Der Kalergi-Plan | Das Judentum als „geistige Führerrasse Europas“

von Robert Nitsch

In der rechten Filterblase stößt man immer wieder auf die Verschwörungstheorie vom sogenannten „Kalergi-Plan“. Kurz gefasst wird die folgende Behauptung aufgestellt: Richard Coudenhove-Kalergi, einer der prominenten Vordenker und Wegbereiter der Europäischen Union, hätte in seinem Buch Praktischer Idealismus (1925) die Durchmischung der europäischen Völker geplant.

Ich bin der Sache mal auf den Grund gegangen. Fazit: Einen eindeutigen Plan zur Vermischung der Völker konnte ich in dem Buch nicht finden. Allerdings bin ich auf eine Vielzahl von eindeutig rassistischen Aussagen gestoßen:

Kalergi hat in seinem Werk die Juden aus Gründen rassischer Überlegenheit sinngemäß zu Herrenmenschen erklärt.

Das pan-europäische Establishment scheint sich an diesem Rassismus kurioserweise nicht sonderlich zu stören, wie eine Anfrage meinerseits ergeben hat.

Wer ist Kalergi überhaupt?

Dazu Wikipedia:

„Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi (1894 in Tokio; † 1972 in Schruns, Österreich) war ein japanisch-österreichischer Schriftsteller, Philosoph, Politiker und Gründer der Paneuropa-Union. Zudem war er der erste Träger des Karlspreises.“ (Link)

Der Karlspreis wird in Aachen „seit 1950 in der Regel jährlich an Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens verliehen, die sich um Europa und die europäische Einigung verdient gemacht haben“ (Link).

Außerdem gibt es noch einen Preis, der im Namen von Kalergi vergeben wird. Sogar Angela Merkel wurde damit ausgezeichnet. Dazu entnehmen wir dem Archiv der Bundesregierung:

„Die Europa-Gesellschaft Coudenhove-Kalergi hat Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem Europapreis 2010 ausgezeichnet. Der Preis wird alle zwei Jahre für außerordentliche Verdienste im europäischen Einigungsprozess verliehen.“ (Link, Backup-Link)

Es gibt keinen Umvolkungs-„Plan“

Der Begriff „Plan“ würde meiner Ansicht nach definitionsgemäß bedeuten, dass jemand ein bestimmtes Ziel definiert und Maßnahmen vorschlägt, um dieses Ziel zu erreichen. In diesem Fall müsste Kalergi also die Durchmischung der Völker oder Rassen fordern und Maßnahmen vorschlagen, um dies durchzuführen.

Die Quelle, die in rechten Kreisen meistens als angeblicher Beweis für den bösartigen Kalergi-Umvolkungs-„Plan“ herhalten muss, gibt das jedoch nicht ansatzweise her. Es wird dabei stets auf sein Werk Praktischer Idealismus (1925) verwiesen.

Die Links zur ePub- und PDF-Version des Buchs kann man der Wikipedia-Seite zu seiner Person entnehmen; das PDF habe ich gesichert und hier auf meinem Blog hochgeladen. Im Folgenden beziehen sich die Seitenzahlen stets auf die PDF-Version von „Praktischer Idealismus“.

Konkret wird Kalergi von Rechten oft die folgende Aussage vorgeworfen:

„Der Mensch der fernen Zukunft wird Mischling sein. Die heutigen Rassen und Kasten werden der zunehmenden Überwindung von Raum, Zeit und Vorurteil zum Opfer fallen. Die eurasisch-negroide Zukunftsrasse, äusserlich der altägyptischen ähnlich, wird die Vielfalt der Völker durch eine Vielfalt der Persönlichkeiten ersetzen.“

– Seite 22-23

Das erfüllt jedoch nicht ansatzweise die Definition eines Plans. Kalergi prophezeit nur, dass die Menschen sich in ferner (!) Zukunft vermischt haben werden. Diese Prophezeiung kann man für richtig oder für falsch halten, aber sie stellt keinen Plan dar.

