersohn Jared Kushner machte, der in der US-Administration für die außenpolitische Agenda zuständig ist. Aber die Mutmaßung über die „antichinesische Agenda“ hat einen Vorteil: Sie erklärt nämlich alle Schritte der US-Seite gegenüber Russland, insbesondere die neuen Sanktionen und den Gipfel in Helsinki. Immerhin ist Trump kein üblicher Unterhändler, und seine Vorstellungen von den Wegen zum Abschluss von finanziellen und politischen Deals haben mit der „konventionellen“ Diplomatie wenig zu tun.

Trump selbst – und auch seine zahlreichen früheren Partner und Kontrahenten – behauptete im Buch „The Art Of The Deal“, dass seine typische Erfolgsmethode so war bzw. ist: Man sollte der Gegenseite drohen, und zwar möglichst hart – und dann ein kleines Zugeständnis bieten, das kaum etwas wert ist, aber vor dem allgemeinen Hintergrund sehr großzügig aussieht. Für Trump war es ziemlich üblich, dem Kontrahenten zu drohen, den Deal platzen zu lassen und einen großen Skandal auszulösen, um zusätzliche Zugeständnisse zu verlangen.

Jetzt greift er auf dieselben Methoden in der Politik zurück, wovon seine jüngsten Verhandlungen über die Situation um Nordkorea sowie sein Handelskrieg gegen das Reich der Mitte deutlich zeugen. Mit Russland ist die Situation noch offensichtlicher: Gegen Russland werden Sanktionen verhängt (das ist die Peitsche), und als „Zuckerbrot“ dienen die „hypothetisch mögliche“ Aufhebung der Sanktionen, die Erlaubnis zur Rückkehr in die „zivilisierte Welt“ und sogar potenzielle US-Investitionen.

Das Problem dieser Vorgehensweise ist aber, dass Trump selbst als Geschäftsmann trotz all seiner kolossalen politischen Kontakte und nahezu grenzenlosen finanziellen Möglichkeiten immer wieder auf Opponenten oder Partner stieß, die sich seine Drohungen nicht gefallen ließen und den Verhandlungstisch verließen.

Noch mehr als das: Trumps Unternehmen schlitterten sechs Mal in die Insolvenz, und in einigen Fällen führte seine Verhandlungsstrategie gegenüber Partnern und Kreditgebern dazu, dass er aus den von ihm selbst initiierten Projekten „verdrängt“ wurde. Als Geschäftsmann konnte der künftige US-Präsident es sich leisten, nahezu ewig nach nachgiebigen Kontrahenten zu suchen, aber in der Politik klappt so etwas nicht: Der Klub der Supermächte ist ziemlich klein, und die Folgen von verdorbenen Beziehungen mit allen seinen Mitgliedern kann man nicht durch eine neue Insolvenz „ausradieren“.

Außerdem kann man sich eine noch kontraproduktivere Taktik beim Zusammenwirken mit Wladimir Putin nicht vorstellen, als die, die als Trumps „Visitenkarte“ gilt. Der Kremlchef betonte häufiger, dass man Russland keineswegs durch Drohungen und Druck zu Zugeständnissen zwingen könnte und dass solche Versuche immer eine angemessene Reaktion hervorrufen würden.

Sollten die Informationen über den neuen „Kissinger-Plan“ wahr sein, werden wir früher oder später sehen, dass er von den Medien quasi unterstützt wird: Einerseits wird die antichinesische Hysterie weitergehen, andererseits wird die These vorangetrieben, dass die russische Wirtschaft im Falle der Verbündetenbeziehungen mit den USA einen Aufschwung erleben würde.

Aber egal was Washington Moskau für die „Freundschaft gegen China“ versprechen sollte – der Kreml würde einen großen Fehler begehen, dem „Kissinger-Plan“ zuzustimmen. Denn am Beispiel Ukraine kann man deutlich sehen, was aus einem Land werden kann, das als „Rammbock“ gegen eine Großmacht benutzt wird. Mehr noch: Jeder Deal mit den Vereinigten Staaten ist mit kolossalen Risiken verbunden, denn es ist allgemein bekannt, dass Washington jeden schon eingewickelten „historischen Deal“ ganz leicht wieder außer Kraft setzen kann, wie das Beispiel des Iran-Deals eindrücklich zeigt.

Übrigens war Henry Kissinger neben Zbigniew Brzeziński der Autor des „chinesischen Wirtschaftswunders“: Sie haben nicht nur den damaligen US-Präsidenten Richard Nixon überredet, China gegen die Sowjetunion zu nutzen, es mit Geld „vollzupumpen“ und den US-Markt für chinesische Waren zu öffnen. Die beiden konnten auch bewirken, dass Nixons Deal mit den Chinesen auch von seinen Nachfolgern eingehalten wurde. Der Hass der Demokraten und Republikaner auf die Sowjets war groß genug, dass er von jeglichen innenpolitischen Veränderungen in Amerika unberührt blieb. Diese Stabilität fand erst nach Trumps gewonnener Präsidentschaftswahl ein Ende, da er China als Existenzgefahr für die USA betrachtet. Doch diese Meinung ist alles andere als typisch für das US-Establishment.

Es sieht leider so aus, dass Trump und sein ganzes Team immer noch davon ausgehen, dass man Russland mit der „Sanktionspeitsche“ und diplomatischem „Zuckerbrot“ in die „antichinesische Agenda“ Washingtons einbinden kann.

Doch ihre Erfolgschancen tendieren gen Null. Ein wirklich inhalts- und aussichtsreicher Dialog zwischen Moskau und Washington könnte nur dann beginnen, wenn man im Weißen Haus begreift, dass Russland eines der globalen Machtzentren ist, das seine Rechte und Interessen hat – und kein „geopolitischer Hammer“, mit dem Washington die Chinesische Mauer zerstören kann.


Quelle und Kommentare hier:
https://de.sputniknews.com/kommentare/20180730321768148-kissinger-plan-ukraine-russland/