Deutschlands Alleinschuld am Ersten Weltkrieg?

Das Deutsche Reich 1871-1918

Am Vorabend des Ersten Weltkrieges ist Europa geprägt von der Konkurrenz der Völker um politische und wirtschaftliche Macht.  Mit dem Ende der Kleinstaaterei in Deutschland und der Gründung des Zweiten Deutschen Kaiserreiches 1871 beginnt ein enormes Wirtschaftwachstum in Deutschland. England ist zu der Zeit seit etwa 300 Jahren die Weltmacht Nummer 1. Das aufstrebende Deutschland stört nun die “balance of power” – das Gleichgewicht der Kräfte- , eine Strategie mit der England seine Vormachtstellung stets zu sichern wußte. Auch die anderen Nachbarn, allen voran Frankreich, betrachten die Entwicklung in Deutschland argwöhnisch.

Aus dem Jahr 1910 ist folgendes Gespräch zwischen dem damaligen US-Diplomaten Henry White und dem Führer der Konservativen Partei Englands und vormaligen Premierminister Lord Balfour überliefert, das beide in London führten:

Balfour:Wir sind wahrscheinlich töricht, daß wir keinen Grund finden, um Deutschland den Krieg zu erklären, ehe es zu viele Schiffe baut und uns unseren Handel wegnimmt.”

White:Sie sind im Privatleben ein hochherziger Mann. Wie können Sie etwas politisch so Unmoralisches erwägen, wie einen Krieg gegen eine harmlose Nation zu provozieren, die genauso gut wie Sie das Recht hat, eine Flotte zu unterhalten? Wenn Sie mit dem deutschen Handel mithalten wollen, arbeiten Sie härter.”

Balfour:Das würde bedeuten, daß wir unseren Lebensstandard senken müßten. Vielleicht wäre ein Krieg einfacher für uns.”

White:Ich bin schockiert, daß Sie sich zu grundsätzlichen Fragen so äußern können.”

Balfour:Ist das eine Frage von Recht oder Unrecht? Vielleicht ist das aber eine Frage der Erhaltung unserer Vorherrschaft.”

Als am 28. Juni 1914 ein bosnisch-serbischer Attentäter den Habsburger Thronfolger ermordet, sind die großen europäischen Staaten durch folgende Bündnisse einander verpflichtet:

  • England hatte 1911 den Franzosen seine Unterstützung mit sechs Heeresdivisionen für den Fall eines Krieges mit Deutschland zugesichert.
  • Frankreich sagt 1912 Rußland zu, es unter allen Umständen militärisch zu unterstützen, gleichgültig, ob Rußland angegriffen werde oder selbst einen Krieg beginne.

Nach dem Attentat geben die Russen Serbien ein Hilfsversprechen, während das Deutsche Reich sich in Bündnistreue hinter Habsburg stellt.

Dennoch glaubt in Deutschland niemand ernsthaft, daß sich aus dieser Balkankrise ein großer Krieg entwickeln könnte. Kaiser Wilhelm II. und andere hochrangige Politiker gehen in den Sommerurlaub.

In England jedoch wird vom 15. bis 25. Juli eine Mobilmachungsübung der Flotte angeordnet, an deren Ende nicht demobilisiert wird.

Inzwischen hat Habsburg  den Serben ein Ultimatum gestellt, in dem unter anderem die Zulassung österreichischer Beamter zu den serbischen gerichtlichen Untersuchungen des Thronfolger-Mordes gefordert wird. Das geht den Serben zu weit, und mit der Rückendeckung Rußlands, welches sich seinerseits der französischen Waffenhilfe gewiß sein konnte, lehnen sie am 25. Juli das Ultimatum ab und machen die Armee mobil. Dem folgt noch am gleichen Abend die Teilmobilmachung der östereich-ungarischen Streitkräfte gegen Serbien. Trotz englischer und deutscher Vermittlungsversuche erklärt Habsburg am 28. Juli den Krieg an Serbien.

Wenige Tage später mobilisiert Rußland 13 Armeekorps an der Grenze zu Österreich-Ungarn und macht einen weiteren Tag später am 30. Juli total mobil, das heißt auch gegen Deutschland.

Am 1. August ordnet die französische Regierung die Mobilmachung der Streitkräfte an. Damit tritt das englische Hilfsversprechen von 1911 in Kraft.

Nun erst als  letzte der genannten Spielfiguren auf dem Schachbrett des Ersten Weltkrieges verkündet auch die Reichsregierung die Mobilmachung der deutschen Truppen.

Am Ende des Krieges steht Deutschland als Verlierer da. Die Siegermächte beschließen auf der Konferenz in Versailles die Alleinschuld Deutschlands und seiner Verbündeten am Geschehenen, und wer schuldig ist, muß vor allem eines: zahlen…

Wenige Monate später findet sich in der angesehenen britischen Tageszeitung “Times” folgende verblüffend ehrliche Notiz:

“Wenn Deutschland in den nächsten 50 Jahren wieder Handel zu treiben beginnt, ist dieser Krieg umsonst geführt worden.”

Wie wir alle wissen, hat Deutschland wieder begonnen, Handel zu treiben und daher mußte auch der Krieg fortgesetzt werden…

Buchtip für ausführliche Informationen: Gerd Schultze-Rhonhof: “1939 – Der Krieg, der viele Väter hatte”

 

 


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