Er betrachete „Mischlinge“ auch nicht einseitig als etwas erstrebenswertes, sondern hat sie durchaus differenziert mit Vor- und Nachteilen gesehen:

„Die Folge ist, daß Mischlinge vielfach Charakterlosigkeit, Hemmungslosigkeit, Willensschwäche, Unbeständigkeit, Pietätlosigkeit und Treulosigkeit mit Objektivität, Vielseitigkeit, geistiger Regsamkeit, Freiheit von Vorurteilen und Weite des Horizontes verbinden.“

– Seite 21

Der Rassismus quillt aus allen Poren

Es gibt noch einen weiteren Grund, weshalb der Vorwurf der planmäßigen Rassenvermischung Blödsinn ist. Kalergi glaubte nämlich fest an biologische, rassische Rangunterschiede. Er unterteilte die Menschen in höherwertige (vor allem die Juden) und minderwertige Gruppen. Eine planmäßige Vermischung würde innerhalb seines eigenen Weltbildes daher überhaupt keinen Sinn machen.

Beispielsweise bezeichnet er das Judentum in seinem Buch an prominenter Stelle als die „geistige Führerrasse Europas“:

„Der Buchdruck gab dem Geist ein Machtmittel von unbegrenzter Tragweite; rückte die schreibende Menschheit in den Mittelpunkt der lesenden und erhob so den Schriftsteller zum geistigen Führer der Massen. (…)

Nun stehen wir an der Schwelle der dritten Epoche der Neuzeit: des Sozialismus. Auch er stützt sich auf die urbane Klasse der Industriearbeiter, geführt von der geistigen Urban-Aristokratie revolutionärer Schriftsteller.

Der Einfluß des Blutadels sinkt, der Einfluß des Geistesadels wächst.

Diese Entwicklung, und damit das Chaos moderner Politik, wird erst dann ein Ende finden, bis eine geistige Aristokratie die Machtmittel der Gesellschaft: Pulver, Gold, Druckerschwärze an sich reißt und zum Segen der Allgemeinheit verwendet.

Eine entscheidende Etappe zu diesem Ziel bildet der russische Bolschewismus, wo eine kleine Schar kommunistischer Geistesaristokraten das Land regiert und bewußt mit dem plutokratischen Demokratismus bricht, der heute die übrige Welt beherrscht.

Der Kampf zwischen Kapitalismus und Kommunismus um das Erbe des besiegten Blutadels ist ein Bruderkrieg des siegreichen Hirnadels, ein Kampf zwischen individualistischem und sozialistischem, egoistischem und altruistischem, heidnischem und christlichem Geist. Der Generalstab beider Parteien rekrutiert sich aus der geistigen Führerrasse Europas: dem Judentum.

– Abschnitt 6 „Geistesherrschaft statt Schwertherrschaft“, Seite 32 bis 33

Als ich dies zum ersten Mal las, dachte ich mir nur: Wait what?! What the fuck!?

Der schwärmt hier offen von der „jüdischen Führerrasse“ Europas und stellt die Behauptung auf, dass die Juden auf beiden Seiten die führende Kraft sind: Auf Seiten der Bolschewisten im Osten und auf Seiten der Kapitalisten im Westen. Der angebliche „jüdische Bolschewismus“ gilt doch sonst immer als ganz schlimme und gefährliche antisemitische Verschwörungstheorie der Nationalsozialisten, an der überhaupt nichts wahres dran sei.

Und damit es nicht untergeht: Kalergi hält den Bolschewismus für eine wichtige Etappe, damit eine geistige Aristokratie die Machtmittel der Gesellschaft an sich reißen kann, um diese zum Segen der Allgemeinheit zu verwenden. Zu den Machtmitteln zählt er Pulver, Gold und Druckerschwärze, also insbesondere auch die Presse bzw. die Zeitungen. Und das lässt der alles im Kontext der federführenden Juden vom Stapel. Das ist Wasser auf die Mühlen der übelsten antisemitischen Verschwörungstheoretiker.

Schon allein die Vokabeln müssen einem sauer aufstoßen: „Jüdische Führerrasse“. Was zum Teufel?!

