Das Sacharow-Szenario

Von (real)Asmodis

Unsereiner lebt als Otto Normalverbraucher sein kleines Leben und andere, viel weiter oben, spielen verrückt. Das Wort „Regierung“ ist – nach dem Umstellen der Buchstaben – nicht von ungefähr ein Anagramm für „Genug Irre“. Selbstverständlich sind die Irren immer die anderen.

Deutschland ist Mitglied der NATO und folglich ist der irre Aggressor natürlich Russland, wie könnte es auch anders sein? Deswegen will man seitens der NATO jetzt auch Streitkräfte aufbauen, die vom Weltraum aus zuschlagen können.

Führt man sich allerdings einmal vor Augen, welche Gebiete die NATO in den vergangenen Jahren hinzu gewonnen hat und welche Gebiete das bei Russland waren (nämlich aus guten Gründen einzig die Krim), dann könnten einem glatt Zweifel an den Meldungen hinsichtlich des irren Aggressors Russland kommen.

Vielleicht ist dieses Feindbild ja auch notwendig, denn die Russen verfügen über Energie und Bodenschätze, die der westlichen Wirtschaft auszugehen drohen – Gas, Erdöl, Metalle usw. Wenn einer aber alles haben und der andere wegen Eigenbedarfs nichts abgeben will, dann … – ich mein‘ ja nur mal!

Sei’s drum: Der Russe ist böse! Punkt! Deswegen haben die USA jetzt auch den INF-Abrüstungsvertrag aufgekündigt: Der Kalte Krieg ist mit Macht zurückgekommen.

Schauen wir uns den INF-Vertrag mal etwas genauer an. Er befasst sich mit Raketen. Raketen verwenden die Militärs, um eine Atom- oder Wasserstoffbombe in ein Ziel zu lenken. Das geht schnell. Das ist technisch aber auch hochkompliziert, denn einerseits braucht man eine raketenfähige Bombe (den Gefechtskopf) und andererseits ein kompliziertes Trägersystem, welches (aus militärischer Sicht) im ungünstigsten Fall obendrein auch noch abgeschossen werden kann. All das kostet ein Heidengeld.

Hm… – braucht man denn wirklich eine Rakete mit Atom- bzw. Wasserstoffbombe, um im Zielgebiet schlimmste Verwüstungen anrichten zu können?

Die größten Verheerungen, die wir kennen, gehen auf Naturkatastrophen zurück. Das sind Vulkanausbrüche, Erdbeben und Tsunamis. Bleiben wir bei dem Tsunami – eigentlich „nur“ eine Welle. Aber eine, die sehr – extrem! – hoch werden und dadurch sehr viel Land überfluten kann.

Tsunamis entstehen auf natürliche Weise. Sie bleiben in Erinnerung – so bspw. der Weihnachts-Tsunami von 2004, der Tsunami des Sumatra-Erdbebens von 2010 oder der des Tohoku-Erdbebens 2011 vor Japan, mit dessen Folgen in Form von Fukushima wir noch heute und auch weiterhin auf noch nicht absehbare Zeit zu kämpfen haben.

Derartige Folgen resultieren aus der Tatsache, dass in sehr vielen Ländern (Japan, USA, z. T. Deutschland, China, England, die Niederlande etc.) alle Industriestädte in Küstennähe liegen – was aufgrund der Nutzung des Wassers als Transportweg historisch bedingt auch nur naheliegend ist.

Nehmen wir mal die beiden letztgenannten Tsunamis, denn zu denen existieren Zahlen über die Eindringtiefe des Wassers ins Binnenland. 2010 waren es bei einer Wellenhöhe von 3m insgesamt 0,6km. Im Jahr 2011 wurde bei einer Wellenhöhe von 23m ein Küstenstreifen von 5km Breite verwüstet.

Tsunamis können noch wesentlich höher auflaufen: Im Jahr 1958 erreichte der Lituya-Bay-Tsunami in Alaska eine Höhe von 520m – also über einen halben Kilometer! Und wenn jetzt jemand auf die wahnwitzige Idee verfallen würde, einen Tsunami mit einer hinreichend starken Wasserstoffbombe künstlich zu erzeugen – ginge das überhaupt? Vermutlich oder vielleicht ja – und genau das ist der Gegenstand des Sacharow-Szenarios.

