Der Traum von der Weltherrschaft

von Grinario

Dschingis Khan erfand Brutalität als psychologische Kriegsführung und schuf das bis heute größte Landreich. Es herrschten religiöse Toleranz und freier Handel.

Im Laufe der Geschichte sind erstaunliche politische Gebilde entstanden, man denke an das schnell zusammeneroberte Alexanderreich der Antike oder an das riesige Andenreich der Inkas in Südamerika im 15. Jahrhundert. Aber geradezu unglaublich ist die Größe des mongolischen Weltreichs, dem bis heute größten zusammenhängenden Landreich dieses Planeten. In seiner größten Ausdehnung um 1280/90 n. Chr. reichte der mongolische Machtbereich von Vietnam, Korea und China bis zu den Karpaten und Russland und umfasste ca. die Hälfte der damaligen Weltbevölkerung. Noch bis Ende des 15. Jahrhunderts waren die russischen Fürstentümer z. B. Tributstaaten der Goldenen Horde, die sich als eines der Nachfolgereiche des mongolischen Weltreichs etabliert hatte.

Die Grundlage für die Eroberung und die Beherrschung einer so großen Landmasse bildete ein gut organisiertes Reiterheer – in seiner Größe und Bewaffnung in dieser Zeit beispiellos – und eine konsequente, aus heutiger Sicht unfassbare Brutalität gegenüber den Gegnern bzw. den dann unterworfenen Völkern.

Terror gegen die Zivilbevölkerung

Gründer des Reiches war Dschingis Khan (um 1160 bis 1227 n. Chr.), der eine Armee aufbaute, die nicht entlang von Abstammungslinien mit ihren jeweiligen Clanführern organisiert war, sondern auf durchmischte Hundert- und Tausendschaften basierte, die von Leuten befehligt wurde, die sich militärisch ausgezeichnet hatten. Diese bewusste Durchmischung erlaubte es in den weiteren Expansionsphasen, auch große Kontingente von Soldaten aus anderen Völkerschaften, die von mongolischen Offizieren geführt wurden, in die eigene Armee einzugliedern. Für die Beherrschung ihres Reiches war es unerlässlich, dass die Mongolen zahlenmäßig weit größere Verbände aufstellen konnten, als es der Größe ihres eigenen Volks entsprach. Innerhalb der Armee wurde durch drakonische Strafen eine strikte Disziplin durchgesetzt. So heißt es im von Dschingis Khan initiierten Gesetzbuch der Mongolen (Jassa) u.a. (M. Weiers, Geschichte der Mongolen, Stuttgart 2004, S. 77):

  • Wer einem Gefangenen ohne Erlaubnis dessen, der ihn gefangen genommen hat, Nahrung oder Kleidung gibt, wird mit dem Tod bestraft.
  • Wenn jemand in der Schlacht, sei es beim Angriff, oder beim Rückzug, sein Bündel, Bogen oder etwa Sonstiges aus seinem Gepäck verliert, so soll der Mann hinter ihm vom Pferd steigen und es ihm zurückgeben. Wer dies nicht tut, wird mit dem Tod bestraft.
  • Wer seinen Posten ohne Erlaubnis wechselt, wird mit dem Tod bestraft.

Die Leitlinien der künftigen Politik der Mongolen gab Dschingis Khan auch vor. Die Mongolen müssten sich die ganze Erde unterwerfen und dürften mit keinem Volk Frieden haben, bis es vernichtet ist, außer es unterstellt sich ihnen. Auch Dschingis Khan hielt sich natürlich an diese „gesetzliche“ Vorgabe, die Weltherrschaft zu erringen. Hinter dieser ideologischen Begründung einer unentwegten Expansion dürften aber für den dschingisidischen Klan, der das mongolische Reich beherrschte, vor allem Gründe des Machterhalts gestanden haben. Solange man auf Eroberungszüge Beute machen konnte, die dann vom Großkhan bzw. den Herrschern der Teilkhanate großzügig an die Krieger und ihre Familien umverteilt werden konnte, blieb das Machtgefüge in diesem Reich der Steppenkrieger stabil.

