Bis das letzte Eichenblatt fällt

von Treveri

Es wird Herbst in Deutschland. Es ist kaum noch zu leugnen und zu übersehen. Noch vor drei Wochen sah man sich schwitzend bei 30°C  Altweibersommerhitze Schattenplätze jagen. Von einer Art melancholischen Stimmung erfasst, breche ich kurzerhand zu einem Spaziergang im immer farbenprächtiger erscheinenden Wald auf.

Das sonst immer präsente Handy verschwindet im Rucksack (für den Notfall) und ich ziehe meine Bahn entlang des mit Eicheln und Blättern bedeckten Schotterpfades. Der Wald, von dem man uns Deutschen nachsagt wir hätten ein seltsam inniges aber gleichzeitig irrationales Verhältnis mit ihm, ist meiner Meinung nach einer der besten Plätze zum Nachdenken und zur Ruhe kommen.

Am Ende des Weges, der sich zu einer Kreuzung gabelt, steht eine mächtige Eiche wie aus dem Bilderbuch. Schon mehrere Hundert Jahre alt, hat sie wohl schon so manchem Unwetter und Sturm Paroli bieten müssen, aber blieb immer standhaft und zum größten Teil unbeschadet.

Kein Wunder also, dass wir diesen Baum als deutschesten aller Bäume bewundern und seine Blätter als Eichenlaub noch heute als Symbol zu Abzeichen und Dienstgrad hinzufügen.

Nur wie lange noch? Diese Frage klingt für viele Leser bestimmt zuerst maßlos übertreibend, ja geradezu hysterisch. Nur bei längerer Betrachtung muss man sich eingestehen, dass in unserer heutigen Gesellschaft kaum noch Symbole und Traditionen sicher vor Demontage und Abschaffung sind. In vielen Bereichen findet (ich habe mich lange Zeit davor gescheut diesen Begriff zu verwenden) eine Hexenjagd auf alles statt, was als urdeutsch oder «national» bezeichnet werden kann.

Na!? Haben Sie sich auch gerade beim Lesen des Begriffes  «national»  dabei ertappt, ein leichtes Unwohlsein zu verspüren? Kurz zu hinterfragen ob im Zusammenhang mit anderen Worten nicht ein Satz entstehen könnte, der in eine gewisse Ecke des politischen Spektrums hindeutet? Soweit ist es nun schon gekommen.

Weitestgehend unbemerkt übernehmen wir nach und nach Verhalten und Denkweisen, die dazu führen schon beim kleinsten Anflug von deutscher Identität, von Wortfetzen oder Symbolen vorsichtig zu sein. Denn über allem schwebt die Angst wegen diesen Dingen öffentlich geächtet zu werden, ins Abseits zu geraten. Realität im Jahre 2018. Noch einen Schritt weiter geht schon seit geraumer Zeit die Bundeswehr.

Ja Sie ahnen es bereits es folgt ein «Outing» meinerseits. Auch ich bin ein Staatsbürger in Uniform und noch im aktiven Dienst. Das macht es oftmals schwierig öffentlich eine Meinung zu bestimmten Themen zu äußern oder auch nur  «politisch unkorrekte Facebookseiten» mit einem «Like» zu bedenken. Denn im Hinterkopf bleibt immer der Gedanke wegen einer unbedarften emotionalen Äußerung vom Dienstherrn festgenagelt und/oder aus dem Verhältnis eines Soldaten auf Zeit ohne Anrecht auf Bezüge entfernt zu werden.

Eine abstrakte Gefahr? Mitnichten! Zu oft hat man schon Kameraden wegen z.B. WhatsApp Status oder Facebook-Post’s zum Chef zitiert, weil es wieder einen Anruf vom MAD wegen Soldat XY gab. Seit der unsäglichen Geschichte um den, Pardon, «Vollidioten» Franco A. und den anschließend folgenden Sofortmaßnahmen, ist jede Dienststelle bemüht so wenig wie möglich ins Fadenkreuz der Inquisitoren zu kommen.

Auch bei uns hat man die gesamte Kaserne auf der Suche nach vermeintlichen Wehrmachtsdevotionalien und anderem «Nazikram» auf den Kopf gestellt. Etwas wirklich Verwerfliches hat man dabei nicht finden können. Darum mussten schnell andere Ergebnisse her, die vom Eifer des Kasernenkommandanten und so manchem Kompaniechef im Kampf gegen Rechts künden sollten. In unserer Einheit hat man aus dem B-Raum (Besprechungs und Festivitätsraum ab Unteroffizier aufwärts) ein paar Bilder und Schriftzüge entfernt, die bis dahin als völlig unverfänglich betrachtet wurden.

