Der UN-Migrationspakt in der ARD

von Herbert Ludwig

Ein Tagesschau-Bericht über den umstrittenen UN-Migrationspakt ist ein Musterbeispiel kritikwürdiger ARD-Berichterstattung, wie sie fast täglich stattfindet.

Da nach den USA, Ungarn und Australien auch Österreich erklärte, den UN-Migrationspakt unterschreiben zu wollen, fühlten sich die Bundesregierung und einige Medien bemüßigt, die Bürger zu beruhigen. Die Tagesschau etwa brachte am Freitag, dem 2. November 2018, einen „Bericht“, der hier genauer betrachtet werden soll.[1] Zuvor sei in Erinnerung gerufen, wozu die ARD nach dem Rundfunkstaatsvertrag bei ihrer Berichterstattung verpflichtet ist:

„Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei der Erfüllung ihres Auftrags die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen.“ (§ 11 Rundfunkstaatsvertrag)

Was der Zuschauer nicht erfährt

In der genannten Sendung verlas die Sprecherin unter der Überschrift „Nach Ausstieg Österreichs: Debatte über UN-Migrationspakt“ folgende Meldung:

„Das Auswärtige Amt hat vor politischer Stimmungsmache gegen den Migrationspakt der Vereinten Nationen gewarnt. Es würden irreführende Informationen verbreitet, um Angst zu schüren. Die Bundesregierung werde dem Abkommen wie geplant zustimmen. Der Pakt formuliert Ziele, wie Zuwanderung besser organisiert werden kann. Die Umsetzung sei jedem Staat selbst überlassen, betonte das Auswärtige Amt. Einige Staaten, darunter Österreich, wollen aus dem Pakt aussteigen.“

Dieser Bericht ist fragmentarisch und einseitig. Ein anspruchsvoller Journalismus hätte zum Verständnis der Zuschauer ergänzt, worin die politische Stimmungsmache bestehen soll, welche irreführenden Informationen von wem verbreitet werden, warum sie irreführend sind und worin ein Schüren von Angst und wovor liegen soll. Die Meldung ist so selber das, wovor gewarnt wird: politische Stimmungsmache, durch die Antipathien gegen die Kritiker des Migrationspaktes einsuggeriert werden.

Auch der Satz: „Einige Staaten, darunter Österreich, wollen aus dem Pakt aussteigen“ ist für einen sorgfältigen Journalismus, der die Zuhörer urteilsfähig machen will, unbedingt ergänzungsbedürftig, nämlich aus welchen Gründen genau sie aussteigen wollen. Sie haben sich das doch gut überlegt und müssen triftige Gründe haben. Diese soll der Zuschauer offensichtlich nicht erfahren. Er erfährt es auch anschließend nicht wirklich.

  1. Dann wurde ein Bericht von Martin Polansky über den Inhalt des Migrationspaktes eingeblendet[2]:

    Die Vereinten Nationen versuchen etwas Neues. Mit dem UN-Migrationspakt sollen internationale Leitlinien geschaffen werden für eine geordnete reguläre Migration, etwa von Menschen, die anderswo Arbeit suchen. Aus Sicht von Kanzlerin Merkel verbindet der Pakt wichtige Ziele (Originalton): ´dass wir gegen illegale Migration sind und gleichermaßen dann, wenn es Austausch geben soll – und den soll es natürlich geben – uns für legale Wege der Kooperation entscheiden.`“

Die Konkretisierung, dass Leitlinien geschaffen werden sollen für eine geordnete Migration, „etwa von Menschen, die anderswo Arbeit suchen“, bleibt letztlich vage. Von den Millionen Migranten, die unkontrolliert einwandern dürfen, werden die allermeisten nämlich wie bisher hier keine Arbeit finden; viele wissen das auch und wandern bewusst in das für sie paradiesische Sozialsystem ein.

Auch die eingeblendete Behauptung Merkels, es gehe um einen „Austausch“, um „legale Wege der Kooperation“, ist eher irreführend. Es geht nicht um den Austausch von deutschen Arbeitskräften mit Migranten, sondern um einseitige Immigration insbesondere in die europäischen Länder. Legale Wege würden zudem bedeuten, dass es sich um geordnete Verfahren der kontrollierten Einwanderung von Migranten handelte, die gebraucht werden und erwünscht sind. Die bisherige verfassungs- und rechtswidrige Grenzöffnung der Regierung zur unkontrollierten Zuwanderung nicht benötigter riesiger Menschenmassen, wie sie seit Jahren stattfindet, lässt für die Zukunft nichts anderes erwarten.