Nachdem bis 1219 das Tanguten-Reich und Teile des Jin-Reiches in Asien erobert und Korea tributpflichtig gemacht wurde, widmete Dschingis Khan sich in seinen letzten Jahren dem choresmischen Reich im Westen. Städte wie Samarkand und Buchara wurden binnen kürzester Zeit zerstört. Die Mongolen

„gingen stets nach dem gleichen Muster vor: Zuerst wurden die Stadtoberen aufgefordert, sich freiwillig zu ergeben. Kamen sie der Aufforderung nicht nach, begann die Belagerung, und nach dem Fall der Stadt die Plünderung und Tötung der Einwohner. Es wurden jedoch stets die den Mongolen nützlichen Leute verschont. Dazu gehörten auch junge Männer, die eine lebende Barriere vor den feindlichen Pfeilen in der nächsten Schlacht bildeten, und Frauen, die dem Vergnügen der mongolischen Krieger dienten. Die übrige männliche Bevölkerung wurde umgebracht.“ (Karenina Kollmar-Paulenz, Die Mongolen, München 2011, S. 24/25)

Der erbarmungslose Terror gegen die Zivilbevölkerung war eine der grundlegenden Kriegstaktiken der Mongolen sowohl bei ihren Militäroperationen im Osten wie im Westen, so dass ihre Invasionen und militärischen Strafmaßnahmen zu wahren Verwüstungsfeldzügen für die betroffenen Gebiete wurden.

Das Weltreich der Mongolen / Quelle: Wikipedia, [Public domain], via Wikimedia Commons, https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/3/36/Weltreich-Mongolen.JPG

„Eine Schneise des Todes“

Dschingis Khans jüngster Sohn Tolui z. B. stand seinem Vater in nichts nach. Als die Stadt Merw sich bei der Eroberung der Provinz Chorasan im Rahmen des Feldzugs gegen das choresmische Reich widersetzte, wurde die Stadtbevölkerung mit Ausnahme von 400 Handwerkern getötet, wobei Dschingis Khans Sohn die Massenhinrichtungen vor der Stadt auf einem Stuhl sitzend mitverfolgte. Ebenso ging es der Stadt Nischapur, von der als höchste Erhebung nur die Schädelpyramiden der getöteten Bewohner blieben, die Tolui zur Warnung errichten ließ. Auch andere Militärführer wollten sich hervortun, in der Stadt Rey wurden nach der Eroberung 1220 alle Männer erdrosselt, die Frauen und Kinder „nur“ versklavt.

Dschingis Khan hatte sein Reich beträchtlich erweitert, aber erst nach seinem Tod 1227 unter seinem Sohn Ögödei sowie seinen Enkeln Güyük, Möngke und Kubilai, die ihm dann als Großkhane der Mongolen nachfolgten, entstand ein Eurasisches Großreich, das an das Schwarze Meer, das Mittelmeer und den Pazifik grenzte.

Schon 1223 war ein mongolisches Heer in die russische Steppe vorgedrungen und hatte an der Kalka ein gemischtes Heer aus Russen und Kiptschakern besiegt. Ab 1237 begannen die Mongolen unter der Ägide des im Westen des Gesamtreiches als regionaler Khan der Goldenen Horde herrschenden Dschingis-Enkels Batu und des mongolischen Generals Sübötei Truppen zusammenzuziehen, um den Kriegszug nach Europa zu beginnen, in dessen Verlauf die westliche Steppe und die russischen Fürstentümer für die Mongolen erobert bzw. tributpflichtig gemacht wurden:

„Auch Moskau nahmen die Mongolen ein, töteten die Menschen von den Greisen bis zu den Säuglingen, nahmen Hab und Gut an sich und zogen weiter. Am 3. Februar 1238 begann die Belagerung der Stadt Wladimir. Noch während der Belagerungsring um Wladimir gezogen wurde, nahmen mongolische Abteilungen die Stadt Susdal ein, metzelten Menschen unterschiedslos nieder und führten auch eine Große Menge in ihr Lager.“ (Weiers, S. 98)