Auch auf einigen Stuben mussten Poster und ähnliche Dinge verschwinden. Bei einem Kameraden fand man z.B. die CD-Hülle vom Spiel «Wolfenstein the new Order». Dass es hierbei darum geht als Superheld der Widerstandskämpfer Nazis und deren Kreaturen dem Pixeltod zuzuführen, war dabei zweitrangig. Das bekannte Wolfenstein Logo hat dem Spieß genügt, um als Meldung nach Oben zu dienen. Der Traditionserlass der Bundeswehr wurde von der Ministerin kurzerhand auf Eis und das Liederbuch zur Überprüfung gelegt.

Im Januar diesen Jahres gab es nach vorausgegangenem Befehl aus dem Verteidigungsministerium eine Dienstgradgruppen übergreifenden Arbeitskreis zum Thema neue Traditionsfindung. Der als Projektoffizier eingesetzte Hauptmann war überrascht ,dass es doch so viele Freiwilligenmeldungen gab, obwohl doch alles nach Dienst und ohne Anrecht auf «Stunden» stattfand.

Zur Einleitung gab es die übliche Belehrung über das Konzept der Inneren Führung. Dann allerdings kam überraschend für viele zur Sprache, dass selbst ein Claus Schenk Graf von Stauffenberg laut neuester Definition nicht mehr unbedingt als traditionswürdig für die BW anzusehen sei. Als Begründung lieferte er ein Zitat Stauffenbergs, dass aus dem Brief an seine Frau kurz nach dem Polenfeldzug entnommen wurde:

«Die Bevölkerung ist ein unglaublicher Pöbel, sehr viele Juden und sehr viel Mischvolk. Ein Volk, welches sich nur unter der Knute wohlfühlt.»

Ein Raunen ging durch den Saal. Wenn schon Stauffenberg nicht mehr sicher vor Kritik ist, wen kann man noch als Traditionsgeber aus der Wehrmacht heranziehen?

Kurze Antwort: Nach neuer Lesart – NIEMANDEN- ! Wieder betretenes Schweigen. Ein Oberfeldwebel verwies auf die Gründung der Bundeswehr durch ehemalige Offiziere der Wehrmacht und sogar der Waffen SS.  Natürlich sind das die Anfänge durch das Amt Blank und ja es waren Menschen, die zuvor im Weltkrieg dienten, sagte der Herr Hauptmann.

Aber für die Traditionsfindung ist das ein unwichtiger Faktor, denn es lagen ja bereits sechs Nachkriegsjahre dazwischen und daher kann in keinster Art und Weise eine notwendige Überleitung zur BW geschaffen werden. Auf die Nachfrage wen oder was wir als traditionsgebend hernehmen sollen, folgte nur ein leicht schmunzelnd ausgeführtes: Darum sind wir ja heute hier meine Herren!

Zugegeben keiner der Anwesenden (den Hauptmann mit eingeschlossen) verfügte über ein Studium der Geschichts-, Sozial- oder Politikwissenschaften. Jemand, der sich einmal akademisch mit dem Thema befassen musste, hätte sicherlich die ein oder andere Erklärung bereit gehabt warum und weshalb diese oder jene Person, diese oder jene Begebenheit als traditionswürdig anzusehen sind oder eben nicht. Aber darum ging es an diesem Abend für die Soldaten nicht.

Für den einfachen (hätte jetzt beinahe Landser gesagt) Soldaten ist es weniger die Frage nach einer über allem erhabenen Moral des Traditionswürdigen oder einer Geschichte. Es ist vielmehr der Versuch sich mit der Person oder Sache zu vergleichen und festzustellen, dass der «Kriegsheld» von damals nahezu Übermenschliches(oh, oh) fernab aller Normen geleistet hat.

Alleine und zu Fuß vollgepackt mit geballten Ladungen durch einen Kugelhagel auf Feindpanzer zustürmen, diese zu vernichten und nebenbei noch verwundete Kameraden in den sicheren Graben ziehen. Oder gegen eine fast aussichtslose zahlenmäßige Überlegenheit seine Stellung wieder und wieder zu verteidigen oder im Angesicht des baldigen eigenen Todes zu seiner Überzeugung zu stehen und mit dem letzten Atemzug «Es lebe das heilige Deutschland» rufen.

Das sind für nahezu alle Soldaten Dinge, mit denen sie sich identifizieren können und wollen. Taten, die ihnen vorgelebt wurden und vom Ethos des Kriegers künden. Es gibt nichts Politisches an der Selbstaufopferung für seine Kameraden oder sein Land, ungeachtet wer dieses als Staatsoberhaupt führt.

Soldaten aller Nationen kämpfen weniger für eine politische Überzeugung, als für den Mann links und rechts neben ihnen und die Familie/Menschen in der Heimat.