  1. Nun veröffentlichte der Sender Konkretes zum Inhalt des Paktes:

Der Pakt formuliert 23 Ziele:
–   Etwa in Herkunftsländern Bedingungen zu schaffen für weniger Migration.
–   Ziel ist auch die grenzüberschreitende Bekämpfung von Schleusung,
–   die Stärkung der Rechtssicherheit bei Migrationsverfahren
–   und auch der Zugang von Migranten zu Grundleistungen.“

Von den 23 Zielen zitierte Polansky lediglich vier periphere Punkte. Er erwähnte nicht Ziffer 12 der Prämbel des Paktes, in der die Absicht ausgeführt wird, „die nachteiligen Triebkräfte und strukturellen Faktoren zu minimieren, die Menschen daran hindern, in ihren Herkunftsländern eine nachhaltige Existenzgrundlage aufzubauen und aufrechtzuerhalten, und die sie dazu veranlassen, anderswo nach einer besseren Zukunft zu suchen.“

Dies wird noch in Ziel 2 (Randziffer 18) fortgesetzt:

„Wir verpflichten uns, förderliche politische, wirtschaftliche und soziale Bedingungen sowie Umweltbedingungen zu schaffen, unter denen die Menschen in ihren eigenen Ländern ein friedliches, produktives und nachhaltiges Leben führen und ihre persönlichen Ambitionen verwirklichen können, und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass Verzweiflung und sich verschlechternde Umweltbedingungen sie nicht dazu veranlassen, durch irreguläre Migration anderswo eine Existenzgrundlage zu suchen. ..“

Tatsächlich findet in allen armen Ländern genau das Gegenteil statt. Diese werden seit Jahrhunderten von den westlichen kapitalistischen Ländern mit skrupelloser Kälte in Bezug auf ihre Ressourcen ausgebeutet. Die geringen Einnahmen wandern zum größten Teil in die privaten Taschen der lokalen kollaborierenden und korrupten Eliten, während die Infrastrukturen verlottern oder gar nicht erst entstehen und die Bevölkerung immer mehr verarmt.

Zentrales Ziel des Paktes

Es besteht auch gar nicht die Absicht, das zu ändern, weder bei den profitgierigen kapitalistischen Ländern, noch bei der UNO selbst. Denn diese hält gerade nach internen Studien für Italien jährlich 2.268.000 Einwanderer, für Deutschland jährlich 3.630.000 und für die gesamte EU jährlich 13.480.000 Migranten für notwendig, um angeblich den Bevölkerungsbestand zu erhalten.

Das vom Sender angeführte hehre Ziel des Paktes, die ausbeuterischen Schleuser zu bekämpfen, vermittelt einen positiven Eindruck, denn es erledigt sich quasi weitgehend von selbst, wenn legale grenzüberschreitende Wege für die Migranten geöffnet werden.

Das unterschlagene zentrale Ziel des Paktes hingegen ist nicht nur die Steuerung der aus Not und Elend fliehenden Migranten, sondern die Förderung einer allgemeinen freizügigen globalen Migration. So  heißt es:

„… wir erkennen an, dass sie (die Migration) in unserer globalisierten Welt eine Quelle des Wohlstands, der Innovation und der nachhaltigen Entwicklung darstellt und dass diese positiven Auswirkungen durch eine besser gesteuerte Migrationspolitik optimiert werden können.“ (RdZ. 8)

Deshalb will man sicherstellen, „dass gegenwärtige und potenzielle Migranten vollständig über ihre Rechte und Pflichten und die Möglichkeiten für eine sichere, geordnete und reguläre Migration informiert sind.“ (RdZ. 10)

Die Menschen werden zusätzlich ermuntert, Migration sei ein allgemeines Menschenrecht:

Der Global Compact gründet auf den internationalen Menschenrechtsnormen und wahrt die Grundsätze der Nichtregression und Nichtdiskriminierung. Durch die Umsetzung des Globalen Paktes sorgen wir dafür, dass die Menschenrechte aller Migranten, ungeachtet ihres Migrationsstatus, während des gesamten Migrationszyklus wirksam geachtet, geschützt und gewährleistet werden.“ (RdZ. 15, f)
In der New Yorker Erklärung der UN vom 19.9.2016, die diesen Pakt beauftragt hat, heißt es in Punkt 24: “Wir erklären erneut, dass Menschen gemäß dem Grundsatz der Nichtzurückweisung an Grenzen nicht zurückgewiesen werden dürfen.” Das ist hier nicht mehr so deutlich ausgedrückt. Aber es wird im Globalen Migrationspakt immer wieder auf die New Yorker Erklärung als auf einen verpflichtenden Rahmen Bezug genommen, so in Randziffer 16: „Mit der New Yorker Erklärung für Flüchtlinge und Migranten haben wir eine politische Erklärung und ein Paket von Verpflichtungen angenommen. Wir bekräftigen diese Erklärung in ihrer Gesamtheit und bauen mit dem nachstehenden Kooperationsrahmen auf ihr auf.”

Völkerrechtlich gibt es natürlich (noch) keinen Anspruch, in das Land seiner Wahl ungehindert einzuwandern.

Bewusste Täuschung

  1. Darauf heißt es:

Der Pakt ist rechtlich nicht bindend, sondern eine gemeinsame Willenserklärung. Tatsächliche Ansprüche ließen sich daraus für Migranten nicht ableiten, so Völkerrechtler.“
(Der Völkerrechtler Christoph Vedder wird eingeblendet): ´Er schafft keine neuen rechtlichen Möglichkeiten, in bestimmte Länder sich zu begeben`“.

Es stimmt, dass der Pakt als Konstrukt eines sogenannten „Soft Law“ völkerrechtlich nicht bindend ist.  Aber die Formulierungen des Paktes üben einen starken Druck auf die Staaten und eine große Faszination auf die Migranten aus. 87(!)-mal wird das Wort “verpflichten” oder “Verpflichtung” gebraucht.[3] Und die Bundesregierung begrüßt ja auch die Inhalte des Paktes und will sich freiwillig dazu verpflichten.

Dass der Pakt „keine neuen Möglichkeiten (schafft), in bestimmte Länder sich zu begeben“, habe ich oben schon festgestellt. Aber die Migranten gehen nach den Wortlauten davon aus und werden entsprechend auftreten. Und in Deutschland sind die Grenzen ja sowieso für alle offen.

Es ist eine unglaubliche realitätswidrige Verharmlosung, um die Bevölkerung zu täuschen, damit es keinen Aufstand gibt.

  1. Jetzt kam der ARD-Bericht endlich auf die ausscherenden Länder zu sprechen:

„Österreich, Ungarn und Polen wollen nicht mitmachen, neben den USA. Sie befürchten, dass der Pakt auf Dauer Druck erzeugen könnte für liberale Zuwanderungsregeln.“

Eine Formulierung, durch die der Nachrichtenhörer im Grunde nichts erfährt. Dabei meldete sogar „Die Welt“ zu den Gründen Österreichs, den Pakt nicht zu unterschreiben:[4]

„Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) begründeten dies mit der Sorge, dass Österreich bei einer Unterzeichnung nicht mehr selbst bestimmen könne, wer ins Land kommen dürfe. (…) Es dürfe durch den Pakt kein Menschenrecht auf Migration entstehen. Es drohe eine Vermischung von legaler und illegaler Migration, von Arbeitsmigration und Asyl, sagte Kurz. ´Die Souveränität Österreichs hat für uns oberste Priorität`, meinte Strache. (…) So verbiete das Abkommen zum Beispiel Massenabschiebungen, eine Maßnahme, auf die bestimmte Länder aber nicht verzichten wollten, so Österreichs Kanzler. Auch wenn der Pakt nicht bindend sei, könnten einzelne Bestimmungen über den Umweg von Klagen und Gewohnheitsrecht möglicherweise politische Kraft entfalten, hieß es.“

Diese Sorgen Österreichs sind begründet. Aber das unterschlug die Tagesschau ihren Zuschauern.