Am 7. Februar 1238 stürmten die Mongolen dann die Stadt Wladimir, die vollständig vernichtet wurde. Mit dabei als Anführer einer Heeresabteilung war auch der spätere Großkhan der Mongolen Möngke, der im Süden des westlichen Operationsgebietes die Kiptschaker unterwarf und somit Flankensicherung betrieb. Bis 1240 besiegten die Mongolen auch die Fürstentümer der Kiewer Rus, Kiew selbst wurde vollständig vernichtet. Ein päpstlicher Legat berichtet 1245, dass in Kiew, in dem einmal ca. 30000 Menschen wohnten, gerade einmal noch zweihundert Häuser stehengeblieben waren. In den umliegenden Niederungen bleichten die Knochen der Opfer des Krieges.

Nachdem man sich 1239 bis 1240 in den neu eingenommenen Gebieten etabliert hatte, wurde der Eroberungskrieg in Richtung Südwesten und die Mitte Europas fortgesetzt. Bis nach Ungarn, Polen und Schlesien und Österreich fielen die Mongolen bei ihren Kriegszügen nun ein. Das weiteste Vordringen im Mongolensturm auf Europa bezeugt die Schlacht von Liegnitz in Schlesien, wo am 9. April 1241 ein polnisch-deutsches Ritterheer unter Herzog Heinrich II. von Schlesien von einem mongolischen Reiterheer vernichtend geschlagen wurde. Herzog Heinrich wurde getötet, seinen Kopf trugen die Mongolen auf einer Lanze vor die Stadttore von Liegnitz, die Stadt selbst konnten sie allerdings nicht erobern. Der weitere Durchzug dieser Armee durch Mähren „hinterließ eine Schneise des Todes“ (Weiers, S. 100).

Mongolische Reiter zeigen den Einwohnern von Liegnitz den abgeschlagenen Kopf des schlesischen Herzogs Heinrich II / Quelle: Wikipedia, [Public domain], via Wikimedia Commons, https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/cc/HedwigAltarVII.jpg

„Greueltaten und Abscheulichkeiten“

Es war 1241aber nur eine kleinere mongolische Armee gewesen, die in Richtung Polen, Böhmen, Mähren und Schlesien ausgerückt war, die Hauptarmee, die gegen das südliche Zentraleuropa zog, startete ihren Angriff auf das Königreich Ungarn, dessen Armee zwei Tage nach der Schlacht bei Liegnitz am Fluss Sajó (Schlacht bei Muhi) besiegt wurde. In der Folge wurde Ungarn dann vollständig besetzt. Die Mongolen erreichten auch österreichisches Gebiet bis zur Wiener Neustadt. Neben Russland traf der Mongolensturm nach Europa das ungarische Reich am härtesten, denn König Bela IV. von Ungarn hatte Kiptschaken, die nach Meinung der Mongolen durch Eroberung nun ihnen unterstellt waren, bei sich aufgenommen. Die ungarische Niederlage war derart vernichtend, dass dem König nur die ungeordnete Flucht übrigblieb:

„Während der ungarische König floh, und von den Mongolen hartnäckig verfolgt wurde wie einst der Choresm-Schah und sein Sohn, wurde Ungarn systematisch erobert und entvölkert. Gruppen von Widerständlern wurden ausgelöscht, und Örtlichkeiten, deren Eroberung Probleme aufwarf, erhielten die mongolisch-türkische Bezeichnung ma’u balykh „böse Stadt“, ein Todesurteil für Tausende, die nach der Einnahme solcher Orte auf die Felder getrieben, und vom Säugling bis zum Greis, Kranke und Schwangere eingeschlossen, zerstückelt wurden. Das Jahr 1241 über verödeten die Mongolen vor allem auf Betreiben von Sübötei, der gegenüber Batu auf einem Verbleiben der Mongolen in Ungarn bestand, ganze Landstriche. Gefangene Kiptschaker, Ungarn und Russen, aber auch Hilftstruppen aus Choresmien wurden unter Androhung des Todes gezwungen, gegen befestigte Ansiedlungen vorzugehen, damit ihre Leichen die Gräben füllten. Die Eroberung, der noch nicht heimgesuchten Teile Ungarns im Süden begann Ende 1241. Am 25. Dezember überschritten die Mongolen die Donau und vernichteten Buda und Pest.“ (Weiers, S. 101)

Für M. Weiers war der europäische Feldzug „ebenso wie die davorliegenden Feldzüge der Mongolen auch, von nicht nachvollziehbaren Greueltaten und Abscheulichkeiten geprägt“.