Betrachten wir zunächst die Wasserstoffbombe.

Die US-Amerikaner machten in den 1950er Jahren ihre Tests auf dem Bikini-Atoll. Eine der Bomben, nämlich Castle Bravo im Jahr 1954, zeigte ein gänzlich unerwartetes Resultat – sie erwies sich nämlich als sehr viel stärker als vorausberechnet. So stark, dass selbst die in vermeintlich „sicherer Entfernung“ beobachtenden US-Kriegsschiffe erhebliche Schäden erlitten.

Man hatte bei Castle Bravo mit einer Deuterium-Tritium-Fusion zu Helium gerechnet. Die Wasserstoffisotope waren in Form von Lithium-6-Hydrid gebunden gewesen. Was man nicht berücksichtigt hatte: Durch die Neutronenstrahlung entstand Lithium-7 und das reagierte dann zusätzlich auch noch in Form einer Fusion. Der Vorfall wurde untersucht. In Folge entwickelte man ein mehrstufiges Bombendesign. Mehrstufige Wasserstoffbomben können nahezu beliebig groß gemacht werden. Das sprach sich auch bis zu den Russen herum.

Schon ein paar Jahre zuvor, als man noch keine Bomben beliebiger Sprengkraft bauen konnte, hatte der Physiker Andrei Sacharow eine Idee, wie man mit hinreichend starken Kernwaffen auch ohne ein Raketen-Trägersystem einem Feind größtmöglichen Schaden zufügen könnte. Daraus entstand das Sacharow-Szenario. Der spätere Dissident soll – was allerdings sehr umstritten und nicht gesichert ist – gesagt haben:

„Warum sollten wir auf diese ganze Konfrontation mit dem Westen eingehen? Lasst uns doch eine 200 Megatonnen Atombombe bauen und sie im südlichen Teil der Nordsee platzieren. Und dann sollten wir die Auflösung der NATO und den Abzug der ganzen Kampftechnik des Westens bis zum letzten Panzer von unseren Grenzen fordern, sonst zünden wir die Bombe.

Mit dieser Megabombe können wir den Frieden erzwingen. Wir werden nicht mehr kämpfen, wir werden einfach friedlich leben und unseren Wohlstand aufbauen …

Und wenn der Westen sich weigert, dann zünden wir die Bombe und lassen wir ganz Westeuropa durch einen Tsunami ausradieren, kein Problem.“

Diesen Gedankengang behielten die Militärs im Hinterkopf.

Es vergingen nach Castle Bravo aber noch 7 Jahre, bis die Russen soweit waren, eine Bombe mit beliebiger Sprengkraft zu bauen (die USA konnten das schon vorher). Das war die so genannte Zar-Bombe im Jahr 1961.

Ursprünglich hatte man sie für eine Sprengkraft von 100MT konzipiert. Sacharow selbst plagten zu dem Zeitpunkt allerdings schon Gewissensbisse, denn seine eigenen Recherchen ergaben, dass pro Megatonne Sprengkraft mit 10.000 Toten zu rechnen war. Der Test der 100MT-Bome hätte folglich auf lange Sicht eine Million Menschenleben gekostet. Auf sein Betreiben hin änderte man das Design der Bombe auf „nur“ noch 57MT.

Dennoch blieb es die stärkste jemals von Menschen ausgelöste Explosion: Die Russen hatten eine Alles-weg-Maschine erschaffen. Was hatte man jetzt? Man hatte das Gedankenspiel des Sacharow-Szenarios und die dazugehörige Sprengkraft. Man hatte also eine von Raketensystemen unabhängige Bombe, die (wahrscheinlich) einen Tsunami auslösen konnte.

Was für einen Tsunami? Der russische Atomphysiker Prof. Igor Ostrezov – eines der Opfer des Tschernobyl-Unfalls und in Folge zum Atomkritiker geworden – spricht von einer Wellenhöhe, die nach Simulationen bei 1,2km liegt. Das ist zwar nur sehr, sehr schwer vorstellbar, doch wenn die Natur schon über einen halben Kilometer schafft … Rechnet man die Daten der Tsunamis von 2010 und 2011 linear hoch und setzt flaches Land voraus, was wäre dann betroffen?