Seine Aussagen zum Schul- und Pressewesen sind auch sehr interessant, weil er sie – ganz unverhohlen – als wichtige Werkzeuge zur Erziehung der Massen ansieht:

„Auch die publizistische Intelligenz hat ihre Führermission verraten. Sie, die berufen war, die geistige Führerin und Lehrerin der Massen zu werden, zu ergänzen und zu verbessern, ws ein rückständiges Schulsystem versäumt und verbrochen hat – erniedrigte sich in ihrer ungeheuren Mehrheit zur Sklavin des Kapitals, zur Verbildnerin des politischen und künsterlichen Geschmackes. Ihr Charakter zerbrach unter dem Zwang, statt eigener Überzeugungen fremde zu vertreten und zu verteidigen – ihr Geist verflachte durch die Überproduktion, zu der ihr Beruf sie zwingt.

Wie der Rhetor der Antike, so steht der Journalist der Neuzeit im Zentrum der Staatsmaschine: er bewegt die Wähler, die Wähler die Abgeordneten, die Abgeordneten die Minister. So fällt dem Journalisten die höchste Verantwortung für alles politische Geschehen zu (…).

Schule und Presse sind die beiden Punkte, von denen aus die Welt sich unblutig, ohne Gewalt erneuern und veredeln ließe. Die Schule nährt oder vergiftet die Seele des Kindes; die Presse nährt oder vergiftet die Seele des Erwachsenen. Schule und Presse sind heute beide in den Händen einer ungeistigen Intelligenz: sie in die Hände des Geistes zurückzulegen, wäre die höchste Aufgabe jeder idealen Politik, jeder idealen Revolution. (…)

Es liegt im Sinne historischer Nemesis, daß die große Sintflut, die von Rußland ihren Ausgang nimmt, auf blutigem oder unblutigem Wege die Welt von den Usurpatoren reinigt, die ihre Vorzugsstellungen behuapten wollen, während sie längst deren einstige Voraussetzungen verloren haben.“

– Abschnitt 7 „Adelsdämmerung“, Seite 36 bis 37

Bemerkenswert: Die idealen Journalisten werden von Kalergi im Grunde als gönnerhafte Volkserzieher gezeichnet, die den dummen Pöbel zu den einzig wahren, noblen Werten führen. Mich erinnert das stark an die Arroganz und Selbstherrlichkeit der Journalisten heutiger Tage. Die führen sich heute genauso auf, wie sich der Kalergi das hier gewünscht hat: Ständige Umerziehung des Volkes im Sinne sozialistischer Weltverbesserungs-Träumereien.

„Der Aristokrat als Führer ist ein politischer Begriff; der Adelige als Vorbild ist ein ästhetisches Ideal. Höchste Forderung verlangt, daß Aristokratie mit Adel, Führer mit Vorbild zusammenfällt: daß vollendeten Menschen die Führerschaft zufällt.

Von der europäischen Quantitätsmenschheit, die nur an die Zahl, die Masse glaubt, heben sich zwei Qualitätsrassen ab: Blutadel und Judentum. Voneinander geschieden, halten sie beide fest am Glauben an ihre höhere Mission, an ihr besseres Blut, an menschliche Rangunterschiede. In diesen beiden heterogenen Vorzugsrassen liegt der Kern des europäischen Zukunftsadels: im feudalen Blutadel, soweit er sich nicht vom Hofe, im jüdischen Hirnadel, soweit er sich nicht vom Kapital korrumpieren ließ. Als Bürgschaft einer besseren Zukunft bleibt ein kleiner Rest sittlich hochstehenden Rustikaladels und eine kleine Kampfgruppe revolutionärer Intelligenz. Hier wächst die Gemeinschaft zwischen Lenin, dem Mann aus ländlichem Kleinadel, und Trotzki, dem jüdischen Literaten, zum Symbol (…)

In geistigere und freiere Bahnen gelenkt, könnten sich die starken Adeligen Energien, die bisher Stützen der Reaktion waren, zu neuer Blüte regenerieren und Führernaturen zeugen, die Unbeugsamkeit des Willens mit Seelengröße und Selbstlosigkeit verbinden; und, statt als Exponenten des Bürgertums (das ihnen im Innersten zuwider ist) kapitalistischen Interessen zu dienen, in eine Reihe treten mit den Vertretern des verjüngten Geistesadels zur Befreiung und Veredelung der Menschheit.“