Die Mongolen haben die eroberten zentraleuropäischen Gebiete nicht dauerhaft besetzt. Am 11. Dezember 1241 verstarb überraschend Großkhan Ögödei. Um sich an der Nachfolgeregelung zu beteiligen, wurde der Europafeldzug von den mongolischen Anführern abgebrochen. Warum es im späteren Zeitverlauf keine weiteren Eroberungsversuche gab, ist bis heute ungeklärt. Eine Vermutung ist nur, dass die klimatischen Bedingungen für das Halten großer Herden, die für die mongolische Kriegsführung wichtig war, in Zentraleuropa schlechter waren als in der Steppe.

Doch die Auswirkungen der mongolischen Angriffe auf Europa waren immens. Russland stand ab Mitte des 13. Jahrhunderts bis ca. 1480 n. Chr. unter dem „Tartarenjoch“ der Goldenen Horde, die sich schließlich als eigenständiges Reich der Herrschaft des Großkhans im fernen Osten entziehen konnte. Auch Polen wurde schwer getroffen, aber vor allem das ungarische Königreich hatte ca. 50 Prozent seiner Bevölkerung verloren, so dass die ungarischen Könige bemüht waren, das mit deutschen Bauern neu zu besiedeln (Donauschwaben).

Der westliche Teil der Goldenen Horde im 14. Jahrhundert / Quelle: Wikipedia, [Public domain], via Wikimedia Commons, https://de.wikipedia.org/wiki/Goldene_Horde#/media/File:Halitsch.jpg
Auch nach dem Mongolensturm auf Europa Mitte des 13. Jahrhunderts ging die Expansion der Mongolen in anderen Weltgegenden weiter. Ab 1251 unter der Herrschaft des neuen Großkhans Möngke, eines Enkels des Dschingis Khan, wird durch seinen Bruder Hülegü die Eroberung des Abbasiden-Kalifats in Angriff genommen und mit der in einem entsetzlichen Blutbad endenden Eroberung Bagdads abgeschlossen. Das sich nun bildende Il-Khanat beherrschte den Nahen und Mittleren Osten und hatte in Kleinasien eine Grenze zum Byzantinischen Reich. 1260 allerdings wurden den Mongolen des Il-Khanats die Grenzen aufgezeigt, als sie beim Versuch der Invasion Ägyptens von der Armee des ägyptischen Mamlukensultanats geschlagen wurden, so dass der Euphrat fortan die Grenze zwischen den Machtbereichen der Mongolen und der Mamluken bildete.

Auch im Osten waren mit dem Tod des Dschingis Khans die Eroberungen nicht abgeschlossen. Ab 1252 begannen die Angriffe der Mongolen gegen das chinesische Kaiserreich der Dynastie der südlichen Song, die noch das China südlich des Jangtsekiang beherrschte. Mit der Erhebung des Dschingis-Khan-Enkels Khubilai 1260 zum 5. Großkhan der Mongolen verstärkten sich die mongolischen Bemühungen, ganz China in ihren Machtbereich zu bekommen. 1276 kapitulierte die Hauptstadt Hangzhou, nach 1279 war jeder Widerstand gebrochen. Khubilai gründet die Yuan-Dynastie in China.

Mit der Herrschaft des Großkhans Khubilai ab 1260 beginnt allerdings das langsame Auseinanderbrechen des Weltreichs der Mongolen, deren Teilkhanate immer unabhängiger werden und eine Oberherrschaft des Großkhans nicht mehr akzeptieren. Im Laufe der Zeit zerfallen viele Khanate in immer kleiner Herrschaftsbereiche. Die Herrschaftsbereiche des Il-Khans und der Yuan-Dynastie gehen schon im nächsten Jahrhundert verloren. In den Gebieten, in denen mongolische Dynastien längere Zeit regieren, gleichen sie sich immer mehr ihrer umgebenden Bevölkerungen an.

