Auch Du bist geisteskrank – und brauchst natürlich Therapie! – EU-Forschungsprojekt PRONIA

von Niki Vogt

Das Ärzteblatt  findet es ganz großartig: Ein internationales Forschungsteam entwickelt ein telemedizinisches Diagnose-Tool, mit dem sich psychotische Erkrankungen frühzeitig erkennen lassen sollen. Da gibt es ein EU-Forschungsprojekt und ein internationales Forschungsteam unter der Leitung eines Privatdozenten Dr. med. Nikolas Koutsouleris, der an der LMU (Ludwig-Maximilian-Universität) wirkt.

Und dieses Forschungsteam entwickelt ein „telemedizinisches Diagnosetool“, mit dem die Mediziner dann ganz früh Psychosen erkennen können – und auch natürlich schon im Vorfeld gezielt behandeln. Der Grund: Viele Patienten  gehen erst Jahre später, nachdem die ersten Anzeichen einer Psychose aufgetreten sind, zu einem Psychologen oder Psychiater. Das, so das Ärzteblatt, sei sehr schlecht, denn die therapeutische Beeinflussbarkeit psychotischer Erkrankungen sei wesentlich schlechter, wenn diese erst spät entdeckt werden. Dann könne die Erkrankung chronisch werden.

Deshalb habe die EU sechs Millionen Euro  dafür bereitgestellt, um das Projekt PRIONA zu fördern. PRIONA ist das Kürzel für „Personalised Prognostic Tools for Early Psychosis Management“. Man kann mehr darüber lesen auf der Webseite www.priona.eu. Es soll  mit dem brandneuen Diagnosetool möglich sein, den Ausbruch einer psychotischen Krankheit mit 90 % Genauigkeit vorhersagen zu können. Die „herkömmlichen Verfahren“ liegen dagegen bei 40%.

Du weißt nichts von einer Psychose, kein anderer hat was bemerkt, aber die Maschine weiß es schon?

Das Ärzteblatt schreibt dazu:

„Das erste Ziel des Projekts ist es, ein klinisch anwendbares Verfahren zur Vorhersage von psychotischen Erkrankungen bei Personen mit bestehenden Risikosymptomen, aber ohne Vollbild der Erkrankung, zu entwickeln. Ein weiteres Ziel ist die Entwicklung eines Tools zur Vorhersage von ungünstigen klinischen Verläufen, wie etwa der funktionellen Beeinträchtigung bei Hochrisiko-Personen sowie ersterkrankten Patienten mit Psychosen und Depressionen“, erläuterte Koutsouleris. Darüber hinaus ziele das Projekt darauf ab, diagnostische Tools zur Unterscheidung von psychotischen und affektiven Störungen wie Depression im Ersterkrankungsstadium zu validieren.“

Des Menschen Charakter ist vielfältig, mancher ist auch exzentrisch. Es gibt Leute, für die das Glas immer halb leer ist, was für andere halbvoll ist. Es gibt Zeiten, in denen man mit Wut im Bauch herumläuft, weil man einen Chef (männlich, weiblich oder divers)  hat, der einem das Leben schwer macht. Es gibt Zeiten, in denen man verliebt ist und alles rosarot sieht. Es gibt Miesepeter und entnervend fröhliche und zutrauliche Leute. Mancher hat eine oder mehrere Schrauben locker. So ist das nun mal.

Das Problem bei der Wahrscheinlichkeit eines solchen Diagnosetools ist, dass man Charakterzüge oder momentane, vielleicht sogar extreme emotionale Befindlichkeiten von Menschen einfach als solche sehen kann, oder darin eine beginnende Psychose erblickt. Es gibt im Prinzip kaum ein echtes Hindernis, einen Menschen mit Psychosen zu diagnostizieren, insbesondere, wenn das Diagnosetool angeblich eine Psychose identifiziert, noch bevor der Betreffende, die Umgebung oder ein Arzt davon weiß. Man bekommt da ein sehr seltsames Gefühl in der Magengegend.