Eine derartige Welle – wenn sie denn tatsächlich entstünde – würde rein theoretisch knapp 300km ins Binnenland vordringen können. Was wäre dann alles zerstört?

Darüber geben drei Grafiken Auskunft.


Die Westküste der USA käme (Erdbeben und Supervulkan Yellowstone mal außen vor gelassen) noch am besten dabei weg, weil die Rockys die Flut begrenzen würden. Am besten ist natürlich sehr relativ zu verstehen …


Die Ostküste der USA würde es sehr viel schlimmer treffen – alle bedeutenden Städte und sogar ganze Bundesstaaten gäbe es nicht mehr.


Zumindest in Deutschland könnte Kassel zur Küstenstadt werden …

Die küstennahe Explosion einer 100MT-Bombe (oder sogar größer) könnte theotretisch die westlichen Zivilisationen soweit schädigen, dass es einer Auslöschung gleich käme. Ob so eine Welle wirklich so verheerend sein wird, kann im Vorfeld niemand sagen. Aber es wäre möglich. Wie bringt man so eine Bombe ohne Raketen ins Ziel?

Dazu gibt es mehrere Möglichkeiten. Sie könnte von einem als Trawler, Frachter oder Kreuzfahrtschiff getarnten Wasserfahrzeug einfach abgesetzt werden und da liegt sie dann auf dem Meeresgrund bis sie gebraucht wird – u. d. h. bis ein Zündimpuls kommt.

Es geht aber auch anders.

Russland hatte mal ein Projekt namens „Status-6“, welches inzwischen offiziell als „Poseidon“ bezeichnet wird. Was ist Poseidon? Ein Unterwasser-Torpedo, der in einem Kilomter Tiefe mit knapp 200km/h unterwegs ist und über eine Reichweite von über 10.000km verfügt. Mit einem derartigen Torpedo greift man keine Schiffe an; dazu ist er ungeeignet. Das wäre wie der Einsatz von Atombomben gegen Blattläuse.

Poseidon muss folglich eine andere Aufgabe haben. In diesem Zusammenhang wird auch von der „Waffe des Jüngsten Gerichts“ oder von einer „Tsunami-Superwaffe“ gesprochen.

Poseidon wäre demnach eine Art von Unterwasser-Cruise-Missile. Jede U-Boot-Abwehr würde unterlaufen werden. Aufgrund seiner Geschwindigkeit wäre der Torpedo selbst dann, wenn man ihn ortet, kaum zu beseitigen.

Und Raketen bräuchte man für ihn nicht mehr; der eingangs erwähnte INF-Vertrag wäre damit obsolet. Putin hat, wie Pressemitteilungen zu entnehmen ist, aufgrund der NATO-Aktivitäten angeblich den Bau von 32 Poseidons angeordnet.

Reine Propaganda? Vielleicht …

Technisch machbar? Aber allemal, zumindest in Form einer der oben beschriebenen Megabomben.

Eine derartige Megabombe könnte prinzipiell jedes Land bauen, das über Atomenergie verfügt. Das Sacharow-Szenario – ggf. in Form einer Wasserstoffbombenerpressung – rückt damit in greifbare Nähe. Übrigens soll, wie gewissen Meldungen im Web zu entnehmen ist, auch China ein ganz ähnliches Projekt verfolgen. Dort nennt es sich „Taifun“.

Wenn es also zu einem Krieg, wie ihn gewisse NATO-Irre befürworten, kommen sollte, dann könnte der ganz anders als früher mal gedacht aussehen. Dann könnte es sich nämlich auch um durch Kriegswaffen ausgelöste Naturgewalten handeln.

In einem Punkt bin ich mir aber ganz sicher: Völlig egal wer wen wann mit welchen Waffen auch immer bekriegt – der in die Enge getriebene Gegner wird zuletzt alles einsetzen, was er hat.

Und eben das sollten wir immer bedenken, wenn Kriegstreiberei betrieben wird!


Quelle und Kommentare hier:
https://quergedacht40.wordpress.com/2019/02/20/das-sacharow-szenario/