Für die abschließende Betrachtung der mongolischen Expansion werden zwei Ansätze gewählt. Zum einen wird die brutale Kriegsführung der Mongolen angesprochen, zum anderen ist das Mongolenreich in eine welthistorische Perspektive zu rücken.

Strategie statt Sadismus

Wie soll man verstehen, was sich im Zusammenhang mit der Errichtung des mongolischen Imperiums ereignete? Die Kriegsführung war geprägt durch Massaker und Deportationen. Städte und ganze Landstriche wurden verheert und entvölkert.

Aus heutiger Sicht kann eine finale Beurteilung der mongolischen Eroberungen nach unseren ethischen Kriterien natürlich nur negativ sein.

Die Geschichtswissenschaft muss aber immer bemüht sein, eine Kultur und das Handeln ihrer Repräsentanten aus der jeweiligen Zeit heraus zu verstehen. Man ist als Betrachter einer fernen Zeit deshalb immer in der Doppelrolle, erst die Handlung der Menschen objektiv aus ihrer Zeit und ihrer Kultur heraus zu verstehen und erst dann in einem zweiten Schritt eine moralische Bewertung aus der Sicht der eigenen Zeit abzugeben.

Das versucht die Historikerin und Religionswissenschaftlerin K. Kollmar-Paulenz (Die Mongolen, S. 31 f.), die anmerkt, dass die mongolischen Feldzüge, die einen überproportionalen und unkontrollierten Blutzoll unter der sesshaften Bevölkerung der eroberten Gebiete zu fordern schienen, doch eigentlich strategischen Überlegungen folgten und nicht etwa sadistischen Neigungen der Eroberer, wie muslimische und europäische Chronisten den Mongolen oft unterstellten würden. Sie schildert unter der etwas irritierenden Kapitelüberschrift „Wege zum Erfolg“ in ihrem Buch die verschiedenen Methoden, die die Mongolen bei ihrem Sturm auf die ganze Welt zur Sicherung ihrer Macht und ihrer Suprematie über die unterworfenen Völker anwandten:

  • Dezimierung der Bevölkerung aus demographischen Erwägungen

„Die Mongolen waren von Beginn an in den eroberten Gebieten zahlenmäßig unterlegen, und die Dezimierung der Bevölkerung war eine Methode, dieses demographische Ungleichgewicht etwas auszugleichen.“

  • Schaffung von Zerstörungsgürteln

„Auffällig ist auch, dass die Mongolen auf ihren Eroberungszügen wesentlich größere Gebiete verwüsteten als sie schließlich tatsächlich besetzten. So etablierte Dschingis Khan seine Statthalter in Transoxanien, aber seine Truppen verwüsteten die gesamten umliegenden Regionen, Khorasan, Iran, Aserbeidschan und den Kaukasus. Der Zerstörungsgürtel, den die Mongolen um das Gebiet, in dem sie ihre politische Autorität etablierten, zogen, sorgte dafür, dass ihr politisch reklamiertes Territorium geschützt wurde, und er schaffte Weidegründe, die die Armee für ihre mitgeführten Herden dringend brauchte.

  • Mischung divergierender Bevölkerungsgruppen und Bevölkerungstransfer

„Die Ansiedlung ethnisch und sprachlich divergierender Gruppen aus anderen Gebieten passte ebenfalls in die Strategie, einerseits die lokale Bevölkerung auszudünnen, andererseits den ökonomischen und administrativen Anforderungen des entstehenden Reiches gerecht zu werden. (…). Schon während des Westfeldzugs wurden systematisch Handwerker und andere Spezialisten registriert, in die mongolischen und uigurischen Gebiete sowie Nordchina abtransportiert und dort wieder angesiedelt. Gleichzeitig wurden chinesische und uigurische Spezialisten, aber auch Ackerbauern oder Ärzte aus den Ostgebieten nach Westasien gebracht.“