Zumal das Diagnosetool auch noch auf selbstlernenden Algorithmen basiert

„Es kombiniert Daten aus neuropsychologischen und -kognitiven Tests mit bildgebenden Verfahren, genetischen Untersuchungen und Interviews. So wurden in Bildgebungsstudien etwa mit Magnetresonanztomographie signifikante Hirnveränderungen bei Patienten mit einer Psychose beobachtet. „Bei psychotischen Patienten konnten Veränderungen der Hirnstruktur, der Hirnaktivität, der Verbindungen zwischen Neuronen sowie Veränderungen von Botenstoffen wie Dopamin im Gehirn nachgewiesen werden“, erläuterte Dr. med. Lana Kambeitz-Ilankovic, Neuropsychologin im Projekt PRONIA. Dabei seien eine Vielzahl von Hirnregionen betroffen.

Nach Untersuchungen der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde erkrankt etwa jeder dritte Erwachsene im Laufe seines Lebens an einer psychischen Störung. Etwa 30 Prozent der Erkrankungen nehmen einen chronischen Verlauf. Neben dem individuellen Leid der Betroffenen haben neuropsychiatrische Erkrankungen auch eine volkswirtschaftliche Dimension.“

Sind wir nicht alle ein bißchen Bluna?

Die „Volkswirtschaftliche Dimension“ ist nett ausgedrückt. Reden wir doch Klartext: Wenn jeder Dritte mit einer Psychose diagnostiziert werden kann, dann rollt der Rubel. Da sind Sitzungen ohne Ende fällig, Dopamin- oder Serotoninhemmer, angstlösende Medikamente und Beruhigungsmittel, Schlaftabletten und Sedative, vielleicht auch noch eine Medikamentenabhängigkeit und/oder eine Einweisung in entsprechende Kliniken.

MRT-Ergebnisse sollen nämlich genau das offenbaren:

Bei psychotischen Patienten konnten Veränderungen der Hirnstruktur, der Hirnaktivität, der Verbindungen zwischen Neuronen sowie Veränderungen von Botenstoffen wie Dopamin im Gehirn nachgewiesen werden.“ 

Das Problem hierbei ist nur, dass diese Medikamente, die Dopamin oder Serotonin im Gehirn hemmen oder bereitstellen, das Gehirn nachweislich physisch auch verändern und meistens die Probleme auf Dauer deutlich vergrößern.

Bekommt das Gehirn Dopamin-Hemmer geliefert, wirkt das kurzfristig. Dann produziert das Gehirn aber deutlich mehr Dopamin und die dazugehörigen Rezeptoren, um seinen gefühlten Mangel auszugleichen, was dann zu denselben Symptomen, wie vorher führt. Auch umgekehrt führt Dopaminzufuhr zu einer Reduzierung der Rezeptoren im Gehirn, was ebenfalls den alten Zustand wiederherstellt.

Wenn also das Ärzteblatt das Thema Schizophrenie anführt, bei dem sich die „indirekten Kosten“ (was immer das auch sei) auf jährlich rund 150 Millionen Euro belaufen und das Ärzteblatt davon ausgeht, dass sich diese Kosten durch PRIONA langfristig senken lassen, ist das wenig überzeugend. Da soll der Apparat computergestützt für jeden Patienten den optimalen Diagnosepfad ausrechnen und das ist dann gleich die Grundlage für die Therapie.

Wenn diese Apparatur allerdings, da ja sehr früh schon in der Lage, Psychosen zu erkennen, mit ziemlicher Sicherheit dann tatsächlich bei jedem Dritten schon diese Psychosen – und darunter natürlich auch Schizophrenie – erkennt, dann werden ganz sicher keine Kosten gesenkt, sondern jede Menge neue Kosten generiert. Und wenn 10 Prozent (bei 90prozentiger Genauigkeit) falsch diagnostiziert werden, bedeutet das, dass 100 von 1000 Leuten, die sich an den Apparat setzen mit Psychopharmaka oder Therapien traktiert und vielleicht abhängig gemacht werden, die eigentlich gesund sind.

Anders, als bei den bekannten 40% Fehldiagnosen durch menschliche Diagnostiker, die bekannt sind und daher noch wesentlich mehr Raum für eine Revision der Diagnose oder eine andere ärztliche Meinung lassen, ist die „Sichere Diagnose“ von PRIONA dazu angetan, die Maschinendiagnose als quasi unfehlbar zu akzeptieren und der Patient hat keine Chance mehr.