Nicht umsonst spricht man von einer Bruderschaft oder einem unsichtbaren Band, das alle verbindet (Stichwort: Weihnachtsfrieden). Ist es denn so falsch, dass man als Soldat diese Leistungen bewundert und ausgezeichnete Kameraden als Vorbild nimmt, um im eigenen Bereich noch Besser zu werden? Und auch wenn es Probleme und Hindernisse gibt, hat man doch stets den Gedanken daran, dass alles noch viel schlimmer sein könnte und es Männer gab, für die aufgeben keine Option war.

Wünscht man sich nicht von jedem Soldaten, dass er sein Land bedingungslos liebt und bereit ist zur Not für die Menschen in Deutschland sein Leben zu geben? Wir leben im Luxus des Friedens. Gott sei Dank wurde der kalte Krieg nicht heiß und damit gab es für die Bundeswehr nie die Notwendigkeit seit ihrer Gründung in einem größeren bewaffneten Konflikt involviert zu sein. Dies bedeutet aber auch, dass es keine Bundeswehrangehörige gab oder gibt, die unter Gefechtsbedingungen handeln mussten und trotzdem über sich hinausgewachsen sind.

Das soll jetzt keinesfalls die Leistungen der Kameraden vergessen machen oder schmälern, die während des sogenannten Karfreitagsgefecht kämpften, starben und verwundet wurden.

Die Geschehnisse in Afghanistan sind für Viele Bundeswehrsoldaten die einzigen legitimen Beispiele für das tapfere Handeln und die unbedingte Bereitschaft für den Kameraden und die Mission alles zu geben und letztendlich den Preis zu zahlen. «Treue um Treue», so der mittlerweile in der Truppe verbotene Spruch zur Ehrung der soldatischen Leistungen, die dort erbracht wurden.

Will man den Gefallenen Kameraden an einem Ort seine Ehre erweisen, so muss man bis Berlin reisen. Das offizielle Ehrenmal der Bundeswehr befindet sich hinter für den Normalbürger unzugänglichen Kasernenmauern. Auch so entfernt man Tradition aus dem Fokus der Öffentlichkeit.

Sehr schwer für uns Soldaten an etwas traditionellem legal festzuhalten. Ich weiß das «Treue um Treue» immer noch als Spruch Verwendung findet und das in so mancher Liegenschaft der Fallschirmjäger noch immer jedes Jahr am 20. Mai Kretatag gefeiert wird.

Gegenüber Jemanden, der kein Soldat ist oder war, ist es nur sehr schwer verständlich zu machen, dass diese Tradition nichts mit irgendwelchen Nazis in der Truppe oder rechtsradikalen Tendenzen zu tun hat.

Doch nun wird es heimlich getan und es bleibt immer die Gefahr der Denunziation und der Disziplinarstrafe. Aber um nochmal zum Hauptthema zurück zu kommen: Nach nahezu drei Stunden Soldaten-Sitzkreis kamen nur wenige Fälle für traditionswürdiges Verhalten von Soldaten der Bundeswehr zusammen. Eine Kaserne, die bereits nach einem in Afghanistan gefallenen Kameraden umbenannt wurde und ein Beispiel von einem anderen Feldwebel der 1961 durch Einsatz seines eigenen Lebens zwei Kameraden vor einem Sprengunfall rettete. Das ist jedenfalls woran ich mich noch erinnere.

Gegen Ende der Veranstaltung folgte dann aber für mich der Hammer – und ich rede mich jetzt immer noch in Rage, wenn ich mit Freunden darüber spreche. Der Hauptmann sagte sinngemäß:

«Viel ändern am neuen Traditionserlass können wir sowieso nicht. Es gibt Leute in anderen Dienststellen, die garantiert schon eine neue Version in der Schublade haben. Das Wichtigste für uns sollte nun die Beschaffung von extra Geldmitteln für einen Kompaniewimpel sein, die aus einem neu geschaffenen «Traditionspflegetopf» kommen sollen.

Also drei Stunden für die Katz! Andere Kameraden dachten genauso, beließen es aber bei einem verhaltenen Kopfschütteln.

Jetzt, fast 11 Monate später, gibt es einen neuen Traditionserlass sogar im PDF Format zum Runterladen, ein gestopptes Liederbuch «Kameraden singt!» – oder lieber doch nicht?  Dazu eine umbenannte Kaserne (weitere werden sicherlich folgen) und eine zutiefst verunsicherte Bundeswehr, die mehr als jemals zuvor nach neuer Orientierung sucht.

Ich persönlich werde weitermachen wie bisher und auch zu meinem Nachteil aussprechen, was viele Kameraden denken, aber sich nicht trauen zu sagen. Ich würde es aber Keinem empfehlen meinem Beispiel zu folgen.

Ich bin Deutscher, Patriot, konservativ und Soldat! In 2018 kein leichter Weg, aber ich gehe in unbeirrbar weiter. Währenddessen fällt vor mir ein weiteres Eichenblatt zu Boden.

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Quelle und Kommentare hier:
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