  • Schaffung und Aufrechterhaltung eines funktionierenden Straßensystems

„Dem Handel wurde schon in den Anfängen des mongolischen Reiches Priorität eingeräumt. Trotz des enormen ökonomischen Aufwands, die Kriegsmaschinerie in Gang zu halten, wurden die Handelswege stets sorgfältig in Stand gehalten und ausgebaut, um den reibungslosen Verkehr der Truppenverbände, aber auch der Waren zu gewährleisten.“

  • Eliminierung der lokalen Eliten

„Die lokalen Eliten wurden zumeist eliminiert, und an ihrer Stelle wurden den Mongolen ergebene Statthalter, die aus anderen Gebieten stammten, eingesetzt. Diese lokalen Administratoren, die sowohl die zivile wie die militärische Autorität ausübten und mit Dschingis Khan loyal ergebenen Männern besetzt wurden, trugen zur raschen Implementierung der Herrschaft in den eroberten Gebieten bei.“

  • Brutalität als psychologische Kriegsführung

„Darüber hinaus bedienten sich die Mongolen wohl das erste Mal in der Geschichte einer gezielten psychologischen Kriegsführung. Sie verbreiteten mit Absicht das Bild von Schonungslosigkeit und Grausamkeit, um den Gegner durch Furcht zum Einlenken zu zwingen. Die grausamen Massaker an den Bewohnern von Städten, die sich ihnen widersetzt hatten, dienten auch dazu, die nächste Belagerung im Vorfeld zu vermeiden, weil die Bevölkerung, durch abschreckende Beispiele mürbe geworden, sich ohne Kampf ergab.“

Einheitliche Gesetze und religöse Toleranz

Das deutliche Bemühen, nicht wertende und objektive wissenschaftlich Begriffe zu verwenden, ist manchmal grenzwertig. So werden bei „politisch reklamiertes Territorium“ als Begriff für ein im Zuge eines Angriffskriegs besetztes Gebiet oder bei „Implementierung der Herrschaft“ zur Beschreibung der endgültigen gewaltsamen Machtdurchsetzung in einem eroberten Gebiet sehr euphemistische Begriffe verwendet, um jegliche Wertung zu vermeiden.

Es ist allerdings anzunehmen, dass die Mongolen bei ihrem brutalen Vorgehen keineswegs sadistischen Trieben folgten, sondern in gewisser Weise „rational“ vorgingen, also eher von kriegstaktischen Überlegungen bzw. von Nützlichkeitserwägungen geleitet wurden. Fakt ist, dass wir es mit einer vergangenen, uns unfassbar fremden menschlichen Kultur und Mentalität zu tun haben, in der z. B. die Tötung von Gefangenen, egal ob es um Zivilisten oder gegnerische Soldaten geht, von der Frage abhängig sein konnte, ob man dauerhaft in einem eroberten Gebiet bleiben wollte, man sie somit noch brauchen konnte und ökonomische Erwägungen dafür sprachen, sie am Leben zu lassen, oder ob man wieder abziehen musste oder wollte, und damit aus Sicht der Mongolen die Gefangenen aus kriegstaktischen Gründen zu töten waren, damit sie nicht zu einer Gefahr des abziehenden Heeres werden konnten. Das ist aus unserer heutigen Sicht brutal und unmenschlich, doch nach den Sitten und Gepflogenheiten der Steppe, die nicht nur für die Mongolen galten, wurden Unterworfene bzw. Gefangene als Besitz und Sache angesehen, Solidarität, Erbarmen und Mitmenschlichkeit galten nur innerhalb der eigenen Gruppe. Als die Mongolen zum Sturm auf die Welt aufbrachen, befanden sie sich auf der Zivilisationsstufe eines nomadischen Feudalismus, ihre Sicht auf die Welt, ihre Mentalität war von diesen Umständen geprägt, die Methoden, die sie bei ihren Eroberungen anwandten, auch.

