Babylon Berlin und die Republik in Not

von Young German

Berlin, im Frühjahr 1929: Eine Metropole in Aufruhr. Ökonomie und Kultur, Politik und Unterwelt – alles befindet sich in radikalem Wandel. Spekulation und Inflation zehren an den Grundfesten der immer noch jungen Weimarer Republik.

In der ARD-Mediathek kann man sich die Serie Babylon Berlin jetzt ganz entspannt anschauen, nachdem man diese Produktion durch die GEZ-Gebühren finanziert hat. Ausnahmsweise kam dabei etwas Gutes heraus, was sich lohnt zu betrachten. Auch weil es Implikationen für die heutige Zeit hat.  Die Hure Babylon, der Turmbau der zu Babel, wo der Herr ihre Sprachen verwirrte und die allen Göttern Hohn bietende Konstruktion einstürzte. Wer hier an die Bundesrepublik Deutschland Anno 2018 denkt, der kann sich damit zufrieden geben, dass er mit diesen Gedanken wohl nicht alleine ist.

In der jüngeren Geschichte gibt es wohl keine Periode, wo die Polarisierung der Gesellschaft so groß war. Sichtbar wird dies an der Machtkonzentration an den politischen Rändern, der Stärkung von linken und rechten Parteien abseits der sogenannten Mitte, dem Zusammenbruch der Volksparteien. Die alte Ordnung löst sich auf, wie sie es 1918/19 tat, als das Kaiserreich zusammenbrach und die schwere Geburt der ersten deutschen Demokratie eine neue Epoche einleitete.  Nichts gilt mehr, alle Würfel werden neu geworfen und die Karten neu gemischt.  Damals zerfetzten sich linksradikale und rechtsradikale Bewegungen in den Ruinen des alten Reiches, der Weimarer Republik. Heute scheint es so, als würde sich eine ganz ähnliche Entwicklung abzeichnen.

In den 1920ern taumelte die junge, deutsche Republik in eine Katastrophe nach der anderen hinen, leidete unter ökonomischen Repressalien durch den Verseiller Vertrag und eine entstehende Weltwirtschaftskrise. Armut, soziales Elend, Orientierungslosigkeit der alten Eliten und die Schmach des verlorenen Krieges sind Treibgase, die durch kleine Funken leicht entflammbar waren. Während rechte und linke Randgruppen um die politische Macht kämpften und danach trachteten die Weimarer Republik zu stürzen,  versuchten teils durch das Ausland gestützte Politiker und Eliten eine Republik zu verteidigen, an die damals kaum jemand geglaubt hat. In den Zentrumsparteien vergeudeten letztendlich viele anständige Leute Lebenszeit und Energie für einen Patienten, den nur wenige leben sehen wollten.

Gewalt und Angst auf den Straßen

Manch jemand mag sagen, dass wir heute knapp 100 Jahre später eine Neuauflage der Weimarer Republik erleben.  Der Vergleich liegt nahe, wenn wir einen oberflächlichen Blick auf die politische Lage in Deutschland werfen. Aber es gibt auch gewaltige Unterschiede zu damals, wenngleich Paranoia, Lügen und Chaos deutlicher als zuvor die Öffentlichkeit beherrschen.

Rechte, linke und unpolitische, aber durch die Etablierten zur Politisierung genötigte Menschen demonstrieren – die Gesellschaft ist tief gespalten, wie man es sonst nur aus den USA kennt. Kein einziges großes Massenmedium ergreift Partei für die AfD, die sich zwar immer größerer Zustimmungswerte in der Bevölkerung sicher sein kann, gleichzeitig aber von einer brüchigen Einheitsfront aus allen zentristischen und linken Parteien bekämpft wird.

Die Verhältnisse sind heute anders als in Weimar und doch gleich. Gleich ist beispielsweise die oben angesprochene Spaltung im Land, die sich durch Städte und Familien zieht und mittlerweile fast jeden direkt oder indirekt durch sein Umfeld betrifft.

Dieser Tage scheint es unmöglich geworden zu sein nicht über Politik zu sprechen und gleichzeitig dieser sehr überdrüssig zu sein. Hunderttausende stehen für ein «buntes und offens Land», einen klar linken und globalistischen Weg ein, während auf der anderen Seite eine nicht zu verachtende und immer stärker werdende Allianz aus unterschiedlichsten Gruppierungen des rechten Spektrums  von AfD,  über CDU(Konservative) und FDP(Rechtes Lager)  sowie politischen Bewegungen für eine Rückkehr zum Nationalstaat und die Wiederherstellung von Grenzen eintritt.

Noch strangulieren SA-Männer keine Kommunisten auf offener Straße und Rotfrontkämpfer schießen nicht oder nur sehr selten auf Polizisten oder Rechte. Aber allzu weit sind wir von Weimarer Zuständen nicht entfernt.

Die politische Linke hat hinreichend demonstriert, dass sie vor Angriffen auf AfD-Politiker oder vermeintliche Gesinnungsgenossen (auch aus Reihen der Altparteien) nicht zurückschreckt. Steinwürfe, Angriffe auf Leib und Leben und Morddrohungen sind Normalität geworden.

Ganze Stadtviertel können wie in Hamburg oder Frankfurt von diesen roten Terrroristen in Besitz genommen und über längere Zeit gegen eine mäßig gerüstete Staatsgewalt gehalten werden.

Aber auch im weit definierbaren Lager der Rechten gibt es Anheizer und Gewaltmenschen, die im Sud kranker Rachefantasien an den Säulen der Bundesrepublik nagen. Angriffe auf Migranten und linke Politiker hat es dort ebenfalls gegeben, wenngleich nicht in der rauen Menge, wie es die linke Seite gerne hätte. «Revolution Chemnitz» und die Hetzjagd von «Hase, du bleibst hier!» haben sich nicht als die rechtsextremen Infernos erwiesen, zu dem man sie erhoben hatte. Die Lage im Land spitzt sich zu und unterscheidet sich dann natürlich noch durch einen dritten Mitspieler, nämlich dem Islam, von Weimars 20ern.