– Seite 45 bis Seite 46

Jetzt wird’s echt schräg. Die Europäer werden einfach mal so in den Topf „Quantitätsmenschen“ herabgewürdigt und den Juden als veredelten Qualitäts-Übermenschen gegenübergestellt. Naja, immerhin nimmt er den europäischen Blutsadel davon aus. Aus dem überlegenen Blutadel und dem überlegenen Judentum könnten „Führernaturen“ hervorgehen, die „Unbeugsamkeit des Willens mit Seelengröße und Selbstlosigkeit verbinden“, und die die Menschheit gemeinsam befreien und veredeln. Mit eben solchem pathetischen Vokabular haben die Nazis auch ihren großen Führer Adolf Hitler verehrt.

So harten Tobak habe ich schon lange nicht mehr gelesen. Immerhin… eine einzige Stelle habe ich gefunden, bei der sich Kalergi auch einmal negativ oder differenziert über die Juden äußert:

„Hauptträger des korrupten wie des integren Hirnadels: des Kapitalismus, des Journalismus und Literatentums, sind Juden. Die Überlegenheit ihres Geistes prädestiniert sie zu einem Hauptfaktor zukünftigen Adels.

Ein Blick in die Geschichte des jüdischen Volkes erklärt seinen Vorsprung im Kampf um die Menschheitsführung.“

– Seite 49

Ich interpretiere das mal so, dass nach Ansicht von Kalergi die Juden sowohl die einflußreichsten integren Eliten stellen, als auch die einflußreichsten korrupten Eliten. Im Sinne von: Wo viel Licht, da ist auch viel Schatten (dazu kommt gleich noch ein wörtliches Zitat).

„Statt das Judentum zu vernichten, hat es Europa wider
Willen durchjenen künstlichen Ausleseprozeß veredelt und zu einer Führernation der Zukunft erzogen.

Kein Wunder also, daß dieses Volk, dem Ghetto-Kerker entsprungen, sich zu einem geistigen Adel Europas entwickelt. So hat eine gütige Vorsehung Europa in dem Augenblick, als der Feudaladel verfiel, durch die Judenemanzipation eine neue Adelsrasse von Geistes Gnaden geschenkt.

Der erste typische Repräsentant dieses werdenden Zukunftsadel war der revolutionäre Edeljude Lasalle, der in hohem Maße Schönheit des Körpers mit Edelmut des Charakters und Schärfe des Geistes vereinte: Aristokrat im höchsten und wahrsten Sinne des Wortes, war er ein geborener Führer und Wegweiser seiner Zeit.“

– Seite 50

Es muss Ferdinand Lasalle gemeint sein, einer der Gründerväter der heutigen SPD (Link). Ich schließe daraus, dass Kalergi allergrößte Sympathien für die sozialistische bzw. sozialdemokratische Bewegung hegte. Die Bolschewisten scheint er ja auch ganz gut gefunden zu haben.

„Die jüdischen Helden und Märtyrer der ost- und mitteleuropäischen Revolution stehen an (…) der Spitze der sozialistischen Weltbewegung.“

– Seite 51

Das deckt sich mit seiner früheren Aussage, dass die Juden zum Generalstab der bolschewistischen Bewegung zählen würden. Es deckt sich auch mit seiner Bewunderung für Lasalle, der – als Jude – einer der wichtigsten Vertreter der Sozialisten in Deutschland war.

„Die prominente Stellung, die das Judentum heutzutage innehat, verdankt es allein seiner geistigen Überlegenheit, die es befähigt, über eine ungeheuere Übermacht bevorzugter, gehässiger, neidischer Rivalen im geistigen Wettkampf zu siegen.

