Chef der Münchner Sicherheitskonferenz: „Russland ist der Problembär“

von Armin Siebert

Der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC), Wolfgang Ischinger, hat in Berlin die zentralen Themen der diesjährigen Konferenz vorgestellt und sich den Fragen der internationalen Journalisten gestellt. Ischinger erwartet, dass 2019 die wichtigste MSC der letzten zehn Jahre werden könnte. Russland sei willkommen, aber problematisch.

Wolfgang Ischinger, der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC), war diese Woche auf dem Gaidar-Forum, einer bedeutenden Wirtschaftskonferenz in Moskau. Dort hatte er auch den russischen Ministerpräsidenten Dmitri Medwedew getroffen, den er zur MSC einlud. Am Donnerstag stellte sich Ischinger nun in Berlin den Fragen der internationalen Presse. Auf Nachfrage von Sputnik konnte er die Teilnahme Medwedews an der Münchner Konferenz im Februar noch nicht bestätigen. Dies würde aber „aktuell in Medwedews Stab diskutiert“, so Ischinger.

Die Teilnahme des russischen Außenministers Sergej Lawrow an der MSC stehe dagegen fest. Insgesamt sei die Zahl der russischen Teilnehmer aus Parlament und Regierung an der diesjährigen Sicherheitskonferenz relativ hoch. Und „das ist gut so“, so Ischinger. „Aber Russland ist auch im Moment der Problembär. ergänzte der Außenpolitiker. Im Moment gäbe es „völlige Stagnation bei der Krisenbewältigung“.

Nicht viel Hoffnung für INF-Vertrag

In Bezug auf den INF-Vertrag meinte Ischinger:

„Ich bin nicht gerade ermutigt aus Moskau zurückgekommen, dass es beim INF-Vertrag noch zu einer Lösung kommen wird.“

Trotzdem appellierte er an Washington und Moskau, nichts unversucht zu lassen, den INF-Vertrag zu retten. Die USA hatten angekündigt, den bilateralen Vertrag über die Vernichtung nuklearer Mittelstreckensysteme einseitig aufkündigen zu wollen. Ein zweimonatiges Ultimatum von amerikanischer Seite an Russland, Marschflugkörper, die angeblich gegen den Abrüstungsvertrag verstoßen, zu zerstören, läuft am 2. Februar aus.

Größte Delegation aus den USA

Besonders stolz war Ischinger, in Berlin verkünden zu können, dass aus den USA „die größte amerikanische Kongressdelegation aller Zeiten, so an die 40 Teilnehmer“ nach München reisen würde. Außenminister Mike Pompeo würde teilnehmen, wahrscheinlich auch der vorläufige Verteidigungsminister Patrick M. Shanahan und eventuell Vizepräsident Mike Pence, so Ischinger. Präsident Donald Trump wird nach aktuellem Stand jedoch nicht an der MSC 2019 teilnehmen.

Zu den Äußerungen Trumps über einen möglichen Austritt der USA aus der Nato merkte Ischinger an, dass er sich an die Fakten halte, und die seien, „dass jetzt mehr amerikanische Soldaten und Gerät in Europa sind als vor Trumps Amtsantritt“. Twitter-Sprüche seien also das Eine, konkretes Handeln das Andere, meinte Ischinger.

Prominenz auch aus China und dem Iran

Auch sei es zum ersten Mal gelungen, mit dem ehemaligen chinesischen Außenminister Yang Jiechi ein Mitglied des Politbüros der Volksrepublik China für München zu gewinnen. Auch Großbritannien – „Brexit hin oder her“, wie Ischinger sich ausdrückte – wird seinen Verteidigungsminister nach München schicken.

Der iranische Außenminister wird ebenfalls teilnehmen. Zum Iran meinte Ischinger, die Logik (der USA – Anm. d. Red.), dass aufgrund von Defiziten des Irans in anderen Bereichen auch das Atomabkommen mit dem Iran falsch wäre, sei absurd. Als Vergleich führte Ischinger an: „Es wäre genauso falsch zu sagen, bloß weil Putin die Krim annektiert hat, schlagen wir die Tür zu Russland zu.“

Insgesamt sollen etwa 100 Staats- und Regierungschefs und Minister an der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz teilnehmen. Das wäre ein neuer Rekord. 2019 könnte somit die wichtigste MSC der letzten zehn Jahre werden, verkündete Ischinger. Aus der Reihe der teilnehmenden Staatsoberhäupter bestätigte der Außenpolitiker die Teilnahme von Bundeskanzlerin Angela Merkel und des französischen Präsidenten Emmanuel Macron.

Kein „Krisentourismus“

Hauptthemen der diesjährigen MSC sollen laut Ischinger „die strategische Selbstbehauptung Europas, die transatlantischen Beziehungen und die Weltordnung allgemein“ sein. Die weltpolitische Lage sei im Moment „ungewöhnlich bedrohlich“, meinte Ischinger, der seit gut zehn Jahren Chef der MSC ist. Die „liberale internationale Ordnung“ sei in Gefahr. Es gäbe „im Moment mehr Krisen in der Welt, als man an einem Wochenende behandeln könnte“, so Ischinger.

Zur Rolle der EU meinte der ehemalige deutsche Botschafter in Großbritannien und den USA, dass es für ihn keinen Sinn mache, wenn einzelne europäische Länder in Bezug auf Krisenregionen eine individuelle Politik fahren würden. Die EU sollte mit einer Stimme sprechen. Alles andere wäre nur „Krisentourismus“, so Ischinger.

Nord Stream 2 nicht mehr abbrechen

Eine gemeinsame europäische Position sollte es auch in Bezug auf Nord Stream 2 geben, meinte der Ex-Diplomat auf Nachfrage.

„Eine kohärente Außenpolitik gegenüber Russland darf das Thema Energie nicht ausklammern“, so Ischinger.

Allerdings räumte er ein, dass die Bundesregierung rein juristisch Recht hat, wenn sie Nord Stream 2 als wirtschaftliches Projekt bezeichnet. Jedoch habe Nord Stream 2 durch den Ukraine-Konflikt eine eminente politische Komponente bekommen, so Ischinger. Er würde allerdings nicht dafür plädieren, dieses Projekt jetzt noch abzubrechen, so der Außenpolitiker. Für die Zukunft sollte sich Deutschland aber mehr für eine gemeinsame europäische Energiepolitik einsetzen.

Die Münchner Sicherheitskonferenz ist seit 55 Jahren vor allem eine Bühne für transatlantische Sicherheitsexperten und arbeitet eng mit der Nato zusammen. Jedoch werden auch immer Delegationen aus anderen Teilen der Welt eingeladen, und hinter den Kulissen werden in den Räumlichkeiten des Münchner Hotels „Bayrischer Hof“ zahlreiche hochrangige Gespräche unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt. Politiker nutzen die Sicherheitskonferenz auch gern für Grundsatzreden, wie der russische Präsident Wladimir Putin mit seiner berühmten Rede auf der MSC im Jahre 2007, in der er das Ende der unipolaren Welt verkündete und die Dominanz der USA kritisierte.

In diesem Jahr findet die Konferenz vom 15. bis 17. Februar in München statt.



Quelle und Kommentare hier:
https://de.sputniknews.com/politik/20190117323625134-ischinger-msk-erwartungen/