Psychiatrisierung von Unbequemen voraus? Die Aufsässigkeits-Trotz-Störung

Wer es noch nicht weiß: Es gibt eine neue psychiatrische Diagnose für Systemkritiker oder unbequeme Menschen, mit dem schönen Namen „Aufsässigkeits-Trotz-Störung gegenüber Autoritäten. Auch die kann sehr gut diagnostiziert werden und erfasst im Prinzip jeden, der dem gegenwärtigen politischen System kritisch gegenübersteht und nicht kuscht. Diese Diagnose kann beispielsweise auch dazu führen, dass man – durchaus unfreiwillig – einer Medikamentierung und Therapie unterzogen wird. Die Webseite „Gehirnwäsche“ listet hierzu auf:

  1. Jährlich werden in der BRD  200.000 Menschen unter Zwang in die Psychiatrie eingeliefert.
  2. Im Mai 2013 kam der überarbeitete DSM-5 Katalog für psychische Störungen heraus (“Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders”). Das DSM dient als Leitfaden für die Diagnostik, wer und was gesund bzw. psychisch krank ist.
  3. Als neue Diagnose ist aufgenommen: “Aufsässigkeits-Trotz-Störung gegenüber Autoritäten“
  4. Das ist eine hervorragende Waffe zur Ausgrenzung von Selbst- und Querdenkern. Also, alle Einschätzungen, die von den täglich uns eingehämmerten Mainstream-Glaubenssätzen zu Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft abweichen, können damit als psychische Störung klassifiziert werden. Und sind somit behandlungsbedürftig.
  5. Allen Frances ist einer der Mitautoren dieses Katalogs für psychische Störungen (DSM), der in der westlichen Welt als Standard zur Bestimmung von psychischen Störungen gilt. Frances gehört zu den Erfindern von psychischen Krankheiten, an denen heute fast 80% der amerikanischen Bevölkerung „leidet“. In seinem Buch „Normal“ beichtet der Professor für Psychiatrie, wie seine Arbeit aus gesunden Menschen psychische Kranke macht. Der ehemalige Miterfinder der neuen psychischen Krankheiten rechnet mit seiner Zunft ab und prangert sie an, Seelenzustände als Krankheiten zu definieren. So würde mittlerweile „Schüchternheit“ als „soziale Phobie“ betrachtet. Einer Studie zufolge erfüllen schon mehr als 80% der jungen Erwachsenen die Kriterien für eine psychische Störung.

Wundervolle Aussichten, nicht wahr? Und wir dürfen mit Sicherheit davon ausgehen, dass PRIONA diese Störung auch diagnostizieren kann und soll. Das ist uns doch alles als gruselige Scheußlichkeit einer gnadenlosen Diktatur in der Sowjetunion und in der DDR und als Beleg dieser menschenverachtenden Systeme mit den schwärzesten Farben in der Schule geschildert worden.

PRIONA macht nur Sinn als „Vorsorgeuntersuchung“

Dem aufmerksamen Zeitgenossen steht ein Fragezeichen über dem Kopf. WENN das tolle Diagnose-Tool PRIONA Psychosen weit im Vorfeld erkennen und diagnostizieren kann und soll, dann macht der Apparat ja nur Sinn, wenn die Menschen von PRIONA auch weit im Vorfeld diagnostiziert werden KÖNNEN.

Das heißt, man wird hier auf Vorsorgeuntersuchungen drängen und zwar bei allen Bürgern, denn sonst bringt der ganze Zauber nichts. Absehbarer Weise werden sich die Leute aber nicht drängeln, dahin zu gehen, Das bedeutet, es könnte quasi zur Pflicht gemacht werden. Vielleicht als Vorstufe noch der Hausarzt dazwischengeschaltet, der eine solche Voruntersuchung „vorschlägt“, die dann doch verpflichtend wird.

Schöne, neue Welt der Psychiatrisierung?

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Quelle und Kommentare hier:
https://connectiv.events/eu-forschungsprojekt-pronia/