Der moderne Antisemitismus ist eine der vielen Reaktionserscheinungen des mittelmäßigen gegen das Hervorragende; ist eine neuzeitliche Form des Ostrakismus, angewandt gegen ein ganzes Volk. Als Volk erlebt das Judentum den ewigen Kampf der Quantität gegen die Qualität, minderwertiger Gruppen gegen höherwertige Individuen, minderwertiger Majoritäten gegen höherwertige Minoritäten.“

– Seite 52

Also bei Kalergi denkt man doch manchmal echt, man würde Adolf Hitlers Mein Kampf mit umgekehrtem Vorzeichen lesen. Was soll man sonst noch dazu sagen? Die Juden seien höherwertige Menschen, und Antisemiten seien bloß neidische minderwertige Menschen, und es gebe einen „Kampf der Quantität gegen die Qualität“. Ok, Herr Kalergi, danke für Ihre Einschätzung. Ihren NSDAP-mal-umgekehrt-Mitgliedsausweis erhalten Sie demnächst per Post.

Kalergi spielt aber auch nochmal auf die Schattenseiten des Judentums an:

„Wo viel Licht, da ist viel Schatten. Geniale Familien weisen einen höheren Prozentsatz an Irrsinnigen und Verbrechern auf als mittelmäßige; das gilt auch von Völkern. Nicht bloß die revolutionäre Geistesaristokratie von morgen – auch die plutokratische Schieber-Kakistokratie von heute rekrutiert sich vornehmlich aus Juden: und schärft so die agitatorischen Waffen des Antisemitismus.“

– Seite 53

Nichtsdestotrotz hält er sie für ein „Herrenvolk“:

„So hat das geistige Herrenvolk der Juden unter Zügen des Sklavenmenschen zu leiden, die ihm seine historische Entwicklung aufgeprägt hat: noch heute tragen viele jüdische Führerpersönlichkeiten Haltung und Geste des unfreien, unterdrückten Menschen. In ihren Gesten sind herabgekommene Aristokraten oft adeliger als hervorragende Juden.“

– Seite 54

Das ist erschreckend nah dran an dem Rassismus der Nationalsozialisten, die die arische Rasse stets als neuen Herrenmenschen stilisierte. Bloß, dass es hier die Juden sein sollen.

Vorsicht bei der Bewertung

Ich war zunächst sehr verunsichert und wollte nicht glauben, was ich las. Daher habe ich mir überlegt, wie diese Zitate wohl zu erklären sein könnten:

  • Es könnte sich um eine Fälschung handeln. Ich weiß nicht, ob das PDF authentisch ist. Die Aussagen sind so extrem rassistisch, dass es auf mich teilweise wie eine übertriebene Fälschung wirkt – vielleicht eine false flag Operation von Rechtsradikalen oder von Geheimdiensten. Das Gute ist: Die Authentizität der Zitate müsste man relativ gut nachprüfen können.
  • Selbst, wenn die Zitate authentisch sind, könnte sich Kalergi im Laufe seines Lebens davon distanziert haben. Den Karlspreis hat er erst 1950 erhalten. Mit dem zweiten Weltkrieg und dem Nationalsozialismus, der zwischen der Veröffentlichung seines Buchs 1925 und der Verleihung des Karlspreises 1950 lag, hatte er genug Zeit und genug Anlass, seine rassistischen Aussagen zu überdenken.

Anfrage bei der Kalergi-Stiftung

Aus diesen Gründen habe ich einfach mal bei der Europa-Gesellschaft Coudenhove-Kalergi nachgefragt. Deren Generalsekretär, Heinz Wimpisser, hat sich daraufhin für mich in seinem Bekanntenkreis bei „sehr guten Kennern von RCK’s Werk und Leben“ umgehört und mir die folgenden Stellungnahmen zukommen lassen.

Zumindest eine der Stellungnahme stammt von einer führenden Persönlichkeit der pan-europäischen Bewegung. Sie lautet wie folgt:

„Interessanterweise kommen in den vorigen paar Jahren wieder verstärkt emails und sonstige Nachrichten mit Zitaten aus den Frühwerken von RCK. Meist sind sie von einschlägigen politischen Kreisen, die dann daraus irgendwelche Verschwörungstheorien ableiten. So gibt es mittlerweile einen „Coudenhove-Soros-Plan“, mit dem die Abschaffung der europäischen Völker durch Massenimigration aus islamischen Ländern durchgeführt wird, und vieles andere.

