Fremde Heimat – Das Schicksal der Vertriebenen nach 1945 (2/2)

Wieder ein eigenes Zuhause – diesen Traum konnten sich viele Flüchtlinge und Vertriebene erst nach und nach erfüllen. Zeitzeugen aus Westpreußen, Donauschwaben, dem Egerland, Bessarabien und Pommern berichten über den schwierigen Neuanfang.

Die neue Wohnsiedlung in Stuttgart kann die frühere Dorfgemeinschaft oder das Leben in der Großfamilie nicht ersetzen, aber sie ist ein Anfang. Nicht wenige Flüchtlinge leben bis in die 60er Jahre in primitiven Barackenlagern. Im hessischen Trutzhain verwandeln die Vertriebenen schließlich ein ehemaliges Kriegsgefangenenlager in eine hübsche Reihenhaussiedlung.

Mit ihren neugegründeten Kunstblumenfabriken und Webereien schaffen sie Arbeitsplätze für die ganze Region. In der bayrischen Gemeinde Bubenreuth profitieren die Einheimischen vom Fleiß und Können der Geigenbauer aus dem Egerland:

„Bubenreuth hat ja auch den Flüchtlingen einiges zu verdanken gehabt. (…) Die Schule wurde gebaut, der Friedhof wurde gebaut, die Kirche, die Straßen“, erzählt Gerhilde Benker.

So wendet sich das Schicksal vieler Vertriebener vielerorts am Ende zur Erfolgsgeschichte. Auch der Vater von Hartmut Brandenburg aus dem pommerschen Rügenwalde macht mit seiner bekannten Teewurst bald wieder satte Gewinne.

In Mecklenburg hat es die Familie von Elvira Schmidt aus Bessarabien ebenfalls bereits Anfang der 50er Jahre wieder zu etwas gebracht. Ihr gut geführter landwirtschaftlicher Betrieb wirft weit mehr ab, als sie an den Staat abführen muss – bis zur Gründung der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften in der DDR:

„Mit einem Mal waren wir keine freien Bauern mehr, dann waren wir LPG-Bauern. So schnell wechselt das immer. Ja, und dann waren wir alles wieder los.“

In der Bundesrepublik Deutschland hilft vielen beim Aufbau der neuen Existenz ein günstiger Kredit oder seit 1953 der Lastenausgleich. Entgegen weitverbreiteten Vorurteilen bekommen die Vertriebenen aber tatsächlich nur einen Bruchteil dessen ersetzt, was sie verloren haben.

Vertriebenenverbände und Landsmannschaften, aber auch die westdeutsche Politik wecken lange falsche Hoffnungen, lassen die Betroffenen im Glauben, dass eine Heimkehr doch noch möglich wäre. Erst Willy Brandt nimmt mit der neuen Ostpolitik und der faktischen Anerkennung der Oder-Neiße-Linie eine eindeutige politische Haltung ein.

Als Robert Brokoph nach dem Fall des Eisernen Vorhangs erstmals seine frühere Heimat Ostpreußen wiedersieht, kommen ihm die Tränen. Aber wie die meisten Vertriebenen und Flüchtlinge hat er längst seinen Platz in der einst fremden Heimat gefunden:

„Für mich ist Europa die Zukunft. Und nicht das Land der Nationalstaaten. Der Nationalsozialismus hat so viel Blut und Elend über die Menschen gebracht. Ich möchte das nicht noch einmal erleben.“

 


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