Bundesrepublik?

Vor 100 Jahren drängten die radikalen Kräfte auf die Abschaffung der Demokratie. Auch wenn sich die politische LINKE heute problemlos mit Rosa Luxemburg schmücken kann, war die Frau keine Freundin der Demokratie in der Form, wie sie 1920 in Deutschland existierte. In letzter Konsequenz stand die politische Linke, nämlich Sozialisten/Kommunisten, für die Errichtung einer kommunistischen Diktatur. Ganz in der deutschen Tradition des Euphemismus hat man dieser Diktatur hin und wieder andere, netter klingende Namen gegeben. Republikanische Demokraten waren sie allerdings nicht.

Gleiches gilt für die NSDAP und einige ihrer Verbündeten aus dem rechten Lager, die mit der neuen Staatsform nichts anzufangen wussten und diese abschaffen wollten. Die Feinde der Weimarer Republik saßen im Parlament, waren auf den Straßen und hatten zu großen Teil das Volk untereinander aufgeteilt. 1932 hätte das Pendel in die eine oder die andere Richtung schwingen können. Es wurde dann aber die andere, sodass die Nationalsozialisten den Sieg davontrugen.

Heute stellt sich die Situation anders dar, obwohl viele im linksradikalen Spektrum gerne behaupten würden, dass mit der AfD Feinde der Bundesrepublik ins Parlament eingezogen sind. Andersherum wird auch den Grünen und Linken gerne unterstellt, dass sie die wahren Verfassungsfeinde sind. Hier soll es anders formuliert werden, was eine ideologische Trennschärfe ermöglicht.

Die politische Linke in Deutschland, wozu man jetzt auch getrost Teile der CDU zählen kann, möchte schon die «Bundesrepublik» erhalten. Nur am «Deutschland» stört man sich. Für das linke Lager ist die Republik nur noch ein juristischer Raum, der mit Menschen aller Kulturen nach Beliebigkeit gefüllt werden kann, ein Siedlungsgebiet für die Welt und Standort für einige Firmen.

Die politische Rechte in Deutschland, genauer die AfD und eben kleine Teile der oben genannten FDP oder CDU/CSU, die nicht zum linken Lager zählen, möchten die Bundesrepublik auch nicht abschaffen, wohl aber das «Deutschland» im vollen Namen erhalten.  So stehen die einen für eine «Bundesrepublik mit Fragezeichen» und die anderen für eine «Bundesrepublik Deutschland», wobei auch bei der letzteren Idee noch nicht ganz geklärt ist, wer in dieser Vision einen Platz hat. Vermutlich trifft das auch auf die Bundesrepublik mit Fragezeichen zu, wenn man sich die Intoleranz anschaut, die von der Seite vertreten wird, die von sich behauptet für eben diese Toleranz einzustehen.

In dieser absoluten Verwirrung und in einer Zeit, wo in Deutschland das politische Koordinatensystem aufgemischt und die alte Ordnung aufgelöst wird, stehen die sogenannten Staatswächter vor einem Problem. Wohin schwingen die Leute bei Justiz, Polizei, Armee und so weiter?  Unter ihnen wird es Dissidenten geben, die sich sowohl dem linken als auch dem rechten Lager anschließen. Viele werden aus Loyalität und wirtschaftlichen Gründen bei der Seite bleiben, die sie bezahlt. Andere werden überall Republikfeinde sehen, wo vielleicht gar keine sind. In Weimar war die Justiz deutlich auf der Seite der Rechten, schonte diese häufig und griff besonders hart durch, wenn es «rote Banausen» waren. In der Bundesrepublik hingegen scheint ein vielfältiger Bruch durch die gesamte Sicherheitsarchitektur Deutschlands zu gehen.

Es scheint mir nicht völlig abwegig anzunehmen, dass viele Anwälte und Richter angesichts der milden Hand im Umgang mit Linken und der relativen Strenge gegenüber Rechten (man denke an das Urteil gegen den «Dresdner Moscheebomber»), einen leichten Linksdrall haben. Viele Polizisten, jedoch sicherlich nicht eine absolute Mehrheit, sondern höchstens eine relative, tendieren eher in Richtung der Konservativen/Rechten. Der Geheimdienst hingegen glänzt nur durch zur Schau gestellte Inkompetenz, erscheint eher als politisches Instrument in den Händen der Machthabenden, statt als wirklich neutrale Organisation, die allein dem Recht verpflichtet ist. Republikfeinde erkennt er scheinbar dort am ehesten, wo es befohlen wird.

Die Not der Stunde für die Bundesrepublik ist dennoch nicht von der Hand zu weisen, wenngleich wir es nicht vorschnell mit Weimar gleichsetzen sollten. Wenn dieses Eskalationsspiel bis zum Ende durchgespielt wird, steht womöglich der Sieg von einer der drei Fraktionen ins Haus: Linke, Rechte oder womöglich die dritte Gruppe der radikalisierten und stärker werdenden (numerisch und politisch) Muslime, die derzeit eher ins linke Lager schielen.

Aber die Geschichte lehrt uns, dass wenn die Zivilisation erst einmal niedergerissen ist, die Barbarei viele Formen und Farben annehmen kann. Ob roter Terror oder Morden unter dem Hakenkreuz oder  Halbmond – Unrecht bleibt Unrecht.

Wer beschützt die Bundesrepublik Deutschland eigentlich vor sich selbst?


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