Für eine ausführliche Antwort habe ich keine Zeit, aber ich würde Robert Nitsch in etwa so antworten:

Sehr geehrter Herr Nitsch!

Vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihr Interesse an Richard Coudenhove-Kalergi, mit dem Sie sich – so schließe ich zumindest aus den Schlussbemerkungen Ihrer Nachricht – etwas intensiver als nur mit den vorgelegten Zitaten beschäftigt haben. RCK hat ja über mehr als ein halbes Jahrhundert publiziert und Reden gehalten, weshalb es wichtig ist, sein Gesamtwerk zu bewerten. Einen Überblick gibt hier beispielsweise dieser Artikel vom Generalsekretär der Paneuropabewegung Österreich, Rainhard Kloucek: https://www.paneuropa.at/download/richard-coudenhove-kalergi-und-sein-europa/?wpdmdl=450

Die Frühwerke von RCK, seine sogenannten philosophischen Werke, sind nicht in das Erbe der Paneuropa-Union und auch nicht das der Europagesellschaft Coudenhove-Kalergi eingegangen. Faktum ist, dass er das Buch „Praktischer Idealismus“ geschrieben hat. Ob jetzt alle im Internet zu findenden Versionen echt sind, kann ich weder bestätigen noch dementieren. Zweifelsohne konnte man 1925 noch anderes formulieren als man das heute tun würde. Aus einzelnen Textpassagen bei RCK eine antisemitische Einstellung herauszulesen wäre aber eindeutig falsch, hat doch RCK das Werk seines Vaters gegen den Antisemitismus vervollständigt und publiziert.

Für RCK hatten diese frühen „philosophischen“ Werke (er wollte ja ursprünglich Philosoph werden) in späterer Folge keine echte Bedeutung mehr. In seiner Autobiographie schreibt er darüber, dass sie in Vergessenheit geraten sind, und er auch nichts getan hat um ihre Verbreitung zu fördern.

Interessant ist, dass vor dem Zweiten Weltkrieg nationalistische und nationalsozialistische Kreise immer wieder mit Zitaten aus diesen Frühwerken kamen, um damit Nachzuweisen, dass RCK „entartet“ sei. Heute versuchen nationalistische und antieuropäische Kreise RCK mit diesen Zitaten in eine rassistische, teilweise gar antisemitische Ecke zu stellen. Versuche, die bei einer nähern Beschäftigung mit dem Werk des Paneuropa-Gründers ins Leere gehen, leider aber immer wieder Anhänger finden. Wie gesagt, man hat vor 90 Jahren auch noch anderes formuliert.

Herzliche Grüße, R.“

Meine Lieblingsaussage: Damals hatte man noch mehr Meinungsfreiheit. Ansonsten wird hier die Echtheit weder bestätigt noch dementiert. Das ist relativ viel Text, aber wenig Substanz.

Die andere Stellungnahme lautet so:

„Es hat vermutlich heute wenig Sinn, zu erklären, dass RCK ausgesprochen philo-semitisch war, also die Juden für eine intellektuelle Elite hielt, deren Führungsrolle in den unterschiedlichen weltanschaulichen Strömungen (Kommunismus, Kapitalismus) er bewunderte – nicht kritisch hinterfragte. In „Praktischer Idealismus“ (1925) rühmt er, dass Juden „einst zu Schöpfern der christlichen Weltbewegung“ wurden, und heute „an der Spitze der sozialistischen“ stünden. Und weiter: „Mit diesen beiden Erlösungsversuchen geistig-sittlichen Ursprunges hat das Judentum die enterbten Massen Europas reicher beschenkt als irgendein zweites Volk. Wie denn auch das moderne Judentum durch seinen Prozentsatz an bedeutenden Männern alle übrigen Völker übertrifft.“

Wichtig ist der Hinweis auf sein Buch „Judenhass von heute“, das er zusammen mit dem Werk seines Vaters „Das Wesen des Antisemitismus“ 1935 publizierte. Heute noch lesenswert.

