Ex-Botschafter Murray: Assange-Festnahme Warnung für Whistleblower und Journalisten

von Andreas Peter

Der ehemalige britische Botschafter Großbritanniens in Usbekistan, Craig Murray, bewertet das Vorgehen gegen Wikileaks-Gründer Julian Assange als Warnung und Einschüchterungsversuch für alle Whistleblower und Journalisten. Im Gespräch mit Sputniknews äußerte er die Hoffnung, dass die Verhaftung Assanges für illegal erklärt werden könnte.

Craig Murrays Karriere als Botschafter Ihrer Majestät dauerte nur zwei Jahre. Dann hatte es sich der Mann mit den „unkonventionellen Ansichten“, wie ihn die britische Zeitung „The Guardian“ 2004 bezeichnete, sowohl mit der Regierung seines Gastgeberlandes als auch seinem Arbeitgeber verscherzt. Inzwischen gilt Craig Murray als ein ausgewiesener Kritiker der Außenpolitik seines Geburtslandes und der westlichen Führungsmacht USA.

Bekanntlich verbindet diese beiden Staaten ein Band von Beziehungen, die sowohl in London als auch in Washington als besonders bezeichnet werden. Und in der Tat gibt es nur wenige Staaten, die in militärischen und geheimdienstlichen Aspekten so eng zusammenarbeiten wie Großbritannien und die USA.

Insofern und auch aufgrund seiner Erfahrungen aus seiner Zeit im diplomatischen Dienst des Vereinigten Königreiches lassen sich die Analysen von Craig Murray nicht einfach so beiseite wischen. Murray gehört zu einem Kreis von Unterstützern, die Julian Assange bis heute beraten und auch konkret helfen. Murray war sechs Tage vor der Festnahme von Julian Assange von seinem Wohnort Edinburgh im Norden Großbritanniens nach London gekommen, weil er Informationen aus Ecuador erhalten hatte, dass gewisse Ereignisse im Umfeld der ecuadorianischen Botschaft in London unmittelbar bevorstünden. Das konnte natürlich nur das Asyl von Julian Assange betreffen. Denn die Regierung in Quito hatte in den zurückliegenden Wochen und Monaten mehrfach Andeutungen fallen lassen, die den Verdacht erhärteten, die Zeit der Zuflucht von Assange im Londoner Stadtteil Knightsbridge könnte sich dem Ende nähern.

Verhaftung nicht überraschend, die Art ihrer rücksichtslosen Durchführung schon

Doch genauso wie viele Fernsehteams und Fotografen, die sich tagelang vor dem roten Appartementhaus am Hans Crescent auf die Lauer gelegt hatten, verließ auch Murray irgendwann entmutigt die Szene. Auf dem Rückweg nach Edinburgh ereilte ihn dann die Nachricht, die allerdings nicht überraschend war, wie er sagte. Er war nur sehr wütend wegen der entwürdigenden und beschämenden Behandlung von Assange, die sich die ecuadorianische Regierung leistete. Im Gespräch mit Sputniknews versuchte Murray dem Ganzen wenigstens einen positiven Aspekt abzugewinnen:

„Julian leistete einen großen Dienst für die Öffentlichkeit. Jahrelang wurde behauptet, er sei nur in der Botschaft gewesen, wegen Beschuldigungen in Schweden oder wegen der Flucht vor Bewährungsauflagen. Nein, er war dort, weil versucht wurde, ihn in die USA zu bringen, um ihn wegen der Enthüllungen von US-Kriegsverbrechen anzuklagen. Und nun kann jeder sehen, das ist wahr. Es ist genau das was passiert.“

USA wollen sich an Assange rächen, weil er ihre Kriegsverbrechen offenbarte

Murray ist fest davon überzeugt, dass die USA natürlich Julian Assange haben wollen, um sich an ihm dafür zu rächen, dass er ihre Kriegsverbrechen im Irak und Afghanistan öffentlich gemacht hat. Um sicherzustellen, dass Assange auch während des etwas zeitaufwendigen Prozesses der Bearbeitung des Auslieferungsersuchens in Gewahrsam bleibt, wurde er in einem fragwürdigen Schnellverfahren ins Gefängnis gesteckt:

„Ich denke, sie versuchen im Moment mit einer eher sanften Strafe Zeit zu gewinnen für den Auslieferungsprozess in die USA. Aber wenn sie ihn erst einmal dort haben, drohen ihm viel härtere Strafen, und das könnte vielleicht die Hoffnung sein, dass das Gericht es für illegal erklärt.“

Murray findet, dass vor allem Journalisten in aller Welt hochgradig alarmiert sein sollten. Denn die Vorwürfe gegen Julian Assange aus den USA gegen ihn, die jetzt bekannt wurden, versuchen genau das, wovor die Regierung Obama immer zurückschreckte:

„Ich denke, das Ziel ist, Journalisten zu verängstigen, damit sie keine US-Regierungsdokumente mehr veröffentlichen und ganz grundsätzlich die Kritik an der imperialistischen Politik und Militärpolitik der USA im Ausland minimieren.“

Assange ist der klassische Fall des „shoot the messenger“

Der Fall Julian Assange ist auch für Craig Murray der klassische Vorgang, nicht denjenigen anzuklagen, der Kriegsverbrechen begangen hat, sondern denjenigen, der geholfen hat, diese Verbrechen aufzudecken. Dass dieser einfache Sinnzusammenhang, der ja auch eine glasklare Drohung an alle Journalisten ist, von vielen westlichen Journalisten offenbar ignoriert wird, wie man an der auffallend zurückhaltenden Berichterstattung sieht, überrascht Murray allerdings auch nicht wirklich. Er bezeichnet die britische Presse im Großen und Ganzen als „wesentlichen Teil des rechtsgerichteten Establishments“ im Vereinigten Königreich.

Wenn Russland und China so handeln würden, wäre die Hölle los

Craig Murray zieht im Gespräch mit Sputniknews zweimal einen Vergleich, mit dem er die westlichen Doppelstandards der dortigen Medien entlarvt, welche die Anmaßungen der USA nicht zu stören scheinen:

„Wenn Sie als Russe oder Chinese oder Australier US-Regierungsdokumente veröffentlichen, wo immer Sie sind, können sie Sie dort festnehmen, in die USA bringen und einsperren. Stellen Sie sich mal vor, Russland oder China würden so handeln, da würden die westlichen Medien verrücktspielen.“

Genau das tun sie nicht. Weshalb Craig Murray glaubt, dass für Unterstützer von Julian Assange oder zumindest der Ideale, für die er im Moment steht, der wichtigste Aspekt ist und bleibt, so viel Gegenöffentlichkeit herzustellen wie möglich, vor allem in den sozialen Medien.


Quelle und Kommentare hier:
https://de.sputniknews.com/politik/20190413324679173-festnahme-assange-warnung-whistleblower/