  1. Nun wurde, wohl der „Ausgewogenheit“ wegen, die AfD als einzige kritische Partei gegenüber dem Migrationspakt zitiert:

„In Deutschland spricht die AfD von einem Umsiedlungsprogramm für Armutsflüchtlinge.“

Markus Frohmaier, Fraktion AfD, wurde eingeblendet und durfte zwei Sätze sagen:

„Letztendlich geht es also nicht darum, Migration zu ordnen, sondern Migration zu erleichtern. Und ich glaube, dass so eine Frage im Deutschen Bundestag diskutiert werden müsste.“

Doch sofort wurde nachgeschoben:

„Außenminister Maas warnt die AfD vor Stimmungsmache und: Deutschland werde trotz des Ausstiegs von Österreich weiter für den Migrationspakt werben.“

Es wurde nicht die Begründung der AfD geliefert, warum sie von einem Umsiedlungsprogramm für Armutsflüchtlinge spricht. Der Satz blieb in seiner Radikalität isoliert stehen. Der AfD Abgeordnete Frohmaier hatte keine Gelegenheit, die AfD-Position für den Zuschauer nachvollziehbar zu machen.

Mit dem zweiten Satz, den er sagen durfte, dass so eine Frage im Deutschen Bundestag diskutiert werden müsste, hat er angesichts der ungeheuren Auswirkungen des Paktes für Deutschland vollkommen Recht. Aber darauf folgte gleich die amtliche Warnung des Außenministers Maas an die AfD vor Stimmungsmache gebracht, die als bloße Behauptung selber Stimmung gegen die AfD macht, gefolgt von der trotzigen Ansage, „Deutschland werde trotz des Ausstiegs von Österreich weiter für den Migrationspakt werben.“ Natürlich ohne inhaltliche Argumente, nur mit verschleiernden Allgemeinplätzen.

  1. Schließlich erschien Maas noch selbst und verkündete:

Migration ist per se (an sich) nur international zu lösen. Und deshalb ist es ja so wichtig, dass in dem Falle so viele Staaten sich daran beteiligt haben.“

Sprecher Polansky:

Auf einer UN-Gipfelkonferenz in Marrakesch soll der Pakt im Dezember angenommen werden.“

Was Maas sagte, ist so banal und inhaltsleer, wie es nicht leerer sein kann. Denn vom Inhalt des Migrationspakts, auf den es ja ankommt, erfährt der ahnungslose Fernsehgenießer nichts. Wozu auch, es könnte ihn ja beunruhigen.

Und der öffentlich-rechtliche Sender macht dem Bürger an seiner Stelle klar, dass der Pakt –  was soll da noch groß diskutiert werden – im Dezember in Marrakesch angenommen wird. Fertig ab.

Fazit

Dieser Tagesschau-„Bericht“ ist ein Musterbeispiel kritikwürdiger ARD-Berichterstattung, wie sie häufig, um nicht zu sagen fast täglich stattfindet. Es sind weder die ihm vorgeschriebenen Grundsätze der Objektivität und der Unparteilichkeit der Berichterstattung, noch Meinungsvielfalt und Ausgewogenheit gewahrt. Die Bürger, die wirkliche Information erwarten, werden nicht informiert, sondern mit Nebensächlichkeiten und inhaltsleeren Phrasen abgelenkt, über das Wesentliche getäuscht und gezielt gegen die einzig kritische Partei in antipathische Stimmung versetzt.

Am 18. August 2018 schrieb der Tagesschau-Chefredakteur Kai Gniffke in einem anderen Zusammenhang:

„… (wir) versuchen weiterhin nach journalistischen und ethischen Prinzipien unabhängig und unvoreingenommen zu berichten. Das ist das, was das Publikum von uns zu Recht erwarten darf.“[5]

 

Anmerkungen

[1] tageschau.de 2.11.18

[2] Der Text des Migrationspaktes in deutscher Übersetzung: http://www.un.org/depts/german/migration/A.CONF.231.3.pdf

[3] Nach finanznachrichten.de 2.11.18

[4] welt.de 31.102018

[5] blog.tagesschau.de 18.8.18


Quelle und Kommentare hier:
https://www.geolitico.de/2018/11/15/der-un-migrationspakt-in-der-ard/