Interessant ist auch, dass RCK den Nazis in allem vehement widersprach, auch in der Idee, dass es überhaupt so etwas wie reine Rassen in Europa geben könne. Von nationalistischer Seite wurde und wird er deshalb als Propagandist einer „eurasisch-negroiden Mischrasse“ beschimpft.“

Hiermit wird die judenfreundliche Haltung von RCK klar bestätigt. Es handelt sich also wohl kaum um eine Fälschung. Man kann deshalb davon ausgehen, dass die vorliegende Text-Version von Praktischer Idealismus authentisch ist. Schließlich handelt es sich hier laut Heinz Wimpisser um einen sehr guten Kenner des Lebenswerkes von RCK. Die müssten es ja wissen!

Fazit

Ich sehe den Rassismus von Kalergi deutlich kritischer. Ebenso nehme ich Anstoß an den verharmlosenden Stellungnahmen. Schließlich hat sich Kalergi anscheinend nie von seinen Aussagen distanziert. Es hat sich einfach bis heute niemand mehr für seine rassistischen Ergüsse interessiert oder daran gestört.

Meine Haltung ist wie folgt: Entweder man ist konsequent gegen jeden Rassismus oder überhaupt nicht. Wenn es unser Establishment ernst meinen würde mit der Kritik am Rassismus der Nationalsozialisten, dann müssten sie auch den Rassismus aus anderer Richtung kritisieren und verdammen. Dass mit Kalergi ein sozialistischer Träumer und der wohl wichtigste Wegbereiter der heutigen Europäische Union mit seinem platten Führerrassen-Rassismus davon kommt, spricht Bände.

Man muss sich auch fragen, welche Konsequenzen diese Doppelmoral hat. Als denkender Mensch muss man doch die logische Schlussfolgerung ableiten: Rassismus ist für unsere Eliten völlig in Ordnung, wenn damit Juden angehimmelt und verehrt werden. Die sonst so klare antirassistische Haltung ist also nur aufgesetzt. In Wahrheit sind diese Leute nicht antirassistisch, sondern sie sind aufgrund ihres selektiven Antirassismus selbst die größten Rassisten:

  • Wer an die Überlegenheit der arischen, kaukasischen oder weißen Rasse glaubt, der ist böse, natürlich auch rückwirkend. Bei den Nazis sagt ja auch niemand, dass Rassismus damals eben noch salonfähig war.
  • Wer hingegen an die Überlegenheit der Juden glaubt, der macht eben von seiner Meinungsfreiheit Gebrauch. Das soll man mal nicht so streng sehen.

Es gibt noch einen Faktor, der mir übel aufstößt. Ausgerechnet mit dieser pro-jüdischen Doppelmoral werden leider wieder mal antisemitische Verschwörungstheorien gefördert. Unter rechtsextremen wird man dies ganz schnell als weiteren Beweis dafür sehen, dass die Juden weltweit die Strippen ziehen und dass sich der achso noble Antirassismus im Grunde genommen nur selektiv gegen Weiße richtet.

Man sollte mal eine Anfrage an Angela Merkel stellen, ob sie den Kalergi-Preis unter Verweis auf seinen Rassismus nicht lieber zurückgeben möchte. Ihre Reaktion wäre sicher aufschlussreich. Ebenso sollte man fordern, dass dem Kalergi der Karlspreis posthum wieder entzogen wird. Schließlich war das ein ganz schlimmer Rassist und solchen Bösewichten entzieht man doch derartige Ehrungen.

Und wenn der Preis nicht wieder rückwirkend entzogen wird, dann sollte man alle anderen Karlspreis-Träger dazu auffordern, ihren Karlspreis zurückzugeben. Schließlich wollen sie ja nicht dieselbe „Ehrung“ wie ein Rassist haben, oder? Auch das hat es schon gegeben.

Rassismus darf nicht toleriert werden! Setzen wir den ganzen Heuchlern doch mal die Pistole auf die Brust und sehen, wie ernst sie es damit meinen…


Quelle und Kommentare hier:
https://rsnitsch.wordpress.com/2019/03/31/der-kalergi-plan-das-judentum-als-geistige-fuehrerrasse-europas/