In der Perspektive einer welthistorischen Betrachtung werden auch positive Auswirkung der mongolischen Herrschaft gewürdigt:

„Während das Wort ‚Mongole‘ immer noch Vorstellungen von Zerstörung und Gewalt hervorruft, steht doch fest, dass die wahre Größe des Mongolischen Reichs über seine militärische Macht hinausreichte. Gerade jetzt am Anfang des 21. Jahrhunderts, schätzen viele Historiker dessen Langzeitwirkung ganz neu ein und konzentrieren sich dabei auf Handel, die Religion und den Ideenaustausch.“ (Jim Masselos, Imperien Asiens, Stuttgart 2010, S. 45)

Die Sicherung des Fernhandels in den Gebieten des mongolischen Machtbereichs bekommt in dieser Perspektive und im Hinblick auf den grenzenlosen Handel im 21. Jahrhundert einen ganz neuen Stellenwert. Sieht man das mongolische Imperium aus dieser welthistorischen Perspektive (und vergisst, wie das Imperium zustande gekommen ist), kommt man zu folgendem Ergebnis: Für ein knappes Jahrhundert bestand ein Großreich in Eurasien, in dem die Pax Mongolica herrschte, in dem religiöse Toleranz, eine einheitliche Gesetzgebung, ein funktionierendes Postsystem und schnelle und sichere Fernhandels- und Reisewege (vor allem im Bereich der Seidenstraße) existierten. Es verband Kleinasien am Mittelmeer, die Ukraine am Schwarzen Meer, Persien am Indischen Ozean mit China und Korea, die an den Pazifischen Ozean grenzen. Der Historiker Imanuel Geiss charakterisierte das Auftreten der Mongolen in der Weltgeschichte als einzigartig (I. Geiss, Geschichte griffbereit 6, Hamburg 1979, S. 239):

„Von Japan im Osten bis nach Deutschland im Westen wurden so zahlreiche Völker auf einmal in so kurzer Zeit direkt oder indirekt von einer einzigen Ursache mehr oder weniger berührt, wie es danach vermutlich erst wieder mit den beiden Weltkriegen geschah, die dann aber tatsächlich die gesamte Welt in Mitleidenschaft zogen.“

Als Europa das Schießen lernte

Die direkt betroffenen Staaten und Völker wurden in ihrer allerdings Entwicklung zurückgeworfen. Eine sich erst allmählich entwickelnde, aber dennoch folgenreiche Auswirkung des Mongolensturms war die Kenntnis über Schießpulver und Feuerwaffen der Mongolen, die nun nach Europa gelangten. Die ständig weiterentwickelte Waffentechnik führte schließlich zur weltpolitischen Dominanz der Europäer bei ihrem Ausgreifen in die Welt. Denn auch das war eine Auswirkung der Mongolenzeit: die Europäer erhielten verstärkt Kenntnis von den Gebieten und Völkern Mittel- und Ostasiens. Nach dem Zerfall des mongolischen Weltreichs und dem Ende von Byzanz waren die Fernhandelswege nach Indien und China wieder unsicher, so dass nun verstärkt der Seeweg nach Indien gesucht wurde.

Dadurch dass es dem charismatischen Heerführer Temüdschin, später Dschingis Khan genannt, gelang, die verschiedenen Reiter- und Nomadengesellschaften des östlichen Zentralasiens zu einem zentral und hierarchisch regierten Großverband zu vereinigen, in dem eine feudalistische Kriegeraristokratie mit der Familie des Dschingis Khan an der Spitze dominierte, entstand ab 1206 eine schlagkräftige Militärmaschinerie, der über ein halbes Jahrhundert lang keiner der existierenden Reiche und Großverbände dieser Erde etwas entgegensetzen konnten. Die mongolische Expansion war zuletzt so erfolgreich, dass die Mongolei selbst zu einem Nebenland des mongolischen Weltreichs wurde. In dieses Ursprungsland zogen sich die Mongolen nach dem Zerfall ihres Reichs wieder zurück.


Quelle und Kommentare hier:
http://www.geolitico.de/2018/06/13/der-traum-von-der-weltherrschaft/